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Vorwurf mangelnde Unabhängigkeit
Was ist dran an der WHO-Kritik?
Nicht nur US-Präsident Donald Trump sieht Probleme bei der WHO: In den vergangenen Wochen waren immer wieder Bedenken aufgeflammt, die Weltgesundheitsorganisation mache sich zu abhängig von privaten Geldgebern. Auch das Krisenmanagement während der Coronavirus-Pandemie kam nicht überall gut an. Jetzt dringen viele Mitgliedsländer auf Reformen.
US-Präsident Donald Trump hatte bereits vor einem Monat eine vorläufige Einstellung der US-Zahlungen an die WHO veranlasst und damit international Kritik auf sich gezogen. Er macht die Organisation für die hohe Anzahl der Toten in der Corona-Krise mitverantwortlich und bezeichnete die in Genf ansässige UN-Sonderorganisation als „Marionette“ Chinas. Inzwischen droht er offen mit einem Austritt der USA aus der Organisation.
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Weltgesundheitsorganisation
Trump stoppt WHO-Beitragszahlungen und erntet heftige Kritik
Kritiker werfen Trump vor, mit seinem Feldzug gegen die WHO und China von eigenen Versäumnissen ablenken zu wollen. Der US-Präsident hatte das Virus trotz Aufforderung der WHO an alle Länder, sich auf einen möglichen Ausbruch vorzubereiten, wochenlang heruntergespielt. Heute haben die Vereinigten Staaten die meisten Infektionen und mehr als 90.000 Todesfälle – so viele wie kein anderes Land.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sprach sich gegen einen Rückzug der USA aus der Weltgesundheitsorganisation aus und zugleich für eine größere Rolle Chinas bei der Pandemiebekämpfung. „Ein Rückzug der USA als größter Beitragszahler wäre eine enorme Schwächung“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch).
So finanziert sich die WHO
In der Tat: Die WHO würde der Ausfall der US-Beiträge empfindlich treffen. Sie sind der größte Beitragszahler, sowohl bei den Pflicht- als auch bei den freiwilligen Beiträgen. Insgesamt haben die USA nach Angaben der US-Vertretung in Genf im vergangenen Jahr rund 453 Millionen US-Dollar an die WHO gezahlt. Das ist mehr als die beiden nächstgrößten Zahler Großbritannien und Deutschland zusammen – und nach US-Berechnungen zehnmal so viel wie China.
Das Budget der WHO speist sich vor allem aus Spenden und nur noch zu weniger als einem Viertel aus verpflichtenden Beiträgen der Mitgliedsstaaten. Für die Jahre 2020 und 2021 sind vonseiten der USA jeweils fast 116 Millionen US-Dollar fällig. Chinas Beitrag liegt für diese beiden Jahre bei jeweils rund 57 Millionen US-Dollar.
Einige Spenden sind zweckgebunden
Hinzu kommen freiwillige Beiträge, die sich im Fall der USA laut WHO in den Jahren 2018 und 2019 auf insgesamt mehr als 656 Millionen Dollar beliefen. China kam auf mehr als 10 Millionen US-Dollar. Auch die Bill and Melinda Gates Foundation zählt zu den größten Spendern. Das wiederum schränke die Unabhängigkeit der WHO weiter ein, so die Kritiker: Denn die Stiftung kann darüber entscheiden, für welche Zwecke das Geld verwendet wird.
Entwicklungsminister Müller sagte, es sei wichtig, die ärmsten Länder beim Kampf gegen das Virus jetzt zu unterstützen. „Es ist gut, dass sich auch China daran beteiligt.“ Um die Corona-Krise zu bewältigen, sei mehr internationale Zusammenarbeit notwendig. Die WHO sei „trotz der derzeitigen Kritik dafür unverzichtbar“. Entscheidend sei, eine angemessene Grundfinanzierung der WHO sicherstellen – „ohne auf private Spenden angewiesen zu sein“.
Steht eine Reform der WHO an?
Derzeit steht vor allem die Kritik am Vorgehen Trumps im Vordergrund. Dennoch gibt es Forderungen nach Reformen der WHO derzeit längst nicht nur in den USA, wie sich anlässlich der WHO-Jahrestagung zeigte. Die Weltgesundheitsorganisation müsse unabhängiger vom Einfluss einzelner Staaten und in ihrer koordinierenden Funktion stärker werden, sagte auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Deutschland und Frankreich wollen dem Minister zufolge ein Reformkonzept vorgelegen und während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 weiter entwickeln, sagte Spahn. Er betonte mit Blick auf die Corona-Pandemie: „Das Virus kennt keine Grenzen, also darf auch der Kampf gegen das Virus keine Grenzen kennen.“ Es brauche dafür anerkannte und gut funktionierende internationale Organisationen. „Hier leistet die WHO einen entscheidenden Beitrag, aber es geht in der Zukunft noch besser.“ Das Bundesgesundheitsministerium hat der WHO nach eigenen Angaben nun weitere 66 Millionen Euro bereitgestellt. Davon sollen 25 Millionen Euro dem Kampf gegen die Corona-Pandemie dienen und 41 Millionen Euro der Arbeit in Bezug auf weltweite Gesundheitskrisen.
Expertengruppe spricht sich für Überarbeitung von WHO-Vorschriften aus
Auch eine unabhängige Expertengruppe hat angesichts der Corona-Krise eine Überarbeitung von Vorschriften bei der WHO angeregt. Die Frage, welche Grenz- und Reiseempfehlungen sie bei einer Pandemie abgeben soll, müsse neu beleuchtet werden, forderte das Gremium, das die WHO-Arbeit bei Notlagen überwachen soll. Die Gruppe legte bereits am vergangenen Montag einen ersten Bericht über die WHO-Arbeit im Zusammenhang mit dem neuen Coronavirus vor. Auch das System der Erklärung einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Bedeutung“ müsse überdacht werden. Viele Länder hätten darauf nicht angemessen mit Vorbereitungen reagiert. Besser sei vielleicht ein Alarmsystem mit mehreren Stufen.
Die Expertengruppe verwies auf die von den WHO-Mitgliedsländern beschossenen internationalen Gesundheitsvorschriften, wonach Grenzmaßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie den Reise- und Handelsverkehr möglichst nicht stören sollen. Die Vorschriften sehen Maßnahmen wie Fiebermessstationen vor. Allerdings hätten mehr als 100 Staaten der WHO später zusätzliche Maßnahmen wie Grenzschließungen gemeldet. „Es könnte angebracht sein, dass die Mitgliedsländer die Rolle des WHO-Sekretariats in Bezug auf Reisehinweise in einer Pandemie überprüfen“, heißt es in dem Bericht.
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