Informationsveranstaltung der BLAK

Benkert: Ziel ist Preisbindung auch für Privatversicherte

Traunstein - 19.11.2020, 16:15 Uhr

Thomas Benkert sieht Nachbesserungsbedarf am VOASG. (Foto: ABDA)

Thomas Benkert sieht Nachbesserungsbedarf am VOASG. (Foto: ABDA)


Keine Delegiertenversammlung, aber eine Informationsveranstaltung bot die Bayerische Landesapothekerkammer am gestrigen Mittwoch online an. Wichtiges Thema: das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz. Präsident Thomas Benkert machte keinen Hehl daraus, dass er nach wie vor das Rx-Versandverbot für den einzig richtigen Weg hält. Nun sei es notwendig, das VOASG nachzubessern und auch die Privatpatienten einzubeziehen. Ausdrücklich begrüßt Benkert dagegen die pharmazeutischen Dienstleistungen, die vermutlich 2022 an den Start gehen.

„Eine Delegiertenversammlung können und wollen wir online nicht abhalten“, begründete der Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer Thomas Benkert die Absage aufgrund der Corona-Pandemie. Dennoch wolle die BLAK in einer Informationsveranstaltung über wesentliche Aktivitäten des Vorstands und aktuelle Entwicklungen informieren.

Ein wichtiges Thema dabei: das Ende Oktober vom Bundestag verabschiedete Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG). Benkert kritisierte, dass dies nur 90 Prozent des Bereichs erfasse, während Privatversicherte und Selbstzahler außen vor blieben. Hier habe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sein Versprechen nicht gehalten. Trotz intensiver Gespräche sei § 78 Absatz 1 Satz 4 AMG gestrichen worden; nun müsse man schauen, dass der PKV-Bereich im kommenden Jahr wieder dazukomme. Auf Rückfrage äußerte Benkert, dass es hierzu noch keine konkreten Vorgaben gebe, eine Möglichkeit sei eine Verankerung im Versicherungsvertragsgesetz. Doch damit werde sich dann die neu gewählte ABDA-Spitze befassen.

Benkert: Es ist schwierig, allein gegen Windmühlen zu kämpfen

Benkert betonte, dass er mit dem VOASG nicht glücklich sei. Man habe mit allen Politikern geredet, aber zum Schluss habe sich bei den Abgeordneten Frustration breit gemacht und es habe geheißen: entweder so oder gar nicht. Er habe das Rx-Versandverbot immer für den einzigen Weg gehalten, aber es sei schwierig, allein gegen Windmühlen anzukämpfen. 

Darüber hinaus merkte Benkert an, dass aufgrund von Corona der Trend in der Bevölkerung immer mehr in Richtung online gehe – Essen, Kleider etc. Da sei es schwierig zu kommunizieren, dass es Arzneimittel nicht mehr im Versand geben solle. Das Hauptmanko sei nicht der Versand, sondern die Gleichpreisigkeit, man müsse nur die Fernsehwerbung sehen, bei der Riesen-Boni versprochen würden. Deshalb dürfe man die Gleichpreisigkeit nicht aufgeben, das sei ein großes Thema im kommenden Jahr.

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Positiv vermerkte Benkert, dass mit dem VOASG nun die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen eingeführt würden. Eine von der ABDA eingesetzte Steuerungsgruppe, die paritätisch von Kammer- und Verbandsseite besetzt sei, habe ein Paket erarbeitet. Die Dienstleistungen, die von jeder Apotheke erbracht werden könnten, gingen in Richtung Medikationsmanagement/-analyse; es handle sich um einen „bunten Strauß“, mehr wolle er noch nicht sagen. Wichtig sei, dass das Ganze bundeseinheitlich geregelt worden sei und dass es keine Selektivverträge gebe. Auch die Kassenseite werde nun dazu ihre Wünsche äußern. Die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband darüber, welche Dienstleistungen erbracht und wie diese vergütet werden, sollen ab Januar beginnen. Benkert rechnet damit, dass sie ein halbes Jahr dauern. Komme es zu keiner Einigung, müsse die Schiedsstelle angerufen werden, das dauere dann nochmals ein Vierteljahr. Das „Einsammeln“ des Geldes über eine Erhöhung des Festzuschlags beginne, so Benkert weiter, voraussichtlich ab Dezember 2021. Er geht davon aus, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen ab 2022 erbracht werden. 

Scharfe Worte von Pharmazierat Christian Bauer

Weiterhin ging Benkert auf das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) ein. Zwar habe man erreicht, dass ein erweitertes Makelverbot auch für Dritte dort verankert wurde, aber es sei nicht gelungen, eine technologische Schranke dazu zu bringen. Vielleicht könne man dies noch mit einem Omnibusgesetz erzielen.

