Mutmaßliche Rezeptzuweisung

Noweda unterstützt Apotheker bei juristischen Schritten gegen TeleClinic

Stuttgart - 11.09.2020, 10:30 Uhr

Noweda-Chef Dr. Michael Kuck (l.) unterstützt Thomas Grittmann bei seinen juristischen Schritten gegen Teleclinic. (x / Foto: Noweda / Grittmann)

Noweda-Chef Dr. Michael Kuck (l.) unterstützt Thomas Grittmann bei seinen juristischen Schritten gegen Teleclinic. (x / Foto: Noweda / Grittmann)


Der Telemedizin-Anbieter TeleClinic ist seit Juli Teil der Zur Rose-Gruppe und hat seitdem viel Ärger am Hals. Weil der Dienstleister apotheken.de die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung beendete, steht Teleclinic ohne technischen Partner da, der die Anbindung an die Vor-Ort-Apotheken ermöglicht. Doch statt den Patienten die Ausstellung von Papierrezepten nun aktiv anzubieten, laufen die elektronischen Verordnungen in nur eine deutsche Versandapotheke. Nun hat ein Apotheker aus Bayern mit Unterstützung der Apothekergenossenschaft Noweda rechtliche Schritte gegen TeleClinic eingeleitet.

Diesen Deal hatte sich die Zur Rose-Gruppe wahrscheinlich unkomplizierter vorgestellt: Als sie sich Deutschlands Telemedizin-Marktführer TeleClinic im vergangenen Juli für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag einverleibte, gab es die Anbindung an mehrere tausend Vor-Ort-Apotheken gleich obendrauf. TeleClinic arbeitete damals mit dem Dienstleister apotheken.de zusammen. Die Patienten konnten die E-Rezepte aus den Fernbehandlungen auf diese Weise unkompliziert und direkt an ihre ausgewählte Vor-Ort-Apotheke weiterleiten.

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Doch die Übernahme von TeleClinic durch die DocMorris-Muttergesellschaft Zur Rose war für den Dienstleister apotheken.de die „Überschreitung einer roten Linie“. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Akquisition kappte man die Schnittstelle zum Telemedizinanbieter. Ein Vorgang, der in Apothekerkreisen für große Zustimmung sorgte und der vom Landgericht Stuttgart inzwischen für rechtmäßig erklärt wurde.

Schließlich droht mit der neuen Unternehmensstruktur die im deutschen Gesundheitswesen tief verwurzelte und bewährte Trennung von Arzt und Apotheker ausgehebelt zu werden. Eine Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen apotheken.de und TeleClinic würde bedeuten, dass apotheken.de „nunmehr das gewandelte Geschäftsmodell der Verfügungsklägerin (TeleClinic, Anm. der Red.) und das Geschäftsmodell von DocMorris“ unterstützen müsse, schrieb das Landgericht Stuttgart in den bereits am Verhandlungstag vorgelegten Urteilsgründen. Und das, „obwohl dieses Geschäftsmodell den Interessen der Apotheken vor Ort zuwiderläuft“. Deswegen sei die Fortsetzung der Zusammenarbeit unzumutbar.

Seitdem ist es für die fernbehandelten Patienten nur sehr eingeschränkt möglich, ihre E-Rezepte an eine ausgewählte Vor-Ort-Apotheke zu senden. Einzig übrig geblieben ist die Versandapotheke Mache aus der Nähe von Stuttgart, die ihre Zusammenarbeit mit TeleClinic von Anfang an separat geregelt hatte. Das kommunizierte Ende August auch der Telemedizin-Anbieter selbst:


Für die Überbrückungszeit besteht für den Kunden neben der Versandapotheke Mache leider nur die Möglichkeit des postalischen Versands an die Privatadresse und des händischen Einlösens des Rezepts vor Ort in der Apotheke. Da der Versand des täglichen Rezept-Volumens per Post für die Mitarbeiter der TeleClinic kapazitär nur schwer zu stemmen ist, besteht diese Option leider nur reaktiv auf Nachfrage der Patienten.“ 

