Reaktionen der Finanzämter

Ausstehende AvP-Zahlungen: Was ist mit der Umsatzsteuer?

Süsel - 02.11.2020, 12:15 Uhr

Die Finanzämter in Deutschland gehen offenbar sehr unterschiedlich mit der AvP-Pleite und ihren Folgen um. (p / Foto: imago images / teutopress)

Die Finanzämter in Deutschland gehen offenbar sehr unterschiedlich mit der AvP-Pleite und ihren Folgen um. (p / Foto: imago images / teutopress)


Müssen AvP-geschädigte Apotheken die von den Krankenkassen gezahlte, aber nicht vereinnahmte Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen? Das wäre neben dem fehlenden Geld von AvP eine zusätzliche Belastung für die Apotheken. Doch inzwischen wird erkennbar, dass viele Finanzämter die Zahlung stunden. Die Reaktionen der einzelnen Finanzämter sind allerdings sehr unterschiedlich, berichtet Steuerberater Niko Hümmer aus Koblenz.

Zu den vielen Fragen rund um die AvP-Insolvenz gehört der Umgang mit der Umsatzsteuer. Denn soweit die Krankenkassen an AvP gezahlt haben, enthielten diese Zahlungen auch Umsatzsteuer. Die übliche Vorgehensweise der Apotheken ist die Versteuerung nach den vereinbarten Entgelten. Dabei entsteht die Steuerpflicht, wenn das Arzneimittel abgegeben wird und so die Forderung begründet wird. Dabei ist es nicht entscheidend, ob die Zahlung bei den Apotheken ankommt und die Steuer damit vereinnahmt wird. Demnach müssten die Apotheken Umsatzsteuerbeträge an das Finanzamt abführen, obwohl sie diese gar nicht vereinnahmt haben. Doch es gibt Ausnahmen.

Mehr zum Thema

Nach AvP-Pleite: Was gilt es zu beachten bei Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer?

Liquidität der eigenen Apotheke sichern

Diese Ausnahmen beschreiben Theo Clotten und Niko Hümmer von der Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei Dr. Schmidt und Partner in Koblenz und Dresden in ihrem Beitrag „Liquidität der eigenen Apotheke sichern“ in DAZ Nr. 40. Für den Fall, dass es um Forderungen gegen AvP geht, argumentieren Clotten und Hümmer, dass diese durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters als uneinbringlich einzustufen seien. Dann könne die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer gemäß § 17 UStG gekürzt werden.

Für den Fall, dass es um Fremdgelder geht, verweisen die Autoren auf eine mögliche Stundung durch die Finanzämter. Langfristig sei auch ein Erlass aus Billigkeitsgründen vorstellbar, wenn die Steuer nicht vereinnahmt werde. Demnach hinge die Vorgehensweise davon ab, ob die Forderung an das Rechenzentrum abgetreten wurde. Doch gerade dies ist eine der großen Unklarheiten rund um die AvP-Insolvenz und davon dürften die Chancen der Apotheker auf mögliche Aussonderungsrechte abhängen. Dies zu klären, wird lange dauern.

Kurzfristiges Handeln gefragt

Bei der Umsatzsteuer ist hingegen kurzfristiges Handeln gefragt. Denn bei einer Dauerfristverlängerung muss die Umsatzsteuer für den August bis zum 10. Oktober angemeldet werden. Daraufhin fragte DAZ.online bei Steuerberater Niko Hümmer in Koblenz nach, welche Erfahrungen er inzwischen mit den Umsatzsteuervoranmeldungen und den Empfehlungen aus seinem DAZ-Beitrag gemacht hat.

Finanzämter: Stundung, Korrektur oder Ablehnung

Hümmer berichtet über sehr unterschiedliche Vorgehensweisen verschiedener Finanzämter. Sogar innerhalb einzelner Bundesländer erlebe er verschiedene Reaktionen. In gewissem Maße sei das durchaus verständlich, meint der Steuerberater, denn die Abgabenordnung sehe einen Ermessensspielraum der Finanzämter vor.

Hümmer erklärt, er kommuniziere offen mit den Finanzämtern und lasse offen, ob die Forderung abgetreten sei. Gerade das sei kurzfristig nicht zu klären und diese Unklarheit sei auch ein Grund, die Stundung der nicht vereinnahmten Umsatzsteuer zu beantragen. Daraufhin hätten mehrere Finanzämter in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen diese Zahlungen gestundet, meistens für ein halbes Jahr. Allerdings hätten andere Finanzämter in Nordrhein-Westfalen die Stundung mit unterschiedlichen Begründungen abgelehnt. Einige Finanzämter hätten kommentarlos die Beträge abgebucht. In diesen Fällen habe seine Kanzlei Widersprüche eingelegt. Außerdem berichtet Hümmer, ein Finanzamt habe aufgrund des Stundungsantrags sogar von sich aus die Bemessungsgrundlage gemäß § 17 UStG korrigiert.

Stundung bedeutet Zeitgewinn

Diese unterschiedlichen Reaktionen haben für die Apotheker verschiedene Konsequenzen. Bei einer Korrektur nach § 17 UStG muss die Apotheke die nicht vereinnahmte Umsatzsteuer nicht abführen. Erst wenn tatsächlich Geld fließt, entsteht eine neue Forderung des Finanzamts. Wenn die Zahlung gestundet wird, gewinnt die Apotheke immerhin Zeit. Möglicherweise ergeben sich zwischenzeitlich neue Informationen zur AvP-Insolvenz, die zu einer neuen Einschätzung führen. Außerdem hat die Apotheke so mehr Zeit, um Geld für eine spätere Zahlung bereitzustellen.

Variante Mecklenburg-Vorpommern

Eine weitere Variante erfuhr DAZ.online von der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern. Nach Informationen der Kammer gibt es eine Anweisung an die Finanzämter des Landes, wie mit dem Fall umzugehen ist. Demnach bleibt die Umsatzsteuerforderung gegen die Apotheken bestehen, weil die Krankenkassen nicht insolvent seien. Doch die Apotheker könnten ihre Einkommensteuervorauszahlung aufgrund der zu erwartenden Einkommensminderungen anpassen lassen. Wenn dadurch ein Guthaben bei der Einkommensteuer entstehe, könne dies mit der fälligen Umsatzsteuer verrechnet werden, obwohl es dabei um unterschiedliche Steuerarten geht. Falls ein Apotheker dann immer noch über ein Steuerguthaben verfüge, könne dies ausgezahlt werden.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.