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ApothekenRechtTag 2020 online
Welche Corona-Sonderregeln sollten bleiben?
Nachdem der Bundestag Ende März die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ feststellte, ging es Schlag auf Schlag: Das BMG sorgte per Verordnung für mehr Flexibilität bei der Arzneimittelabgabe. Auch die Selbstverwaltung suchte nach pragmatischen Lösungen, um die Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten. Es entstanden zahlreiche Pandemie-Sonderregelungen. Einige davon haben nach Auffassung von Ina Hofferberth, Geschäftsführerin des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg, das Zeug, die Pandemie zu überdauern. Welche das sind, erläuterte sie vergangene Woche beim ApothekenRechtTag online.
„Apothekenrecht in der Pandemie und danach: Was sollte in die Nach-Corona-Zeit ‚gerettet‘ werden und was nicht?“ – mit dieser Frage befasste sich Ina Hofferberth, Juristin und Geschäftsführerin des Landesapothekerverbands (LAV) Baden-Württemberg, am vergangenen Donnerstag auf dem ApothekenRechtTag online.
Für die Apotheken besonders praxisrelevant ist die Ende April erlassene SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung. An dieser ist für Hofferberth vor allem eines bemerkenswert: Hier wurde die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung und der Schutz des Patienten vor infektiösen Kontakten vor alle wirtschaftlichen Erwägungen gestellt. „Das würde ich mir häufiger wünschen“, so die Juristin. Nicht mehr das wirtschaftlichste Arzneimittel stehe nun im Vordergrund, sondern die Frage: Was ist vorrätig? Noch bis Ende März 2021 – sofern nicht zuvor das Ende der epidemischen Lage von nationaler Reichweite festgestellt wurde – darf von der Abgabereihenfolge des Rahmenvertrags abgewichen werden, wenn das verordnete Arzneimittel nicht vorrätig beziehungsweise nicht lieferbar ist. Die Möglichkeiten reichen bis hin zum Aut-simile, wenn nicht einmal ein wirkstoffgleiches Arzneimittel verfügbar ist – dies selbstverständlich nach telefonischer Rücksprache mit dem Arzt. Zudem ist es möglich, abweichende Packungsgrößen, Packungszahlen und Wirkstärken abzugeben, sofern die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird. Auch Teilmengen können einer Packung entnommen werden, es gibt sowohl für die erste als auch für die weitere Abgabe Abrechnungsregeln. Besonders wichtig war den Apotheken aber, dass eine Vergütung für den Botendienst eingeführt wurde. „Botendienste haben die Apotheken schon immer gemacht – aber jetzt wurden sie zur Regel“, erklärte Hofferberth.
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All diese Regelungen, das stellte die LAV-Geschäftsführerin klar, würden die Apotheker sehr gerne behalten. Die erleichterten Abgaberegelungen sollten zumindest bei Lieferengpässen bestehen bleiben. Einen konkreten Lichtblick gibt es bei der Botendienst-Vergütung, die eigentlich Ende September auslaufen sollte. Sie wird nun zunächst bis Ende des Jahres verlängert und soll dann gesetzlich verankert werden. Der Haken: Die Vergütung soll von fünf Euro auf 2,50 Euro halbiert werde. „Das finde ich sehr bedauerlich“, sagte Hofferberth. Doch es sei besser als nichts.
„Entbehrlich“ findet Hofferberth hingegen die in der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung vorgesehenen Sonderregeln im Betäubungsmittelrecht. Diese seien im Pandemiefall durchaus sinnvoll – für die Regelversorgung spielten sie aber eine untergeordnete Rolle.
Hilfsmittel-Regelungen: Im Einzelfall beibehalten
Erleichterungen gab es auch in der Hilfsmittelversorgung. Der GKV-Spitzenverband hat Empfehlungen abgegeben, wie persönliche Kontakte vermieden werden können. Diese gelten allerdings nur bis Ende September 2020. Hofferberth wünscht sich daher, dass sich hier etwas tut, „denn die Pandemie ist ja bei Weitem noch nicht zu Ende“.
Welche Regeln sind gemeint? Statt zahlreicher Bestätigungen des Patienten, dass er das Hilfsmittel erhalten hat, konnte nun der Bote bestätigen, dass er dieses vorbeigebracht und hierzu beraten hat. Zudem konnten Beratungen und Hinweise zur Einweisung in den Gebrauch der Hilfsmittel nun telefonisch oder per Mail erfolgen. Diese Regelungen würde Hofferberth gerne über die Pandemie hinaus für Einzelfälle erhalten. Es gebe immer wieder Situationen, etwa bei bettlägerigen Patienten, in denen sie sehr hilfreich wären. Überdies empfahl der GKV-Spitzenverband mehr Nachsicht bei den Liefer- und Abgabefristen: Wenn sie nicht eingehalten werden können, soll von Sanktionen abgesehen werden. Eine entsprechende Empfehlung gab es bei Fristen bei der Präqualifizierung. Auch hier steht auf Hofferberths Wunschliste: Im Einzelfall sollten diese Empfehlungen fortbestehen.
Ganz klar behalten möchte die LAV-Geschäftsführerin aber die Corona-bedingten Änderungen bei Pflegehilfsmitteln – insbesondere die von 40 Euro auf 60 Euro erhöhte Monatspauschale für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel. Die 40 Euro seien ohnehin schon viel zu niedrig gewesen.
Besondere Pandemieregeln wurden auch beim Entlassrezept geschaffen. Bei Hofferberth erhalten diese Regelungen das Prädikat „nice to have“ – aber die Juristin ist sich im Klaren: Das Entlassmanagement ist eine Überbrückung und würde ad absurdum geführt, würde man sie ohne Not nach hinten verlängern.
Desinfektionsmittel: Apotheken sollen weiter mitmischen!
Ein großes Thema in der Coronakrise war überdies die Herstellung von Desinfektionsmitteln. Früher sei diese in Apotheken gang und gäbe gewesen – doch dann wanderte sie in die Industrie und verschwand aus den Apotheken. Als in der Pandemie die industrielle Produktion in die Knie ging, waren Apotheker wieder gefragt. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erließ bekanntlich Allgemeinverfügungen, die es Apotheken ermöglichten, befristet Hände- und Flächendesinfektionsmittel herzustellen; der Zoll gewährt noch bis Ende des Jahres Steuerfreiheit beim hierzu verwendeten Alkohol – unabhängig von der Menge. Auch diese Regelungen stehen auf Hofferberths Wunschliste: „Ich fände es toll, wenn die Apotheken in der Herstellung von Desinfektionsmitteln weiterhin eine Rolle spielen würden und nicht nur im Notfall gerufen werden“.
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Zum Abschluss nannte Hofferberth weitergehende Wünsche und Forderungen an die Politik. Dazu zählt insbesondere die Anerkennung der Apotheken – nicht nur für ihre Leistungen in der Pandemie vor Ort, sondern auch als kritische Infrastruktur. Vom Gesetzgeber erhofft sie nun alle Maßnahmen, die nötig sind, um diese Strukturen zu erhalten und zu stärken. Dabei helfe eine Preisbindung bei Arzneimitteln – schließlich habe man etwa bei Masken gesehen, wie die Preise in die Höhe schnellten als die Nachfrage in der Pandemie stieg. So etwas bei Arzneimitteln zu verhindern, sei gelebter Verbraucherschutz.
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