Drittes Ergebnis aus RECOVERY

Lopinavir/Ritonavir ebenfalls durchgefallen

Remagen - 06.07.2020, 09:00 Uhr

Leider hat sich die Kombination aus Lopinavir/Ritonavir wie zuvor bereits Hydroxychloroquin gegenüber COVID-19 als unwirksam erwiesen. (x / Foto: imago images / imagebroker)

Leider hat sich die Kombination aus Lopinavir/Ritonavir wie zuvor bereits Hydroxychloroquin gegenüber COVID-19 als unwirksam erwiesen. (x / Foto: imago images / imagebroker)


Wieder ein Rückschlag für die COVID-19-Forschung. Dieses Mal geht es um Lopinavir/Ritonavir. Die HIV-Kombi bringt offenbar bei hospitalisierten COVID-19-Patienten keinen signifikanten Überlebensvorteil. Das zeigen vorläufige Ergebnisse der RECOVERY-Studie.

In der weltweit größten COVID-19-Therapiestudie ist nach vorläufigen Ergebnissen auch die Kombination Lopinavir/Ritonavir, die gegen die Coronaviren SARS und MERS eine vielversprechende Aktivität gezeigt hatte, durchgefallen. Dies geht aus einer Erklärung der Leiter der randomisierten Studie RECOVERY (Randomized Evaluation of COVid-19 thERapY) zu der HIV-Kombi hervor.

Seit März untersucht die Studie fünf Behandlungsansätze:

  • Lopinavir/Ritonavir
  • Niedrig dosiertes Dexamethason (Arm wegen eindeutiger Hinweise auf einen Nutzen bei Patienten, die Beatmung oder Sauerstoff benötigen, gestoppt)
  • Hydroxychloroquin (Arm wegen mangelnder Wirksamkeit gestoppt)
  • Azithromycin
  • Tocilizumab
  • Rekonvaleszentenplasma

In Großbritannien wurden mehr als 11.800 Patienten aus 176 NHS-Krankenhäusern in die Studie aufgenommen. Am 25. Juni führte der unabhängige Datenüberwachungsausschuss eine routinemäßige Überprüfung der aktuellen Daten durch. Auf Basis der Ergebnisse kam das Lenkungskomitee der Studie zu dem Schluss, dass von Lopinavir/Ritonavir bei hospitalisierten COVID-19-Patienten keine vorteilhafte Wirkung zu erwarten sei und schloss deshalb die Randomisierung dieses Behandlungsarms.

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Insgesamt waren 1.596 Patienten mit der fixen Kombination behandelt worden. Die Kontrollgruppe umfasste 3.376 Patienten, die eine Standardbehandlung erhielten. Rund 4 Prozent der Patienten benötigten eine invasive mechanische Beatmung, als sie in die Studie eintraten, 70 Prozent nur Sauerstoff und 26 Prozent kamen ohne Atemintervention aus. Der primäre Endpunkt der Studie war die 28-Tage-Mortalität. Hier zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen Lopinavir/Ritonavir und der üblichen Versorgung (22,1 versus 21,3%). Die Ergebnisse waren in verschiedenen Untergruppen von Patienten konsistent. Es gab auch keine Hinweise auf vorteilhafte Auswirkungen auf das Risiko, eine mechanische Beatmung zu benötigen oder auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts. Die Wirksamkeit bei beatmeten Patienten konnte nicht beurteilt werden, da das Medikament bei diesen schlecht verabreicht werden konnte. Nach Meinung der Studienleitung schließen die Daten jeden bedeutenden Mortalitätsvorteil von Lopinavir/Ritonavir bei den untersuchten COVID-19-Patienten im Krankenhaus überzeugend aus.

