Einerseits vermag also SARS-CoV-2 Nervenstrukturen zu infizieren und neurologische Symptome hervorzurufen. Andererseits können neurologische Erkrankungen beziehungsweise ihre Therapien ein höheres Risiko für schwere COVID-19-Verläufe beinhalten. Autoimmunerkrankungen wie multiple Sklerose, Myasthenia gravis, Autoimmun-Enzephalitis, Neuromyelitis optica, Vaskulitis, Sarkoidose, Guillain-Barré-Syndrom werden häufig mit immunsuppressiven oder immunmodulatorischen Medikamenten therapiert. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt jedoch davor, eine gut eingestellte krankheits-modifizierende Therapie aufs Spiel zu setzen. Zur Nutzen-Risiko-Abwägung bei exponierten Patienten mit weiteren Corona-Risikofaktoren wie hohes Alter, Aufenthalt im Pflegeheim, Diabetes und Gefäßerkrankungen hat die Klinische Kommission „Neuroimmunologie“ der DGN eine Stellungnahme veröffentlicht. Demnach gebe es bisher (Stand Ende April) keine Hinweise, dass Patienten mit einer neurologischen Autoimmunerkrankung – auch mit einer Immuntherapie – ein erhöhtes Risiko haben, sich mit SARS-CoV-2 anzustecken und zu erkranken.
Das Risiko, dass eine Unterbrechung der immunologischen Behandlung die Autoimmunerkrankung deutlich verschlechtert, wird in den meisten Fällen höher eingeschätzt als die Gefahr, eine COVID-19-Erkrankung zu verschlimmern. Das gelte auch für Immuntherapien, die das Risiko für Atemwegserkrankungen erhöhen (z. B. Fingolimod, Siponimod). Die Behandlung mit Immunzell-depletierenden Medikamenten (z. B. Alemtuzumab, Ocrelizumab, Rituximab, Cladribin) sollte bei Patienten mit akuter SARS-CoV-2-Infektion bis zum Abklingen der Infektsymptome verschoben werden – wenn die Krankheitsaktivität dies erlaubt.
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