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Coronakrise
Noventi-Spitze warnt vor ausbleibenden Zahlungen der Krankenkassen
Das Coronavirus hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die Patientenversorgung. Auch dahinter liegende, systematische Prozesse könnten ins Wanken kommen. Ein Beispiel: die Apotheken-Rechenzentren. Die Noventi-Gruppe ist mit ihren Subunternehmen Marktführer bei den Abrechnern. Im Interview mit DAZ.online weisen Noventi-Chef Dr. Herman Sommer und Finanzchef Victor Castro darauf hin, dass sich ein größerer Personalausfall negativ auswirken könnte. Die beiden fordern, dass die Kassen ihre Zahlungen nicht verschieben und denken über einen Kredit nach.
DAZ.online: An wie vielen Standorten rechnet Noventi (inkl. Subunternehmen) GKV-Rezepte ab?
Dr. Sommer: Noventi hat acht Produktions-Standorte in München, Schwerin, Viechtach, Leipzig, Dresden, Berlin, Datteln und Erfurt.
DAZ.online: Wie viele Mitarbeiter sind an diesen Standorten derzeit beschäftigt?
Dr. Sommer: Wir beschäftigen an unseren acht Produktionsstandorten rund 900 Mitarbeiter.
DAZ.online: Werden diese Mitarbeiter zu den Berufsgruppen gehören, die Recht auf Notbetreuung haben?
Dr. Sommer: Genau darum geht es uns. Herkömmlicherweise fallen darunter Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger etc. Aber unserer Ansicht nach sollte das Recht auf Notbetreuung auch diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfassen, die für die Aufrechterhaltung unseres Gesundheitswesens in Deutschland zwingend notwendig sind. Ohne Abrechnung der Rezepte bestünde das theoretische Risiko, dass wir nicht an die Apotheker auszahlen könnten, dann steht das ganze System. Daher appellieren wir an die Behörden, dies in ihre Überlegungen mit einzubeziehen und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Recht auf Notbetreuung anzuerkennen.
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DAZ.online: Wie relevant sind denn diese insgesamt acht Standorte für das Apothekensystem? Also wie viele GKV-Rezepte werden an den Noventi-Standorten pro Jahr abgerechnet?
Dr. Sommer: Wir verarbeiten über 200 Millionen Papier-Rezepte pro Jahr, was einem Gesamtgewicht von ca. 300 Tonnen entspricht. Zusätzlich rechnen wir ja die ersten E-Rezepte Deutschlands ab, durch unsere Plattform callmyApo und unsere Kooperation mit dem Telemedizin-Anbieter Zava. Die E-Rezepte werden von den Patienten übrigens sehr gut angenommen. Und auch für die Apotheker ist das toll, denn damit bringen wir den Umsatz des Versandhandels vom Ausland in unsere deutschen Apotheken vor Ort zurück.
Was würde Schwierigkeiten verursachen?
DAZ.online: Ab welchem Krankenstand bekommen die Noventi-Unternehmen Probleme, den Abrechnungsverkehr weiter aufrechtzuerhalten? Wie viele der Noventi-Mitarbeiter müssten fehlen, damit es Probleme gibt?
Dr. Sommer: Noventi beobachtet die Situation bereits seit mehreren Wochen sehr intensiv und wir haben entsprechend jeweils unsere Vorsichtsmaßnahmen der aktuellen Situation angepasst. Dazu haben wir einen sehr handlungsfähigen Krisenstab gebildet, der die Notfallpläne in Betrieb gesetzt hat, die Lage durchgehend analysiert und bei Bedarf zusätzliche Maßnahmen umsetzt. Die Folgen von Krankenständen auf die Abrechnungen würden von den betroffenen Bereichen abhängen. Hier versuchen wir durch die Einrichtung von Schicht-Betrieben, Trennung von Teams, Zulassung von Homeoffice für passende Bereiche und unseren erlassenen, und immer strengeren, Schutzauflagen, den Betrieb so gut es geht zu schützen.
DAZ.online: Herr Castro, ist der Betrieb der Rechenzentren aus dem Homeoffice möglich? Wozu müssen die Mitarbeiter vor Ort sein?
Castro: Wir als Noventi sind uns unserer Verantwortung für das deutsche Gesundheitswesen sehr bewusst und treffen alle möglichen Schutzvorkehrungen, unter anderem auch Homeoffice. Wobei manche Tätigkeiten natürlich auch noch manuelle Arbeit vor Ort in der Produktion benötigen, zum Beispiel die notwendigen logistischen Arbeiten. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion leisten dabei eine hervorragende Arbeit. Wir sind also sicher, gut vorgesorgt zu haben. Aber auch wir sind – wie alle anderen Unternehmen in Deutschland auch – von der allgemeinen Situation und der Ausbreitung des Coronavirus abhängig. Daher ist es umso wichtiger, dass auch die Krankenkassen ihre eigenen Prozesse am Laufen halten und uns bei Bedarf auf unsere Anforderung hin Abschläge zahlen. Jeder muss seinen Beitrag leisten, um unser Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten.
Und ich sage Ihnen auch ganz offen: Ein Verschieben von Zahlungszielen durch die Kostenträger (wie aktuell bei manchen angedacht), ohne, dass die Gelder dann auf andere Weise zur Verfügung gestellt werden, bringt unser gesamtes Gesundheitssystem in große Schwierigkeiten und darf nicht sein.
Noventi mit der Bundesregierung im Gespräch
DAZ.online: Würde denn ein Überbrückungskredit der Bundesregierung helfen?
Castro: Konkret ist es so, dass für uns zunächst entscheidend ist, dass die Krankenkassen auch im Notbetrieb gewährleisten müssen, dass sie ihre Aufgaben weiter erfüllen, um die Gelder auszukehren, die von Noventi für die Leistungserbringer Deutschlands abgerechnet werden. Auch die Zahlung von Abschlägen muss durch die Kassen in allen Situationen gewährleistet sein. Sollte die wichtige Kostenträgerseite Zahlungen beziehungsweise Abschläge nicht innerhalb der geltenden Zahlungsziele durchführen, wären zusätzliche Linien für uns notwendig, zur Vorfinanzierung der Apotheken und Sonstigen Leistungserbringer. Dies könnte sowohl über eine Ausweitung der bestehenden Linien beim Banken-Konsortium von Noventi, als auch über Überbrückungskredite der Bundesregierung umgesetzt werden. Daher sind die von der Bundesregierung am Freitag angekündigten Bürgschaften der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) sicherlich ein probates Mittel, um den Prozess der Linienerweiterung zur Rezeptabrechnungs-Vorfinanzierung zu unterstützen und zu beschleunigen.
DAZ.online: Laufen denn da schon Verhandlungen mit der Bundesregierung? Und wie lange würde ein solcher Kredit halten?
Castro: Grundsätzlich sind wir als Marktführer im Gesundheitsmarkt immer mit allen im Gesundheitswesen entscheidenden Beteiligten in Gesprächen. Wir haben bereits Bürgschaften von der Bundesregierung in Aussicht gestellt bekommen und gehen daher davon aus, dass wir in einem solchen Worst-case-Szenario Auszahlungen an die Heilberufler über mehrere Monate sicherstellen können.
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