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Brandbrief an die KBV
Nach Konnektoren-Panne: Ärzte rebellieren gegen TI-Anbindung
Die Telematikinfrastruktur, kurz TI, soll vieles einfacher und ein digitales Gesundheitswesen überhaupt erst möglich machen. Allerdings verhärten sich die Fronten zwischen den Verantwortlichen. Während vor allem in der Ärzteschaft die Stimmung kippt, will das Bundesgesundheitsministerium an den gesetzten Fristen zur Anbindung der Arztpraxen an die TI festhalten. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht.
Die Telematikinfrastruktur (TI) ist die Datenautobahn im Gesundheitswesen. Nach und nach soll sie von allen Beteiligten befahren werden. Derzeit gibt es jedoch einen Mega-Stau. Wann und wie er sich auflösen wird, ist unklar. Grund ist der zunehmende Widerstand der niedergelassenen Ärzte gegen die geforderte Anbindung ihrer Praxen an die TI. Zuletzt traten massive Probleme mit den Konnektoren auf, Haftungsfragen sind nach wie vor ungeklärt.
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Nachdem es zuvor bereits erste Rücktrittsforderungen gegen den Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gegeben hat, erreichte der Streit in der vergangenen Woche eine neue Eskalationsstufe in Form eines Brandbriefs, den Vorstände von neun Kassenärztlichen Vereinigungen an die KBV nach Berlin schickten. Darin schreiben sie: „Wir als Landesvorstände sind nicht mehr in der Lage, die TI mit ihrer inzwischen unendlichen Reihe von Pannen und Peinlichkeiten, verbunden mit einem Null-Nutzen, unseren Mitgliedern weiter zu vermitteln.“ Ärzte und Psychotherapeuten würden demnach die Rahmenbedingungen der TI-Ausgestaltung in der derzeitigen Form nicht mehr akzeptieren. Zu den Rahmenbedingungen gehören bis zu 2,5 Prozent Honorarabzug, sollten sich Praxen nicht an die TI anbinden.
Zur Erinnerung: Zwischen der Gematik, die vom Bundesgesundheitsministerium beauftragt ist, die TI umzusetzen, und der Ärzteschaft war es in den vergangenen Wochen heiß hergegangen. Der Grund ist ein Konfigurationsfehler in der TI, der dafür gesorgt hatte, dass viele Arztpraxen vom sogenannten Versichertenstammdatenmanagement abgeschnitten waren – und das für Wochen. Durch den Fehler waren die Konnektoren in den betroffenen Praxen nicht mehr in der Lage, sich in die TI einzuwählen. Es handelt sich dabei um die gleichen Konnektoren, die auch für die Nutzung in den Apotheken vorgesehen sind.
Unterdessen vermeldet die Gematik, dass die Störungen behoben seien und „alle aktuell an die Telematikinfrastruktur angeschlossenen Konnektoren online sind“. Seit den Störungen ab dem 27. Mai habe die Gematik „über ihre Webpräsenz und eine Statusseite kontinuierlich berichtet sowie Hilfestellungen für betroffene Praxen und ihre IT-Servicepartner bereitgestellt“. Björn Kalweit, Leiter Operations bei der Gematik, spricht von einem „Vorfall“ und lobt, die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten habe gut funktioniert, „dafür sind wir dankbar“. Man habe in den vergangenen Wochen viel gelernt, allerdings gebe es noch Einiges zu tun. Es gehe vor allem darum, „Ereignisse schnellstmöglich zu erkennen, um funktionale Ausfälle und Leistungseinschränkungen bestmöglich zu verhindern oder diese – wenn sie eintreten – schnellstmöglich zu beheben“. Oberstes Ziel sei, „dass sich die Anwender darauf verlassen können, dass die Anwendungen und Dienste über die TI zuverlässig zur Verfügung stehen.“
„Steinzeitkonnektor“ nicht akzeptabel
Die Ärzte sind davon offenbar nicht überzeugt. In ihrem Brandbrief heißt es, man begrüße zwar nach wie vor die digitale Vernetzung und einen deutlich verbesserten Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten im Gesundheitswesen. Aber: „Die hierfür zur Verfügung stehende Technik in Form des ,Steinzeitkonnektors‘, die weitere Hardware, das Management durch die Gematik, der Einfluss der Industrie, die politischen, gesetzgeberischen Rahmenbedingungen und auch die Rolle der KBV“ würden in keiner Weise mehr akzeptiert. Ältere Kollegen würden ihre Praxen zeitiger als geplant abgeben, „weil sie den absehbaren finanziellen und zeitlichen Aufwand nicht mehr leisten werden“.
