AvP-Insolvenz - neue Hoffnung für Apotheken?

Douglas: Krankenkassenzahlung gilt nur bei vorliegendem Rezeptblatt

Freiburg - 12.10.2020, 14:30 Uhr

Laut Apothekenrechtsexperte Dr. Morton Douglas könnten die betroffenen Apotheker auf erneute Zahlungen der fehlenden Beträge durch die Krankenkassen hoffen. (Foto: Schelbert / INTERPHARM online) 

Laut Apothekenrechtsexperte Dr. Morton Douglas könnten die betroffenen Apotheker auf erneute Zahlungen der fehlenden Beträge durch die Krankenkassen hoffen. (Foto: Schelbert / INTERPHARM online) 


Haben die Krankenkassen mit schuldbefreiender Wirkung gezahlt, wenn das Geld wegen der AvP-Insolvenz nicht bei den Apotheken angekommen ist? Zu dieser Frage argumentiert Apothekenrechtsexperte Dr. Morton Douglas, dass eine Zahlung mit schuldbefreiender Wirkung nach den geltenden Regeln nur erfolgen kann, wenn die Rezeptblätter bei den Krankenkassen vorliegen. Für Abschlagszahlungen gelte das aber nicht.

Eine der zentralen Fragen im Zusammenhang mit der AvP-Insolvenz ist der Umgang mit den Rezepten, die sich noch bei der AvP befinden oder die sich dort befunden haben, als der vorläufige Insolvenzverwalter seine Arbeit aufgenommen hat. In diesem Zusammenhang wurde bisher insbesondere diskutiert, für welche dieser Rezepte Aussonderungsrechte der Apotheker bestehen. Für den überwiegenden Teil der bei AvP vorgefundenen Rezepte hatte der vorläufige Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos angekündigt, er werde diese Rezepte abrechnen und die Zahlungen der Krankenkassen auf getrennten Konten separieren.

Nun bringt der Apothekenrechtsexperte Dr. Morton Douglas, der zahlreiche Apotheker in Sachen AvP vertritt, einen neuen Aspekt zu diesen Rezepten in die Diskussion. Dabei geht es um die Abschlagszahlungen, die die Krankenkassen zwischen dem 4. und dem 10. September auf der Grundlage der Juli-Abrechnungen an AvP geleistet haben. Diese beziehen sich auf die August-Rezepte.

Douglas sieht Ansatz für erneute Zahlungspflicht der Kassen

Douglas hat dazu die Frage untersucht, unter welchen Bedingungen eine Zahlung der Krankenkasse als schuldbefreiend gilt. Damit ist gemeint, ob die Krankenkasse mit einer solchen Zahlung ihrer Zahlungspflicht nachgekommen ist - unabhängig davon, ob das Geld beim wirtschaftlich berechtigten Empfänger angekommen ist. Dahinter steckt die Idee, dass die Krankenkasse erneut zur Zahlung verpflichtet wäre, wenn die erste Zahlung nicht bei der Apotheke angekommen ist und in diesem Fall praktisch als unwirksam gilt.

Nach Auffassung von Douglas können die Krankenkassen nicht schuldbefreiend zahlen, solange die Originalverschreibungen noch in der Apotheke oder beim Rechenzentrum liegen. Dies erklärte der Rechtsanwalt gegenüber DAZ.online. Nach seinem Verständnis müssten diese Rezepte nochmals von den Krankenkassen erstattet werden, auch wenn die Kostenträger bereits einen Abschlag gezahlt hätten.

Douglas: Originalverschreibung nötig für schuldbefreiende Zahlung

Ausgangspunkt seiner Argumentation sind die Regelungen über die schuldbefreiende Wirkung von Zahlungen bei der Rezeptabrechnung, insbesondere die Arzneimittelabrechnungsvereinbarung gemäß § 300 Abs. 3 SGB V vom 1. April 2020. Gemäß § 3 der Anlage 3 zu dieser Vereinbarung bestehe die Abrechnung aus der Rechnung, der Datenfernübertragung und den Verordnungsblättern. Daraus folgert Douglas, dass die Übermittlung der Originalverschreibung zwingende Voraussetzung für die Abrechnung ist.