Auch zur Gematik-Vergabe an IBM, die aufgrund der Beteiligung der Zur-Rose-Tochter eHealth-Tec Anfang der Woche für viel Wirbel in der Fachöffentlichkeit sorgte, äußerte sich Benkert. Dieser Bereich könne nur von ganz großen Playern dargestellt werden. Man kenne den Vertrag nicht, aber auf Nachfrage sei mitgeteilt worden, dass Zur Rose nur für einen kleinen Teilbereich zur Programmierung einbezogen werde. Der geschäftsführende ABDA-Vorstand habe sich daher entschlossen, kein großes Thema daraus zu machen, man könne das ganz entspannt stehenlassen.

Bauer: AMPreisV zerbricht in zwei bis drei Jahren

Auch in der lebhaften Diskussion war das VOASG zentrales Thema. Pharmazierat Christian Bauer berichtete, er höre im begleitenden Unterricht, dass wegen des „Vor-Ort-Apotheken-Vernichtungsgesetzes“ niemand mehr in die Offizin wolle, da dort keine Zukunft sei. Er prognostiziert, dass aufgrund der für PKV-Patienten weiterhin erlaubten Rx-Boni die Arzneimittelpreisverordnung in zwei bis drei Jahren zerbrechen werde. Auch an anderer Stelle laufe alles nach Plan für „bestimmte Betriebe in Holland“: So komme das Wiederholungsrezept und mit den automatisierten Ausgabestationen werde „Hüffenhardt“ legalisiert. Bauers Fazit: Man hätte viel früher auf das Rx-Versandverbot bestehen müssen und es von ABDA-Seite nicht aufgeben dürfen.

Hubmann: Das VOASG ist ein großer Erfolg

Ganz anders die Sichtweise des Vorsitzenden des Bayerischen Apothekerverbandes (BAV) Dr. Hans-Peter Hubmann: Das VOASG sei unter den Bedingungen, unter denen man arbeiten musste, ein großer Erfolg. Für 90 Prozent sei die Gleichpreisigkeit wiedererlangt worden, denn diese sei ja durch das EuGH-Urteil abgeschafft worden. Die Einhaltung werde durch Sanktionen gewährleistet, der Ausschluss von der Belieferung sei ein scharfes Schwert. Für eine Einbeziehung der PKV sei vor allem, so Hubmann weiter, die SPD nicht zu haben gewesen. Karl Lauterbach habe das Boni-Verbot gar nicht gewollt, Sabine Dittmar sei skeptisch gewesen; mit der verlangten Zustimmung der EU-Kommission habe man das Ganze verzögern wollen. Hubmanns Fazit: „Das Gesetz ist deutlich besser, als was wir ohne Gesetz bekommen hätten.“ Positiv sieht Hubmann insbesondere die pharmazeutischen Dienstleistungen, die ein erster Schritt zur Veränderung des Berufsstandes seien – das sage er auch den jungen Kollegen.

Auch zum Thema Botendienst-Honorar äußerte sich Hubmann: Zwar seien 2,50 Euro „nicht lustig“, aber vorher sei der Botendienst umsonst gewesen. Ausdrücklich fordert Hubmann dazu auf, das Botendienst-Honorar auch abzurechnen; derzeit werde noch viel zu wenig abgerechnet, das werde „unseren Erwartungen und denen des Ministeriums“ nicht gerecht.

„Gelder sind bei apothekereigenen Rechenzentren sicher“

Ebenfalls Thema: die AvP-Insolvenz. Benkert berichtete, die BLAK habe gemeinsam mit dem BAV einen Brief an den Ministerpräsidenten wegen einer Bürgschaft für besonders stark betroffene Apotheker geschrieben und Gespräche mit dem Großhandel sowie der standeseigenen Bank geführt. Auf Nachfrage, ob das auch bei anderen Rechenzentren eintreten könne, verwies Benkert auf die kriminelle Energie, die hier im Spiel sei. Doch es gebe die Versicherung eines „großen bayerischen Rechenzentrums“, dass die Gelder der Apotheker auf Treuhandkonten lägen. Das Thema sei in der Politik angekommen und man könne im nächsten viertel bis halben Jahr eine Regelung erwarten. Auch Hubmann berichtet über entsprechende Kontakte zum Bayerischen Gesundheitsministerium. Und auch er betont, dass die Fremdgeldkonten bei den apothekereigenen Rechenzentren streng separiert seien.

Auf der Agenda 2021: Approbationsordnung

Und was steht für 2021 an? Als ersten Punkt nennt Benkert die Gleichpreisigkeit auch im PKV-Bereich. Ein weiteres wichtiges Thema: die Änderung der Approbationsordnung; hierzu sei am 4. Dezember ein erster großer runder Tisch von der Bundesapothekerkammer anberaumt. Angestrebt werde zudem, flächendeckend Stationsapothekerinnen und -apotheker im Krankenhaus nach dem Vorbild Niedersachsens einzuführen. Allerdings sei hier problematisch, dass dann ein ganzer Studienabgangsjahrgang den öffentlichen Apotheken etc. verloren gehe. Und schließlich die pharmazeutischen Dienstleistungen: Hier müssten die Verbände mit dem GKV-Spitzenverband aushandeln, wer das Geld verteile. Geschickt wäre es, so Benkert, wenn dies nach dem Vorbild des Nacht- und Notdienstfonds geschehe. 



Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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