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Bundesverwaltungsgericht
Versandhandel ist auch mit Boten zulässig
Bereits im April hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine Präsenzapotheke mit Versandhandelserlaubnis in ihrem örtlichen Einzugsbereich Rezepte und OTC-Bestellungen einsammeln darf. Und das auch in einem Gewerbebetrieb wie einem Supermarkt. Die Arzneimittel darf sie dann auch per Boten ausliefern. Nun liegen die Urteilsgründe vor.
Zu entscheiden hatte das Bundesverwaltungsgericht über die Klage einer Apothekerin aus Herne. Sie unterhält seit Dezember 2014 in einem Supermarkt eine Sammelbox für Rezepte und OTC-Bestellungen. Diese wird von der Apothekerin oder einem ihrer Mitarbeiter regelmäßig geleert. Die bestellten Arzneimittel können sich die Kunden sodann in der Apotheke abholen – oder sich per Boten liefern lassen. Die Apothekerin bot später zusätzlich den Versand über einen externen Dienstleister an – für den seltenen Fall einer Bestellung außerhalb des Stadtgebiets. Eine Rolle in der Praxis spielte jedoch stets nur der kostenfreie Botendienst im Stadtgebiet.
Die Stadt Herne sah das Angebot als unzulässige Rezeptsammelstelle und untersagte den Betrieb der Sammelbox im Oktober 2015. Die Apothekerin, die über eine Versandhandelserlaubnis verfügt, meint hingegen, dass es sich bei ihrer Sammeleinrichtung um eine erlaubnisfreie – und zulässige – „Pick-up-Stelle“ im Rahmen eines von ihr betriebenen Versandhandels handele. Sie ging daher gegen die Verfügung vor und klagte sich durch alles Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig – erst hier wurde ihrer Klage stattgegeben.
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Die Vorinstanzen teilten noch die behördliche Auffassung, dass ein Verstoß gegen die Regelung zu Rezeptsammelstellen vorliegt (§ 24 Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO). Nach außen wirke die Einrichtung wie eine solche Sammelstelle, doch die erforderliche Erlaubnis habe die Apothekerin nicht – und sie würde sie in ihrer Lage auch nicht bekommen. Auf ihre Versandhandelserlaubnis könne sie sich ebenfalls nicht berufen. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht 2008 ausgeführt, § 24 ApBetrO sei für die Entgegennahme von Arzneimittelbestellungen im Versandhandel nicht einschlägig (es ging damals um die Pick-up-Stellen der Europa Apotheek in dm-Märkten – sie wurden bekanntlich für zulässig befunden). Ob diese Entscheidung nach der 2012 erfolgten Änderung der Apothekenbetriebsordnung (inklusive § 24 ApBetrO) überhaupt noch Geltung beanspruchen könne, ließen die Richter offen, da aus ihrer Sicht ohnehin kein Versandhandel vorliegt. Das zeige sich unter anderem daran, dass die Arzneimittel durch das Personal der Apothekerin ausgeliefert würden – Merkmal des Versandes sei dagegen die Hinzuziehung externer Dienstleister.
Diese Auffassung wischt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil glattweg dahin. Es stellt nun also höchstrichterlich klar: Der Begriff des Versands (im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG, § 17 Abs. 2a ApBetrO) umfasst auch einen Vertrieb, der auf einen Versandhandel im örtlichen Einzugsbereich der Präsenzapotheke ausgerichtet ist und für die Zustellung der Arzneimittel eigene Boten der Apotheke einsetzt.
Kein Verstoß gegen das Arzneimittel- und Apothekenrecht
Die Richter sind überzeugt: Mit dem Konzept der Herner Apothekerin werde weder gegen das Arzneimittel- noch gegen das Apothekenrecht verstoßen. Das Oberverwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine vornehmlich lokale Rezeptsammlung und eine Botendienstzustellung nicht dem Versandhandel zuzuordnen sei. Der Arzneimittelversandhandel setze eben nicht voraus, dass die Apotheke für die Übersendung der Arzneimittel externe Dienstleister einsetze. Auch der Einsatz eigener Boten sei vom Wortlaut der einschlägigen Normen zum Versand umfasst. Auch wenn es in § 17 Abs. 2 Satz 1 ApBetrO heiße, die Botenzustellung sei ohne Versanderlaubnis nach § 11a ApoG zulässig, lasse sich daraus nicht ableiten, dass im Versandhandel eine Botenzustellung unzulässig wäre. Mittlerweile habe der Verordnungsgeber den Botendienst nochmals erweitert und die frühere Beschränkung auf den Einzelfall aufgehoben – „um die Botenzustellung als Versorgungsform der Vor-Ort-Apotheke und als Alternative zum Versandhandel zu stärken“. Es sei aber nicht zu erkennen, dass er den Botendienst für den Versand habe ausschließen wollen.