Klausel soll Kassen vor Störungen zwischen Apotheke und Rechenzentrum schützen

Außerdem verweist Douglas auf weitere Regelungen zur schuldbefreienden Wirkung der Zahlungen der Krankenkassen, beispielsweise im Berliner Arzneimittelversorgungsvertrag und in den Arzneimittellieferverträgen sowie dem Arzneiversorgungsvertrag zwischen dem Ersatzkassenverband vdek und dem Deutschen Apothekerverband. Nach diesen Vereinbarungen würde die schuldbefreiende Wirkung der Zahlung sicherstellen, dass bei Störungen im Vertragsverhältnis zwischen der Apotheke und der Abrechnungsstelle nicht nochmals Zahlungen erfolgen müssen. Dies gelte aber stets nur dann, wenn die gesamten Unterlagen einschließlich der Originalverschreibung vorgelegt worden seien und die Zahlung daraufhin erfolgt sei. Anderenfalls könne sich der Kostenträger nicht auf die schuldbefreiende Wirkung berufen, folgert Douglas. 

Abrechnungsdienstleister

AvP-Insolvenz

„Im Ergebnis kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass Zahlungen, die als Abschlagszahlungen aufgrund von Umsätzen der Vormonate erfolgen, bereits schuldbefreiende Wirkung gegenüber den Apotheken entfalten“, erklärt Douglas. Durch die Regeln zur schuldbefreienden Wirkung solle dagegen nur sichergestellt werden, dass sich Fälle, in denen die Rechtsbeziehung zwischen Apotheke und Rechenzentrum mangelbehaftet ist, nicht auf die Zahlungsverpflichtung des Kostenträgers auswirken.

Berufspolitische Aspekte

Diese Position von Douglas bildet offenbar einen neuen juristischen Ansatzpunkt. Die betroffenen Apotheker könnten auf erneute Zahlungen der fehlenden Beträge durch die Krankenkassen hoffen. Über die formal-juristische Seite hinaus rückt dies die grundsätzliche Frage ins Blickfeld, warum ausgerechnet die Apotheken das Risiko für Fehler bei einem Systembeteiligten tragen sollen. 

Allerdings ist auch nach den Anreizwirkungen zu fragen. Denn einige Krankenkassen kommen den Apotheken mit vorgezogenen Abschlagszahlungen entgegen. Wenn aber die schuldbefreiende Wirkung von Abschlagszahlungen infrage steht, würden die Krankenkassen solche Zahlungen voraussichtlich neu überdenken. Auch unabhängig von der AvP-Insolvenz sind diese Zahlungen ein wichtiger Beitrag zur Liquidität des Systems. Daher sind die Reaktionen der Krankenkassen, aber auch der Apothekerverbände auf die Rechtsauffassung von Douglas mit Spannung zu erwarten.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


2 Kommentare

Ein Fall für die Ministerien (und eben nicht für die Ermittlungsbehörden)

von Nikolaus Guttenberger am 12.10.2020 um 16:36 Uhr

Auch diese Problematik weist in Richtung der Herren Scholz, Spahn und Altmeier. Der Avp-Fall muss zwingend staatlich aufgearbeitet werden.

Der Vertrauensverlust in das System ist bereits riesengroß, die Arzneimittelversorgung in unserem Land ist jetzt schon in Frage gestellt.

Auf was wollen die noch warten, bis sie ihre Arbeit machen ?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Ein Fall für die Ministerien (und eben

von Roland Mückschel am 13.10.2020 um 11:19 Uhr

Auf Anweisung einer höheren Stelle.
Dem Arbeitskreis der Internationalen Pharmalobbyisten.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.