Die Freie Ärzteschaft (FÄ) unterstützt den Protest. „Vielleicht begreifen die politisch Verantwortlichen irgendwann, dass Verwaltungsmitarbeiter keine Medizin machen können“, sagte Dr. Silke Lüder am Mittwoch in Hamburg. Die FÄ-Vize befürchtet jedoch, dass diese Einsicht zu spät kommen könnte, viele Ärzte ihre Praxen aufgeben und der ambulante „Schutzwall“ bei der nächsten Corona-Welle löchrig werden könnte. „Wir brauchen sofort ein Moratorium für das offensichtlich gescheiterte TI-Projekt. Außerdem fordern wir ein sofortiges Ende aller Sanktionen gegen Praxen, die sich nicht an die zentrale TI angeschlossen haben“.
Unterdessen ist der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung offenbar dazu bereit, gesetzliche Vorgaben zur TI nicht umzusetzen, sollten diese sich gegen die Interessen der Vertragsärzteschaft richten. Das jedenfalls berichtet der Ärztenachrichtendienst in Hamburg mit Verweis auf ein Schreiben der KBV-Spitze an die Absender des Brandbriefs. Darin verteidigt sich das KBV-Führungstrio um Vorstandschef Dr. Andreas Gassen und schiebt „den Schwarzen Peter weiter ans BMG“. Das Ministerium habe demnach bisher „keine Bereitschaft erkennen lassen, auf die Anpassungswünsche von KBV und KVen einzugehen“.
Das Ministerium zeigt sich bisher unbeeindruckt und duldet laut einem Bericht des Ärzteblatts keinen Aufschub. In einem Brief an die KBV habe das BMG bereits im April klargestellt, dass an den Fristen und gesetzlichen Vorgaben für die TI nicht mehr gerüttelt werde. „Wie ernst es das Ministerium mit den gesetzlichen Fristen meint, zeigt auch ein Schreiben des BMG vom 7. Juli. In Bezug auf die IT-Sicherheitsrichtlinie warnt das BMG ganz offen die KBV. Man gehe davon aus, dass die KBV die ‚IT-Sicherheitsrichtlinie auch ohne aufsichtsrechtliche Maßnahmen schnellstmöglich verabschieden‘ werde“, berichtet das Ärzteblatt mit Verweis auf ein Schreiben von Gottfried Ludewig, zuständiger Leiter der Abteilung Digitalisierung und Innovation im BMG, an die KBV.
Der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) kritisierte am vergangenen Freitag das Verhalten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und fordert statt einer „Kommunikation im Hinterzimmer“ einen „aufrichtigen und transparenten Dialog zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben und einer Prüfung der Kapazitäten“. Dazu sollten das Bundesgesundheitsministerium, die Gematik, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die KBV und die Industrie zusammenarbeiten.
9 Kommentare
Teurer Müll/ CGM Erfänzung
von Stackmann am 22.07.2020 um 15:52 Uhr
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Teurer Müll/ CGM
von Stackmann am 22.07.2020 um 15:43 Uhr
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Das ist nur der Beginn der Katastrophe
von ratatosk am 21.07.2020 um 14:45 Uhr
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Heise online
von Karl Friedrich Müller am 21.07.2020 um 9:44 Uhr
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AW: Heise online - gute Info
von ratatosk am 21.07.2020 um 15:06 Uhr
teuerer Müll?
von Karl Friedrich Müller am 21.07.2020 um 8:48 Uhr
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AW: teuerer Müll
von Karl Friedrich Müller am 21.07.2020 um 8:51 Uhr
AW: teuerer Müll - mit System
von ratatosk am 21.07.2020 um 15:00 Uhr
AW: teuerer Müll, CGM
von Stackmann am 22.07.2020 um 15:41 Uhr
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