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Kein Anlass für eine Sonderprüfung?
Die BaFin sah über Jahre hinweg offenbar keinen Anlass für eine Sonderprüfung bei AvP. Auch die rechtskräftige Verurteilung von AvP-Chef Mathias Wettstein aufgrund eines Steuervergehens im Jahr 2017 ließ die Behörde nicht misstrauisch werden. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte den Vorstandsvorsitzenden darüber hinaus als unzuverlässig eingestuft und ihm seine Fluglizenz entzogen, er durfte auch keine BaFin-Lizenz führen und musste die Geldgeschäfte in seinem Unternehmen daher offiziell Geschäftsführern überlassen. Auf Anfrage von DAZ.online beim Bundesfinanzministerium antwortet eine Sprecherin der BaFin wiederum: „Der BaFin lagen keine Informationen über die Erhebung einer öffentlichen Klage gegen eine Person des betreffenden Personenkreises bei der AvP Deutschland GmbH oder über eine diesbezügliche strafrechtliche Verurteilung vor.“
Diese Aussage deutet auf ein Kontrollproblem hin: In der Unternehmensdatenbank der BaFin befindet sich lediglich die AvP Deutschland GmbH als Factoring-Institut und nicht die von Wettstein geführte Aktiengesellschaft als Holding. Konkret heißt das: Die Apotheken erhielten zwar die Zahlungen aus der GmbH, doch Wettstein konnte in der Unternehmensgruppe über all die Jahre weiterhin personalverantwortlich sein.
Bevor die BaFin die Gelder am 10. September einfror, wurden die AvP-Konten noch um einen dreistelligen Millionenbetrag erleichtert. Nach Informationen des vorläufigen Insolvenzverwalters Hoos handelte es sich Abschlagszahlungen in Höhe von 125 Millionen Euro, die manuell von AvP an die Apotheken überwiesen wurden. Wer genau diese Transaktionen veranlasst hat, dazu gibt es bisher kein offizielles Statement. Dem Vernehmen nach muss es der AvP-Chef selbst gewesen sein, der noch in der Unternehmenszentrale agierte wie der Kapitän auf einem sinkenden Schiff.
Und wie steht es um die Systemrelevanz?
Weiterhin gibt die BaFin in ihren Antworten auf die Anfrage von DAZ.online an, dass die Bilanz- und Kontoauffälligkeiten bei AvP dazu geführt hatten, dass das Unternehmen selber Maßnahmen ergriff, „die aus Sicht der BaFin zunächst geeignet und ausreichend erschienen“. Weitere Schritte wie Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur weiteren Gefahrenerforschung wurden vonseiten der BaFin nicht eingeleitet. Darüber hinaus wollte DAZ.online erfahren, ob man bei der BaFin nicht die Systemrelevanz eines Rechenzentrums, über das die Gelder aus der Solidargemeinschaft laufen, und der daran angeschlossenen Tausenden Apotheken erkannt hätte und daraufhin engmaschiger und genauer kontrolliert, als sich nur auf die Testate eines Wirtschaftsprüfers zu verlassen. Die Antwort: „Die Beurteilung einer Systemrelevanz von Finanzdienstleistungsinstituten für Teilmärkte der ‚Realwirtschaft‘, etwa für Apotheken, ist, so bedeutsam diese für diesen Teil der Realwirtschaft auch sein mag, nicht Gegenstand der durch die BaFin ausgeübten Finanzdienstleistungsaufsicht.“ Maßgeblich sei dagegen die Systemrelevanz für den Finanzsektor. Das Finanzdienstleistungsinstitut AvP Deutschland GmbH besitzt nach Ansicht der BaFin keine Systemrelevanz für den deutschen oder gar internationalen Finanzsektor.
Eine bemerkenswerte Aussage, die das Selbstverständnis dieser Behörde unterstreicht. Bei dem von SPD-Minister Scholz angekündigten Gesetzesvorhaben wird es vorrangig darum gehen, die Rechte der Anleger zu schützen. Unbeachtet bleibt dabei, welche Systemrelevanz die von der Insolvenz betroffenen Kunden haben - im AvP-Fall die Tausenden Apotheke. Ein Umstand, der im Sonderausschuss der Gesundheitspolitiker des Bundestags am kommenden Mittwoch sehr wahrscheinlich zu Sprache kommen wird. Denn perspektivisch muss es gesetzgeberische Maßnahmen geben, die die Gelder der Krankenkassen besser vor Insolvenzen von Rechenzentren schützen und das Ausfallrisiko von den Leistungserbringern im Gesundheitswesen größtenteils abwenden.
6 Kommentare
Schön
von Karl Friedrich Müller am 24.10.2020 um 17:19 Uhr
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Bafin, Finanzminister & AvP-Insolvenz
von Carmen Trepte am 23.10.2020 um 22:19 Uhr
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Bafin
von Conny am 23.10.2020 um 19:59 Uhr
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Getreu dem BaFin-Motto: Wo nichts mehr ist, war nie etwas ... suchen dürfen die anderen ...
von Christian Timme am 23.10.2020 um 19:51 Uhr
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Verantwortlichkeiten
von Dr.Diefenbach am 23.10.2020 um 18:02 Uhr
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von Anita Peter am 23.10.2020 um 17:52 Uhr
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