Telemedizin

Noventi und Zava kooperieren – Ist das wirklich gut für die Apotheken?

Berlin - 10.02.2020, 17:45 Uhr

Noventi-Chef Dr. Hermann Sommer und Zava-CEO David Meinertz haben eine Kooperation geschmiedet. Doch aufgrund der anhaltenden Kritik an der britischen Online-Arztpraxis stellt sich die Frage, wie gewinnbringend die Zusammenarbeit für die Apotheker ist. (s / Foto: Zava/Noventi)

Noventi-Chef Dr. Hermann Sommer und Zava-CEO David Meinertz haben eine Kooperation geschmiedet. Doch aufgrund der anhaltenden Kritik an der britischen Online-Arztpraxis stellt sich die Frage, wie gewinnbringend die Zusammenarbeit für die Apotheker ist. (s / Foto: Zava/Noventi)


Mit der Aufhebung des Fernbehandlungs- und des Fernverordnungsverbotes hat die britische Online-Arztpraxis Zava (ehemals DrEd) hierzulande freie Fahrt. Weil die Rezepte bislang ausschließlich über Versandhändler abgewickelt wurden, sucht Zava nach einem Zugang zum Apothekenmarkt. Der apothekereigene Dienstleistungskonzern Noventi ermöglicht den Briten nun diesen Zugang und gewährt Zugriff auf das eigene Apotheken-Netzwerk. Doch die Kritik am Geschäftsmodell von Zava reißt nicht ab. Und so stellt sich die Frage: Ist die Kooperation Noventi/Zava wirklich gewinnbringend für die Vor-Ort-Apotheken?

Das Konzept der britischen Online-Arztpraxis Zava ist nach wie vor umstritten: Beschränkt auf einige bestimmte Indikationen, wie etwa erektile Dysfunktion, Geschlechtskrankheiten oder Verhütung müssen die Patienten zunächst einen Fragebogen ausfüllen, können per Video mit einem Arzt sprechen und erhalten dann ein Rezept, das direkt an einen Versandhändler weitergeleitet werden kann. Auf Drängen der Unionsfraktion wurde dieses Konzept 2016 erheblich erschwert: Fortan durften Apotheker nur noch Rezepte aus einem direkten Patienten-Arzt-Kontakt beliefern. Der Zugang zum Markt der Vor-Ort-Apotheken war für Zava (DrEd) somit versperrt.

Doch nach der Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes in der Musterberufsordnung der Ärzte beseitigte der Gesetzgeber auch die oben genannte Regulierung: Mit Blick auf die Einführung des E-Rezeptes wurde das Fernverordnungsverbot aufgehoben. Für Zava sind diese Deregulierungen eine Chance. Im vergangenen Jahr besorgten sich die Briten mit dem deutschen CEO David Meinertz 28 Millionen Euro bei einem niederländischen Fonds, um hierzulande durchstarten zu können.

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Sommer: Wir bringen die Rezepte zurück in die Apotheken

Mit der Kooperation mit dem Apotheken-Dienstleistungskonzern Noventi hat Zava nun einen weiteren wichtigen Schritt bewältigt: die Anbindung an das Netzwerk der Vor-Ort-Apotheken. Beide Unternehmen teilten am heutigen Montag mit, dass Zava an die Arzneimittel-Vorbestell-App „Call my Apo“ von Noventi und somit an das etwa 5000 Apotheken starke Netzwerk angebunden werden soll. Die Patienten können direkt nach ihrer Online-Beratung bei Zava eine Apotheke ihrer Wahl aussuchen, an die das Privatrezept dann über die Noventi-Plattform weitergeleitet wird. „Ein Umsatzplus für die Apotheken in Deutschland“, heißt es dazu in der Mitteilung. Sowohl für Patienten als auch für die Apotheken ist die Nutzung von „Cally my Apo“ laut Noventi kostenfrei.

Dr. Hermann Sommer, Vorstandsvorsitzender der Noventi-Gruppe, sagte dazu: „Durch die Zusammenarbeit mit Zava schließt sich der Kreis: Der Patient wird online vom Arzt beraten und behandelt und kann mit einem Klick entscheiden, an welche Apotheke vor Ort sein Rezept digital übermittelt werden soll, d.h. mit unserer Anbindung bringen wir die Rezepte von den Versandhändlern im Ausland zurück in die Apotheke vor Ort.“

Heftige Kritik am Zava-Versorgungsmodell

Der einzige Gesellschafter der Noventi-Gruppe ist der FSA e.V., der wiederum ausschließlich von Vor-Ort-Apothekern kontrolliert wird. Der Erhalt der Vor-Ort-Apotheken ist der Noventi also gewissermaßen in die DNA geschrieben. Doch handelt die Noventi mit ihrer neuen Kooperation wirklich im Sinne der Apotheker? Bei Zava bekommt der Nutzer das Gefühl, dass er rezeptpflichtige Arzneimittel ohne Arztkontakt in einem Shop bestellt und sofort online bezahlt. Und: Die Antworten auf die Fragen im Fragebogen können beliebig oft geändert werden, so dass der Bogen letztlich so zusammengestellt werden kann, dass eine Direktbestellung möglich ist und Ärzte nur noch „quittieren“ müssen.