TeleClinic-Geschäftsführerin Katharina Jünger


Das nicht aktive Anbieten von Papierrezepten als Alternative zu E-Rezepten ist für die Patienten seitdem ein großes Ärgernis. Darüber hinaus droht dem Telemedizin-Anbieter nun ein neuer juristischer Konflikt: Wie das Bundesministerium für Gesundheit auf Anfrage von DAZ.online bestätigte, hat die AG Gesundheit der Unionsfraktion im Bundestag darum gebeten, die Situation rechtlich zu prüfen. Weil die Apotheke Mache als einziger Partner für die Arzneimittellieferung bleibt, steht ein möglicher Verstoß gegen das apothekenrechtliche Zuweisungs- oder Makelverbot im Raum.

Apotheker mahnt erfolglos ab – nun trifft man sich vor Gericht

Fast zeitgleich hat nun auch ein Apothekeninhaber aus dem unterfränkischen Miltenberg juristische Schritte gegen TeleClinic eingeleitet. Der 29-jährige Thomas Grittmann eröffnete im vergangenen Jahr seine Park Apotheke und versorgte bis zuletzt auch TeleClinic-Nutzer mit Arzneimitteln. Dadurch, dass den Patienten aktuell nur eine Wahl bleibt, ihre Verordnungen einzulösen, ergeben sich zum Teil dramatische Situationen: So wie im Fall eines sechsjährigen Mädchens, das von einer Wespe gestochen wurde. Ihr Vater veranlasste eine Teleclinic-Fernbehandlung und erhielt daraufhin ein E-Rezept, das eigentlich lediglich bei der Versandapotheke in Stuttgart hätte eingelöst werden können. Nur durch den engagierten Einsatz von Grittmann konnte dieser am Ende die Versorgung des Mädchens gewährleisten.

Dieses Gebaren der Teleclinic wollte der junge Apothekeninhaber nicht widerstandslos hinnehmen und wandte sich als Noweda-Mitglied mit der Bitte um Unterstützung an die Apothekergenossenschaft. Noweda engagierte den Anwalt Dr. Morton Douglas, der die Rechtsvertretung von Grittmann im Auftrag von Noweda übernommen hat und nun gegen TeleClinic vorgeht.

Einstweilige Verfügung beantragt

Douglas fordert im Namen des Apothekers von TeleClinic eine Unterlassung von Online-Sprechstunden mit Vergabe apothekenpflichtiger Rezepte, sofern keine Möglichkeit für jede niedergelassene Apotheke in Deutschland besteht, diese Verschreibung auch tatsächlich einzulösen. Zudem müsste Werbemaßnahmen, die Patienten suggerieren, die Verschreibungen könnten bei einer Apotheke seiner Wahl eingelöst werden, unterlassen werden. Weiterhin müsse dem Patienten transparent vermittelt werden, dass die verschriebenen Arzneimittel selbst zu bezahlen sind. Auch dies sei bei TeleClinic nicht transparent gekennzeichnet.

Dr. Michael Kuck, Vorstandsvorsitzender der Noweda, erklärt dazu: „Dieses Geschäftsgebaren passt ins Bild des Zur-Rose-Konzerns. Es geht nicht um das Wohl der Patienten, es geht nicht um das Wohl der Apotheken, es scheint vielmehr nur um die eigene Profitmaximierung zu gehen.“ Und weiter: „Man muss unweigerlich an die Aktivitäten von DocMorris in Hüffenhardt 2017 denken. Es war erschreckend, mit welcher Vehemenz hier versucht wurde, die Installation eines ‚Apothekenautomaten‘ ohne Rücksicht auf geltendes Recht und auf bestehende, gut funktionierende Versorgungsstrukturen durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist es für uns als Noweda mehr als selbstverständlich, gemeinsam mit Herrn Grittmann gegen TeleClinic vorzugehen.“

TeleClinic reagierte übrigens nicht auf die Abmahnung. Daher wurde inzwischen ein gerichtliches Verfahren angestoßen, in dem es nunmehr am 13. Oktober 2020 zur mündlichen Verhandlung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kommen wird.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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