Corona-Test aus der Apotheke?

Neuer Antikörpertest für Zuhause sorgt für Verwirrung - BMG positioniert sich

Leipzig - 01.09.2020, 18:15 Uhr

Den Antikörpertest AProof soll es auch in Apotheken geben. Doch ist das erlaubt? (Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Willnow)

Den Antikörpertest AProof soll es auch in Apotheken geben. Doch ist das erlaubt? (Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Willnow)


Ohne eine Blutentnahme beim Arzt kann jedermann ab sofort einen Test auf Corona-Antikörper selbst durchführen, wenn er dafür Geld ausgibt. Das Test-Set soll ab sofort in Apotheken erhältlich sein. Doch dürfen diese den Test überhaupt verkaufen? Normalerweise sind Selbsttests zum Nachweis von Infektionen nach IfSG nur zur Abgabe an Fachpersonal bestimmt, nicht an Laien. Einzige Ausnahme ist der Selbsttest auf HIV. Ist es bei Aproof anders? Auf Anfrage von DAZ.online gibt das Bundesministerium für Gesundheit einer erste Einschätzung ab. 

Einfach, schnell und zuverlässig soll er sein – der neue Antikörper-Test „AProof“ aus Sachsen, der ab dem heutigen Dienstag als zugelassenes Medizinprodukt bundesweit in den Apotheken erworben oder online bestellt werden kann. Für 49 Euro bekämen die Anwender demnach Gewissheit, ob sie schon mit SARS-CoV-2 infiziert waren und Antikörper gebildet haben, verspricht die Firma Adversis Pharma, die den Test gemeinsam mit dem Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrum (BBZ) der Universität Leipzig entwickelt hat und vertreibt. Gerade in Kitas, Schulen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen könne der Test genutzt werden, Risikogruppen noch besser zu schützen, hieß es am Montag bei einer Pressekonferenz zur Markteinführung in Leipzig. Zudem gewinne die Wissenschaft „wertvolle Daten, um besser abschätzen zu können, wie viele Menschen in welchen Regionen zwischenzeitlich eine Infektion durchgemacht haben“.

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Wie funktioniert der Test? „Alles was es dafür braucht, sind wenige Tropfen Blut, die auf einen Teststreifen gegeben werden. Sobald das Blut getrocknet ist, kann der Teststreifen an ein Labor geschickt werden. Jedem Test-Set liegt ein individueller Zugangscode bei, unter dem man sich registriert und das Ergebnis online abrufen kann“, erklärte Professor Jörg Gabert von Adversis Pharma. 

Auch Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) war bei der Vorstellung des neuen Tests dabei. Für ihn ist die Entwicklung des Antikörpertests „ein gutes Beispiel dafür, wie sich Innovationskraft im Freistaat entfaltet. Dass es gelungen ist, binnen weniger Monate von der Idee zum fertigen Anwendertest zu kommen, macht deutlich, wie zielorientiert alle beteiligten Forscher, Unternehmen, Behörden und Zertifizierungsstellen hier gearbeitet haben. Darauf können alle sehr stolz sein“. Kretschmer sagte, er habe den Test bereits durchgeführt und warte nun „gespannt auf das Ergebnis“.

Test gibt Apotheken Rätsel auf

Für die Apotheken stellt sich jedoch die Frage, ob sie das Test-Set überhaupt verkaufen dürfen, ohne sich juristisch auf Glatteis zu begeben. Die ABDA äußert sich auf Nachfrage der DAZ skeptisch: „Unsere Rechtsauffassung ändert sich nicht dadurch, dass ein Hersteller einen neuen Test auf den Markt bringt. Allenfalls könnte es sein, dass ein Test andere Eigenschaften als bisherige aufweist und deshalb anders einzustufen wäre. Sofern allerdings auch der genannte Test rechtlich als In-Vitro-Diagnostikum i.S.d. § 3 Nr. 4 MPG einzustufen ist – dieser Begriff umfasst nämlich laut Legaldefinition ausdrücklich auch Probebehältnisse, die zur Aufnahme von Körperproben für eine spätere In-Vitro-Untersuchung bestimmt sind –, würde eine Abgabe in Apotheken aller Voraussicht nach gegen § 3 MPAV verstoßen.“

Wann gilt die Medizinprodukte-Abgabeverordnung?

Und was sagt das Bundesgesundheitsministerium? Auch hier erklärt man, dass bei der Abgabe von Schnelltests für die Laienanwendung insbesondere die Medizinprodukteabgabeverordnung (MPAV) zu beachten sei, nach der bestimmte In-vitro Diagnostika nicht an medizinische Laien abgegeben werden dürfen.

In § 3 Absatz 4 der MPAV  sei vorgeschrieben, dass „In-vitro-Diagnostika, die für den direkten oder indirekten Nachweis eines Krankheitserregers für die Feststellung einer in § 24 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) genannten Krankheit oder einer Infektion mit einem in § 24 Satz 1 IfSG genannten Krankheitserreger bestimmt sind, nur an bestimmte Personen abgegeben werden dürfen“. Dazu zählen etwa Ärzte, Apotheken, Gesundheitseinrichtungen und Gesundheitsbehörden. „Antikörpertests auf SARS-CoV2 fallen unter diese Abgabebeschränkung und dürfen daher nicht an Laien abgegeben werden.“

Doch das BMG erklärt weiter: „Wird dem Patienten lediglich ein Probeentnahme-Set zur Verfügung gestellt, das nach erfolgter Probennahme an das Labor zurückschickt wird und das Labor übermittelt das Testergebnis, steht die Medizinprodukteabgabeverordnung dem nicht entgegen.“ 

Aber ist es wirklich so einfach?

