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Gesundheitspolitik
Bundesverwaltungsgericht segnet "dm-Modell" ab
Herrschte nach der über einstündigen mündlichen Verhandlung bei den angereisten ABDA- und Kammervertretern noch vorsichtiger Optimismus über den Ausgang des – nach Auffassung von Beobachtern äußerst folgenreichen – dm-Verfahrens, so schwankten die Reaktionen nach der Urteilsverkündung zwischen stiller Betroffenheit und blankem Entsetzen. Mit ihrer Entscheidung geben die Leipziger Verwaltungsrichter nicht nur dem dm-Kooperationsmodell mit der Europa Apotheek in Venlo ihren rechtlichen Segen, sondern eröffnen zahlreichen anderen apothekenfremden Anbietern die Möglichkeit, in den Arzneimittelhandel einzusteigen.
"Nicht gefährlicher als der klassische Versandhandel"
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Auslieferung bestellter Waren durch Übergabe an den Kunden in der "Abholstation" inzwischen eine verbreitete Form des Versandhandels. Das Kooperationsmodell zwischen dm und der Europa Apotheek sei deshalb nach "heutigem Sprachgebrauch noch vom Begriff des Versandhandels erfasst". Mit dieser Begründung ("dynamischer Versandhandelsbegriff") hatte bereits das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen das Vertriebsmodell von "Arzneimittel-Pharma-Points" in dm-Märkten für zulässig erklärt. Die Schutzziele des Apotheken- und Arzneimittelrechts, so das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Vorinstanz, stünden der Einbeziehung dieses Vertriebsweges in den Versandhandel mit Arzneimitteln deshalb nicht entgegen. Der Vorsitzende wörtlich: "Die Arzneimittelsicherheit ist beim Kooperationsmodell zwischen dm und der Europa Apotheek nicht mehr gefährdet als beim klassischen Versandhandel mit direkter Zustellung an den Endverbraucher." Dieser Gesichtspunkt hatte auch bei der mündlichen Verhandlung eine zentrale Rolle gespielt. Dabei wurde vom Vorsitzenden angemerkt, dass der Gesetzgeber den Versandhandel mit Arzneimitteln ja immerhin "sehenden Auges", d. h. trotz bestehender und bekannter Gefährdungspotenziale, zugelassen habe. Eine Aushändigung bestellter Arzneimittel in Drogeriemärkten sei nicht unsicherer als die Auslieferung von Medikamenten durch die Post.
Kleiner Wermutstropfen für dm: In seiner mündlichen Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende Richter, dass sich der Beitrag von dm oder anderen Dritten beim Versandhandel auf rein logistische Leistungen beschränken müsse. Keinesfalls dürfe der Eindruck erweckt werden, dass die Arzneimittel von dm selbst abgegeben würden und der Drogeriemarkt Vertragspartner des Kunden sei. Auch eine Werbung, die diesen Eindruck vermittle (in diesem Zusammenhang wurde vom Berichterstatter auf eine aktuelle Schlecker-Werbung hingewiesen), sei rechtswidrig. Zulässig sei im Rahmen des Versandhandels nur ein Vertriebsweg, bei dem der "zwischengeschaltete Dritte" im Zeitpunkt der Bestellung "in den Augen des Verbrauchers" nicht als Apotheke auftrete.
"Schwarzer Tag für den Verbraucherschutz"
In einer ersten Reaktion bezeichnete die ABDA die Leipziger dm-Entscheidung als schädlich für die Arzneimittelsicherheit: "Heute ist ein schwarzer Tag für den Verbraucherschutz." ABDA-Geschäftsführer Rechtsanwalt Lutz Tisch, der in Leipzig ebenfalls anwesend war, betonte, dass die Apothekerverbände in dem anhängigen Verfahren nicht selbst Partei waren. Für ihn ist jetzt die Politik gefordert. Deshalb sei das dm-Urteil in der Versandhandelsdebatte "nicht so entscheidend". Vielmehr gewinne die Initiative des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers Laumann zum Verbot des Versandhandels mit (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln weiter an Bedeutung. Sie müsse mit aller Kraft voran getrieben werden.
"Es fängt erst richtig an"
Nahezu euphorisch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts äußerte sich dm-Geschäftsführerin Petra Schäfer: "Wir sind sehr zufrieden, dass die Leipziger Richter zu dem gleichen Schluss gekommen sind wie das Oberverwaltungsgericht in Münster. Nun steht der Fortführung unseres Services nichts mehr im Weg. Es freut uns, dass wir unseren Kunden den Bestell- und Abholservice für apothekenpflichtige Arzneimittel auch weiterhin anbieten können." Auch Klaus Gritschneder, Sprecher der Europa Apotheek Venlo, zeigte sich zufrieden. Für ihn fängt es jetzt erst richtig an: "Wir werden nun zügig mit unserem Partner dm den weiteren Roll-Out unserer Pharma Punkte abstimmen, damit möglichst schnell noch mehr Patienten in den Genuss des Services und somit der Einkaufsvorteile bei der Europa Apotheek Venlo kommen."
In 80 Märkten: Das Drei-Tage-Modell von dm/Europa ApotheekSeit Dezember 2006 können Kunden in nordrhein-westfälischen dm-Märkten apothekenpflichtige Medikamente am sogenannten Pharma Punkt bestellen. Nachdem der Test im Sommer 2004 zunächst durch die Stadt Düsseldorf unterbunden worden war, hatte das Oberverwaltungsgericht in Münster das Angebot im November 2006 wieder freigegeben. Ursprünglich hatten die Münsteraner Richter keine Revision zugelassen. Weil die Stadt Düsseldorf dagegen erfolgreich Beschwerde eingelegt hatte, fällte nunmehr das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil. Mittlerweile ist der Bestell- und Abholservice für apothekenpflichtige Arzneimittel in mehr als 80 Märkten in Nordrhein-Westfalen verfügbar. Der Kunde füllt den im dm-Markt ausliegenden Bestellschein der Versandapotheke aus, steckt ihn – bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemeinsam mit dem Rezept – in eine Bestelltasche und wirft diese in die Bestellbox am sogenannten Pharma Punkt. Nach drei Tagen soll der Kunde unter Vorlage des Abholscheins und seines Personalausweises das Paket mit den von der Europa Apotheek Venlo gelieferten Arzneimitteln im dm-Markt abholen können. Alternativ geht die Lieferung postalisch an eine gewünschte Adresse. Die Bezahlung erfolgt per Bankeinzug oder Überweisung direkt an die Versandapotheke. |
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