Erst kürzlich war in einem ausführlichen Bericht in der „Neuen Westfälischen“ diese Kritik wieder aufgeflammt. Eine Redakteurin der Zeitung hatte selbst getestet, wie leicht sie bei Zava an ein orales Kontrazeptivum kommt. Nach ihrer eigenen Schilderung musste sie lediglich ein paar Seiten eines Diagnosebogens ausfüllen, bevor sie ihre „Bestellung“ aufgeben konnte. Sie habe sich dann ihr Wunschpräparat aus mehr als 50 Produkten auswählen können. Der Bericht trug den Titel „So hebeln Online-Ärzte die Verschreibungspflicht aus“.

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Auch aus diesem Grund ist die britische Online-Praxis Zava bei einem anderen Anbieter schon gescheitert. Denn die Online-Praxis wollte auch mit apotheken.de ins Geschäft kommen und das Apotheken-Netzwerk des zum Deutschen Apotheker Verlag gehörenden Unternehmens nutzen. Gegenüber DAZ.online erklärte Thomas Koch, Projektleiter bei apotheken.de, warum eine Zusammenarbeit scheiterte:


Auch wir bei apotheken.de haben uns intensiv mit einer möglichen Kooperation mit Zava auseinandergesetzt, weil Zava uns eine solche Zusammenarbeit angeboten hatte. Wir haben uns dann letztlich aber dagegen entscheiden. Wir glauben, dass die Versorgungsauffassung von Zava nicht zur hiesigen Konzeption des Apothekerberufs passt. Wie schon beim Zava-Vorgänger DrEd ist das Konzept sehr auf das Rezepte-Shopping angelegt. Wir wollen unseren Kunden viel ermöglichen, aber das entspricht nicht unserer Auffassung von guter Gesundheitsversorgung in Deutschland.“

Thomas Koch, Projektleiter bei apotheken.de


Fragwürdige Werbeaussage

Die Noventi wirbt in ihrer Mitteilung außerdem mit einem Satz für ihre neue Kooperation, dessen Wahrheitsgehalt zumindest hinterfragt werden sollte: Noventi-Chef Sommer wird mit Blick auf die neue Kooperation mit den Worten zitiert: „Das stärke die stationäre Apotheke, die bislang von telemedizinischen Rezepten noch ausgeschlossen war.“ Wahr ist: Flächendeckend gibt es noch keine Lösung, bei der Patienten ihre Rezepte aus einer telemedizinischen Beratung an Apotheken weiterleiten können. Allerdings gibt es schon länger einige andere Versorgungsmodelle, in denen dies gelebte Realität ist.

Der Telemedizin-Dienstleister Teleclinic und der Apotheken-Dienstleister apotheken.de bieten Patienten beispielsweise Online-Beratungen an, verbunden mit einer möglichen Arzneimittelabgabe (ausschließlich Privatrezepte) über die Apotheke vor Ort. Seit einigen Monaten testen auch die Apotheker in Baden-Württemberg (Kammer und Verband) ein ähnliches Projekt. Bei dem GERDA-Modell werden Patienten in der KV-eigenen Online-Arztpraxis „DocDirekt“ beraten und können dann ein digital verordnetes GKV-E-Rezept in einigen Apotheken in zwei Testregionen einlösen. Und schließlich hat auch der EU-Versender DocMorris mit der schwedischen Online-Arztpraxis Kry ein Telemedizin-Projekt gestartet: Für Kry arbeitende Ärzte aus Deutschland können bei dem Modell Privatrezepte verordnen, der Patient kann die Verordnungen entweder an DocMorris oder an eine Apotheke seiner Wahl schicken lassen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Besser hier als dort

von Gregor Willmann am 12.02.2020 um 7:10 Uhr

Natürlich steht außer Frage:
DrAd ist Schrott. Das muss jedem mit etwas medizinischem, pharmazeutischem Sachverstand bitter aufstoßen.
Aber besser der Patient kommt dann wenigstens noch in die Apotheke vor Ort - insofern: guter Schritt.

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Versender oder Apotheke ... dann doch lieber eine Offline-Beratung in der Vor-Ort-Apotheke?

von Christian Timme am 11.02.2020 um 1:21 Uhr

Eine Gesundheits(vor)versorgung mit einer Offline-Beratung in der Apotheke ist doch wohl nachhaltiger ... als ein in sich geschlossener Online-Ablauf mit einem Versender?

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