Nach Hydroxychloroquin und Dexamethason: drittes RECOVERY-Ergebnis

In den letzten Wochen waren bereits zwei Ergebnisse aus der RECOVERY-Studie gemeldet worden. Zunächst hatte sich kein Nutzen von Hydroxychloroquin in dieser Population gezeigt. Im Gegensatz dazu senkte niedrig dosiertes Dexamethason das Sterberisiko bei Patienten, die beatmet werden, um etwa ein Drittel und bei Patienten, die nur Sauerstoff benötigen, um ein Fünftel, während sich bei Patienten, die keine Atemunterstützung brauchten, kein Nutzen zeigte. 

„Heute veröffentlichen wir das dritte Ergebnis aus der RECOVERY-Studie. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass Lopinavir/Ritonavir für hospitalisierte COVID-19-Patienten ohne Beatmungsgerät keine wirksame Behandlung ist“, stellt der Leiter der Studie, Peter Horby, Professor für neu auftretende Infektionskrankheiten und globale Gesundheit am Nuffield Department of Medicine der Universität Oxford, fest. „Damit können offenbar zwei Therapieansätze für COVID-19, nämlich Hydroxychloroquin und Lopinavir/Ritonavir, das Überleben nicht verbessern, während Dexamethason Leben rettet.“

Konzentration auf andere vielversprechende Medikamente

Professor Fiona Watt, Vorstandsvorsitzende des Medical Research Council, welcher zur Finanzierung der Studie beigetragen hat, bestätigt noch einmal deren Sinnhaftigkeit: „Es ist sehr wichtig, dass wir potenzielle Therapien in randomisierten klinischen Studien testen, damit wir herausfinden können, ob zweckentfremdete Medikamente wirken oder nicht“, sagt Watt. „Die britische RECOVERY-Studie ist die weltweit größte randomisierte Studie mit potenziellen COVID-19-Behandlungen und sie hat mit beispielloser Geschwindigkeit begonnen, die Antworten zu liefern, die wir benötigen.“ Es sei zwar enttäuschend, dass sich Lopinavir/Ritonavir wie Hydroxychloroquin als unwirksam erwiesen hätten, räumt Watt ein, aber dafür seien die vorherigen Ergebnisse mit Dexamethason positiv gewesen. Forscher und Angehörige der Gesundheitsberufe konzentrierten ihre Bemühungen und die Patientenversorgung nun auf andere vielversprechende Medikamente.

Lopinavir/Ritonavir gegen COVID-19

Welche Studien laufen mit Kaletra?

Damit ist aber das letzte Wort über die Wirksamkeit der HIV-Kombi bei COVID-19 noch nicht gesprochen, denn zahlreiche Studien laufen noch. RECOVERY nimmt im Übrigen weiterhin Patienten in die drei verbleibenden Arme der Studie zur Wirkung von Azithromycin, Tocilizumab und Rekonvaleszentenplasma auf. Es wird erwartet, dass die Studie in Zukunft noch auf weitere Behandlungen ausgedehnt wird.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Als Kombi und in der Frühphase sehr gut wirksam

von HIV Apotheker am 07.07.2020 um 13:21 Uhr

Der Titel impliziert, dass Lopinavir/Ritonavir wirdkungslos sei. Dazu muss man folgendes anmerken. Das HIV-Arzneimittel ist selbst im ureigenen Indikationsgebiet nur in Kombination mit anderen antiviral wirksamen Substanzen zugelassen. in obiger Studie wurden Patienten untersucht, die bereits hospitalisiert sind und bei der möglicherweise kaum bis keine virale Replikation mehr stattfindet und die Entzündungsreaktion den Krankheitsvelauf bestimmt. Folgende im Lancet veröffentliche Studie, die Lopinavir/Ritonavir in Kombination mit Ribavirin und Interferon untersucht hat, zeigt, dass es einen sehr guten präventiven Effekt gibt. Von 127 Patienten ist niemand gestorben, alle wurden relativ früh behandelt und nur eine Patientin benötigte invasive Beatmung. In der Kombi und früh anbehandelt scheint es ein sehr wirksames Arzneimittel zu sein.
https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)31042-4/fulltext

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