Bote oder externer Logistiker: Versandapotheke ist frei in ihrer Disposition
Auch Sinn und Zweck der genannten Regelungen sprechen aus Sicht der Richter dafür. Der Versand von Arzneimitteln sei unter anderem zugelassen worden, damit Apotheken im Wettbewerb ihren Service ausbauen und so die Kundenbindung stärken können. Diesem Anliegen entspreche, es der einzelnen Apotheke zu überlassen, ob sie die Versendung durch externe Transportdienstleister durchführen lasse – oder durch eigene Boten: Letztere dürften sogar die Sicherheit des Versands noch erhöhen.
Eine enge Auslegung der Versandvorschriften, die die Botenzustellung nicht zulässt, würde dem Urteil zufolge auch in die Grundrechte der Apotheker mit Versanderlaubnis eingreifen – speziell die Berufsausübungsfreiheit. Ein solcher Eingriff müsste durch vernünftige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein – Gründe die die Richter nirgendwo dargelegt sehen.
Auch lokaler Versand ist Versandhandel
Weiterhin muss der Versand aus Sicht des Gerichts nicht überregional erfolgen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber einen auf den Einzugsbereich der Präsenzapotheke ausgerichteten Versandhandel ausschließen wollte. Ein lokaler Versand trage sogar dem Anliegen von Kunden Rechnung, die ihre Versandbestellung gezielt bei einer Vor-Ort-Apotheke aufgeben möchten, die sie kennen. Belange des Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit würden nicht beeinträchtigt, schließe man den lokalen Versand in das Verständnis des Versandhandels ein.
Präsenzapotheken im Nachteil
Ausdrücklich verweist das Gericht auch auf seine eigene Rechtsprechung zu Pick-up-Stellen aus dem Jahr 2008. Im „dm-Urteil“ hatte der Senat entschieden, dass die Vorschrift des § 24 ApBetrO nicht für das Einsammeln von Verschreibungen im Rahmen des Versandhandels mit Arzneimitteln gilt. Zur Begründung hatte er ausgeführt, dass die Regelung zu Rezeptsammelstellen von der räumlichen Bindung der Arzneimittelabgabe an die Apotheke ausgehe. Da es bei dem nach § 11a ApoG erlaubten Versand an einer solchen räumlichen Bindung fehle, sei § 24 ApBetrO nicht anzuwenden. Weiter argumentierte das Gericht, dass Sammelbesteller ein typisches Element des Versandhandels seien – die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln umfasse daher auch die Möglichkeit, Verschreibungen und Medikamentenbestellungen in einer Sammeleinrichtung entgegenzunehmen und gebündelt an die Apotheke zu übersenden.
„Hieran hält der Senat fest“, heißt es nun im aktuellen Urteil. Die Änderung des § 24 ApBetrO durch die Novelle der Apothekenbetriebsordnung 2012 gebe keine Veranlassung zu einer Änderung der Rechtsprechung. Nach wie vor ordne der Verordnungsgeber die Arzneimittelabgabe über eine Rezeptsammelstelle dem Inverkehrbringen „in den Apothekenbetriebsräumen“ zu.
Die Richter verweisen am Schluss noch darauf, dass der Referentenentwurf zum Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zwar einst eine Ergänzung des § 11a ApoG vorgesehen habe, wonach eine Rezeptsammlung außerhalb der Apothekenbetriebsräume unzulässig sein sollte. Dieser Regelungsvorschlag sei aber im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren nicht weiterverfolgt worden.
Und so räumen die Richter ganz am Ende des Urteils ein, „dass Präsenzapotheken, die Rezeptsammelstellen nur nach Maßgabe des § 24 ApBetrO unterhalten dürfen, gegenüber Apotheken mit Versanderlaubnis, die diesen Beschränkungen nicht unterliegen, im Nachteil sind“. Die Differenzierung sei aber Folge der Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln. „Es ist Sache des Normgebers, ob und gegebenenfalls welche Folgerungen er daraus für § 24 ApBetrO zieht. Ebenso liegt es bei ihm, gegebenenfalls ergänzende Regelungen über die Anforderungen an Einrichtungen zum Sammeln von Verschreibungen und Bestellungen im Versandhandel zu erlassen.“
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 2020, Az.: BVerwG 3 C 16.18
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