HIV-Selbsttest als einzige Ausnahme

Denn: Es gibt nur eine einzige Ausnahme, bei der bei meldepflichtigen Infektionen auch ein Selbsttest erlaubt ist. Darauf verweist auch die MPAV: „Davon ausgenommen sind die in Anlage 3 aufgeführten In-vitro-Diagnostika“ – und das einzige In-vitro-Diagnostikum zur Eigenanwendung, das sich in Anlage 3 findet, ist für den Nachweis einer HIV-Infektion bestimmt. Das RKI kann hier Ausnahmen machen. Der Nachweis meldepflichtiger Infektionen alleinig durch die fünf oben umrissenen Gruppen ist nicht in Stein gemeißelt, die MPAV räumt dem Robert Koch-Institut bei Infektionen nach Infektionsschutzgesetz durchaus einen Handlungsspielraum ein. In Absatz 5 liest man: „Das Robert Koch-Institut kann befristete Ausnahmen von Absatz 4 zulassen, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist. Zugelassene Ausnahmen gibt das Robert Koch-Institut auf seinen Internetseiten sowie im Bundesanzeiger bekannt.“ Das ist bislang nach Informationen von DAZ.online nicht geschehen.

Sächsische Apothekerkammer warnt vor der Abgabe

Und auch die Sächsische Landesapothekerkammer bleibt weiter skeptisch. Auf ihrer Website teilt sie am heutigen Dienstag mit: „Die sächsische Tagespresse und Online-Medien haben gestern und heute auf die ab 1. September 2020 mögliche Abgabe des neu entwickelten COVID-Antikörpertests AProof® der Firma Adversis Pharma GmbH Leipzig über Apotheken informiert. Die Rechtslage hat sich jedoch nicht geändert: Wie bereits in unserer Corona-Information Nr. 41 vom 21. April 2020 informiert, dürfen Apotheken auch weiterhin keine COVID-Antikörpertests abgeben.“ Diese rechtliche Situation sei der Kammer „aktuell nochmals durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt bestätigt“ worden.

Der Hersteller hat sich auf eine Nachfrage der DAZ bisher nicht geäußert. 



Anja Köhler, Freie Journalistin
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Corona Selbsttest

von WB am 16.09.2020 um 11:02 Uhr

Per internet gibts ja die Tests seit langem zu verkaufen, auch durch Apotheken. Die Shopapotheken sollen sich mal nicht so anstellen und sie rausrücken, natürlich nicht auf Kassenrezept.
Mich wundern sowieso die Belehrungen mancher Apotheker. Wenn ich was kaufen will, dann hat ich das auch überprüft und bin mir sicher

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sinnlose Wortklauberei

von Dr. Ralf Schabik am 03.09.2020 um 8:13 Uhr

Ich verstehe das nicht: Wenn ein Ministerium - was selten genug vorkommt ! - eine unmissverständliche schriftliche Aussage von sich gibt (im Artikel zitiert), dann berufe ich mich darauf und stelle meine eigene Rechtsauffassung (selbst wenn sie richtig sein mag) zurück ! Statt froh zu sein, dass vom Ministerium eine klare Positionierung vorliegt, wird eine Sache auf Basis dämlich formulierter Vorschriften zerredet. Versteht draußen an der Front NIEMAND !!! Und über die Sinnhaftigkeit der Tests müssen wir Apotheker uns auch keinen Kopf machen, denn der Kunde, der den Test haben will, lässt sich in aller Regel auch durch meine Argumente nicht überzeugen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: sehr schöne Stellungnahme der ABDA

von Dr. Ralf Schabik am 03.09.2020 um 10:16 Uhr

Arnold: „Wenn die zuständigen Behörden in Zukunft die Ansicht vertreten sollten, dass Endverbraucher entsprechende Selbsttests bekommen können, wäre dies durch eine Bekanntmachung des Robert-Koch-Instituts oder eine Änderung der Medizinprodukte-abgabeverordnung rechtlich leicht umsetzbar. Aber solange dies nicht geschieht, dürfen Apotheken keine Corona-Tests an Endverbraucher abgeben.“
Wunderbar, Kollege Arnold :-)))

AW: sinnlose Wortklauberei

von Heiko Barz am 03.09.2020 um 10:58 Uhr

@ Dr. Schabik Genau das wäre das Arbeitsfeld der ABDA, um aus einer „Sackgasse“ in einen reibungslosen Arbeitsfluss zu kommen. Dazu müßte die ABDA einmal angriffslustiger sein und nicht immer nur depressiv abnicken, was an verkrusteten Bürokratievorschriften anliegt.
Nach dem Motto ... „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“

Falsche Debatte

von Reinhard Rodiger am 02.09.2020 um 1:19 Uhr

Da wird etwas nicht berücksichtigt.Es gibt den Vorschlag von Kekule , Schnelltests zur Feststellung der Infektosität über Apotheken anzubieten(Reaktion auf Viruslast).Darüber spricht niemand mehr, obwohl es um Feststellung der Gefährdung für andere geht.Ein Antikörpertest stellt nur fest, dass eine Infektion stattgefunden hat., besagt also etwas völlig anderes.
Es geht um eine Neujustierung der Teststrategie.Deshalb ist es fahrlässig, die Tests, die der Erfassung der Infektiosität also des direkten Ansteckungsrisikos dienen,so aussen vor zu lassen.Antigentests haben eine völlig andere Funktion und liefern eben keinen Hinweis auf Risiken für andere.
Es ergibt sich eine falsche Debatte aus vordergründigen Motiven.

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