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OTC-Verkäufe
Mehrwertsteuersenkung hätte wenig Impulse für das Apothekensortiment
Wenn demnächst im Einzelhandel die meisten Preise auf niedrigere Mehrwertsteuersätze umgestellt werden, können sich die Apotheken diesem Trend bei OTC-Arzneimitteln und anderen frei kalkulierbaren Waren nicht entziehen. Doch bei Arzneimitteln ist kaum mehr Absatz zu erwarten. Nur für einige Artikel im Ergänzungssortiment könnte es positive Impulse geben.
Mit der geplanten Senkung der Mehrwertsteuersätze von 19 auf 16 Prozent und von 7 auf 5 Prozent möchte die Bundesregierung die Konjunktur ankurbeln. Die Apotheken sind allerdings in erster Linie durch die sozialrechtlichen „Nebenwirkungen“ der Mehrwertsteuersenkung betroffen. Dabei geht es um Zuzahlungen, Festbeträge und vor allem eine drohende Einbuße von etwa 12 Millionen Euro beim Kassenabschlag. Daneben berührt die Mehrwertsteuersenkung die Apotheken bei der eigenen Preiskalkulation. Es ist zu fragen, ob und wie die Preise für OTC-Arzneimittel und andere frei kalkulierbare Waren angepasst werden und ob die Apotheken davon wirtschaftlich profitieren werden. Das Ziel der Steuersenkung ist, den Konsum anzuregen. Doch dies kann bei Arzneimitteln aus gesundheitlichen Gründen nicht gewünscht sein.
Keine Empfehlungen von der ABDA
Auf diesen Widerspruch wies auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt bei der Video-Pressekonferenz zum Tag der Apotheke am 4. Juni hin. Einen halben Tag nach Bekanntwerden der geplanten Mehrwertsteuersenkung wurde Schmidt nach den Folgen für die Apotheken gefragt. Schmidt erklärte, der Konsum solle gefördert werden, aber „der Arzneimittelverbrauch ist nicht elastisch“. Es werden also nicht wesentlich mehr Arzneimittel nachgefragt, wenn diese billiger werden. Demnach erwartet Schmidt wohl kaum eine nennenswerte wirtschaftliche Stärkung der Apotheken durch die sinkende Mehrwertsteuer. Er ergänzte, die GKV werde bei den Rx-Arzneimitteln sparen. Außerdem betonte Schmidt: „Für OTC-Preise geben wir keine Empfehlung ab.“ Diese Haltung ist aus kartellrechtlicher Sicht verständlich. Denn Apothekerverbände und -kammern dürfen keine Empfehlungen zum Umgang mit frei kalkulierbaren Preisen geben, weil dies sonst zu einheitlichen Preisbildungen führen und den Wettbewerb behindern könnte.
Unterschiedliche Sichtweisen für die Preisanpassung
Doch wie können Apotheken angemessen vorgehen? - Für den Umgang mit frei kalkulierbaren Preisen gibt es kein Patentrezept. Doch sollen hier drei mögliche Sichtweisen vorgestellt werden, für die jeweils einige Argumente sprechen. Vermutlich wird je nach Apotheke und Produkt eine andere Variante vorzuziehen sein:
Die erste Sichtweise spricht Apotheken an, die insbesondere für Waren mit eher geringem Preiswettbewerb produktgruppenspezifische Zuschlagssätze anwenden. In diese Kalkulation fließt auch die sinkende Mehrwertsteuer ein. Damit sinkt der Verkaufspreis. Dies kann offensiv als faire Umstellung vermarktet werden.
Die zweite Argumentation betrifft Waren, deren Preise den Kunden kaum bekannt sind. Dabei kann es praktikabel sein, die Brutto-Verkaufspreise unverändert zu lassen. Dann hat die Apotheke einen zusätzlichen Ertrag, sofern die Nachfrage unverändert bleibt.
Der dritte Ansatz betrifft Produkte mit eher intensivem Preiswettbewerb. Sie haben meist auffällige Preise, die auf ganze Euro lauten oder auf 95, 98 oder 99 Cent enden. Dann erscheint es sinnvoll, die Preise genau entsprechend der Mehrsteuersenkung umzustellen und dabei bewusst „krumme“ Preise entstehen zu lassen, um die Umstellung möglicherweise auch ohne weitere Erklärung herauszustellen.
Es stellt sich also die Frage, ob alle oder nur bestimmte Preise frei kalkulierbarer Waren umgestellt werden und wie dies vermittelt wird. Vieles wird auch davon abhängen, welche Vorgehensweisen sich Anfang Juli im Einzelhandel etablieren. Es sollte auch in Apotheken darauf geachtet werden, ob sich dabei gesellschaftliche Trends entwickeln. Wenn im Einzelhandel fast alle Preise umgestellt werden, können sich die Apotheken einem solchen Trend nicht entziehen.
Genaue oder gerundete Preissenkung
Durch die Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 16 Prozent müssten die Bruttopreise um 2,52 Prozent sinken. Vermutlich ist vielen Verbrauchern der genaue Rechenweg nicht bewusst und vermutlich werden preisaktive Unternehmen in anderen Wirtschaftsbereichen großspurig ankündigen, dass sie ihre Preise „um 3 Prozent“ senken, weil sie sich von solchen Aussagen mehr Nachfrage erhoffen, als die „verlorenen“ 0,48 Prozent kosten. Bei der unelastischen Nachfrage nach Arzneimitteln, könnte eine solche grobe Rechnung jedoch zu Einbußen führen.
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Alle diese Überlegungen zielen primär darauf, als Apotheke fair auf die Situation zu reagieren und keinen Imageschaden zu erleiden. Sinkende Preise bei Arzneimitteln dürften jedoch kaum die Nachfrage nach Arzneimitteln erhöhen. Die Nachfrage verschiebt sich nur zwischen Apotheken, aber das erübrigt sich bei einer einheitlichen Steuersenkung für alle. Damit sind wirtschaftliche Vorteile für die Apotheken beim Arzneimittelabsatz nicht zu erwarten.
Vermutlich wird es im Dezember einige Vorzieheffekte bei langfristig eingesetzten OTC-Arzneimitteln geben. Damit bleiben allenfalls mögliche Mengensteigerungen im Ergänzungssortiment. Besonders bei hochwertigen Kosmetika und anderen eher hochpreisigen Artikeln erscheint es sinnvoll herauszustellen, wenn diese zeitweilig günstiger erhältlich sind. Denn nur bei eher höheren Preisen ergibt sich eine relevante Ersparnis für die Kunden. In diesem Fall können vielleicht auch die Apotheken profitieren.
1 Kommentar
Blick auf die Hersteller
von RB am 10.06.2020 um 9:15 Uhr
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