Interview Dr. Cristina Koehn (Kry)

„Die Apotheker sind für uns genauso wichtig wie DocMorris“

Berlin - 13.12.2019, 07:00 Uhr

Der Telemedizin-Anbieter Kry (hier ein Symbolbild) und der EU-Versender DocMorris kooperieren seit vergangener Woche. DAZ.online hat mit Kry-Deutschlandchefin Cristina Koehn über die Zusammenarbeit gesprochen. (b/Foto: imago images / Tack)

Der Telemedizin-Anbieter Kry (hier ein Symbolbild) und der EU-Versender DocMorris kooperieren seit vergangener Woche. DAZ.online hat mit Kry-Deutschlandchefin Cristina Koehn über die Zusammenarbeit gesprochen. (b/Foto: imago images / Tack)


In der vergangenen Woche gaben der EU-Versender DocMorris und der schwedische Telemedizin-Anbieter Kry eine Kooperation bekannt. Über Kry sollen sich Patienten telemedizinisch beraten lassen und ihre Rezepte dann aus der App entweder an eine ausgewählte Apotheke oder an DocMorris schicken. Im Interview mit DAZ.online versichert Dr. Cristina Koehn, Deutschlands-Chefin bei Kry, dass DocMorris in dieser Konstellation nicht bevorzugt werde, und erklärt die Hintergründe des schwedischen Konzerns.

DAZ.online: Frau Dr. Koehn, in der vergangenen Woche gaben Sie bekannt, dass Sie im Bereich der Telemedizin mit dem EU-Versandkonzern DocMorris kooperieren. Seit wann ist Kry als Telemedizin-Anbieter denn hierzulande im Markt?

Koehn: Wir haben den Start in Deutschland etwa 2,5 Jahre lang vorbereitet und freuen uns sehr, dass wir seit etwa zwei Wochen live sind. Wichtig ist es uns, dass wir uns intensiv mit den regulatorischen Bedingungen und den Besonderheiten der Versorgung eines Landes beschäftigen, bevor wir den Service starten. Wir haben uns bei der Entwicklung unseres Deutschland-Geschäftes daher Zeit gelassen. Mit der geänderten Musterberufsordnung der Ärzte im Bereich der Fernbehandlung und dem Wegfall des Fernverordnungsverbotes ist der Roll-out nun auch regulatorisch möglich.

DAZ.online: Man erfährt im Internet nicht viel über die Hintergründe von Kry, außer dass es sich um einen schwedischen Telemedizin-Konzern handelt, der schon in fünf europäischen Ländern aktiv ist. Wer sind die Geldgeber bei Kry? Wer steckt dahinter?

Koehn: Das Unternehmen ist maßgeblich durch europäische Investoren finanziert, die primär in Technologiefirmen investieren. Aus Deutschland haben wir mit Project A Ventures einen Investor, hinter dem namhafte deutsche Unternehmen und Unternehmerfamilien stehen. Durch das breite Spektrum an Investoren ist auch unsere Unabhängigkeit gesichert.

DAZ.online: Sie sagten, dass Sie sich vorher intensiv mit dem Markt beschäftigen, in dem Sie Fuß fassen möchten. Welchen Handlungsspielraum, welche Marktlücke haben Sie in Deutschland für sich entdeckt?

Koehn: Der Kernbedarf hierzulande besteht darin, dass die Versorgung immer noch sehr analog strukturiert ist. Patienten, Ärzte, und Apotheker leben heute schon stark mit digitalen Technologien und wollen diese nun endlich auch vermehrt in der Versorgung nutzen. Wenn man in Deutschland krank wird, verfällt man in einen alten, analogen Modus. Hinzu kommt, dass wir gerade bei vielen Ärzten einen Wunsch nach mehr Flexibilität sehen. Viele junge Ärztinnen und Ärzte mit Familie suchen nach flexiblen Arbeitszeiten, die wir ihnen bieten können.

DAZ.online: Wie genau ist denn das Verhältnis zwischen Ihnen und den Ärzten gestrickt?

Koehn: Alle beratenden Ärzte von Kry in Deutschland haben eine deutsche Approbation, umfassende praktische Erfahrung mindestens auf Facharzt-Niveau und sind freiberuflich tätig. Zu den vertraglichen Details der Kooperation mit den Ärzten möchte ich mich nicht äußern.

Koehn: DocMorris arbeitet kundenorientiert

DAZ.online: Kommen wir zu DocMorris. Warum haben Sie sich für Ihren Marktauftritt hier in Deutschland für eine Kooperation mit DocMorris entschieden?

Koehn: Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass uns die Kooperation mit den Vor-Ort-Apotheken genauso wichtig ist wie die mit DocMorris. Der Kunde kann bei uns selbst entscheiden, ob er sein Rezept in der Apotheke vor Ort einlösen möchte oder das Medikament zugeschickt bekommen möchte. Für DocMorris haben wir uns entschieden, weil wir finden, dass DocMorris sehr kundenorientiert arbeitet und einen guten Service für Patienten anbietet. Uns war wichtig, dass wir einen Partner finden, mit dem die Kunden optimale Nutzungserfahrungen haben. Denn bei ihren ersten Kontakten mit der Telemedizin sollen die Patienten einen möglichst einfachen, reibungslosen Ablauf erleben.

DAZ.online: Nun haben sich ja immer wieder auch Kunden im Internet gemeldet, die sehr unzufrieden mit DocMorris sind. Man hört von verspäteten Lieferungen und tagelangen „pharmazeutischen Prüfungen“, von nicht beantworteten Patientenanfragen, von zurück geschickten Rezepten und von Rezepturen, die teilweise nicht beliefert werden können. Ist das wirklich ein optimaler Ablauf für den Patienten?

Koehn: Natürlich kennen wir die Kritikpunkte. Jeder unserer Patienten entscheidet selbst, wie und wo er welches Rezept einlöst. Wenn er sich in seiner Vor-Ort-Apotheke besser aufgehoben fühlt, dann wählt er das über die App entsprechend aus. Unsere Philosophie ist: maximale Entscheidungsfreiheit für den Patienten!

Dr. Cristina Koehn (Foto: Kry)

In einigen Fällen eignet sich der Versand, in anderen die Apotheke

DAZ.online: Wo liegen für Sie eigentlich die Vorteile des Versandhandels in Kooperation mit ärztlicher Fernbehandlung? Ist es nicht so, dass gerade Patienten, die zügig ein Arzneimittel benötigen, einen Online-Arzt kontaktieren? Wenn der dann ein dringend benötigtes Antibiotikum verschreibt – wieso sollte der Patient noch zwei Tage auf sein Medikament aus den Niederlanden warten?

Koehn: Auch hier gilt wieder: Der Patient entscheidet das für sich und von Fall zu Fall. Der Verordnungsprozess ist neutral gestaltet und der Patient wird hier nicht in Richtung DocMorris gelenkt. Will er sein Arzneimittel schnell haben, geht er vielleicht lieber in die Apotheke um die Ecke. In einigen Fällen werden Arzneimittel nicht so dringend benötigt – da eignet sich dann wiederum der Versandhandel sehr gut. Aber ich bleibe dabei: Die Zusammenarbeit mit den Apothekern ist uns genauso wichtig!

DAZ.online: Es ist ja auch so, dass einige Arzneimittel gar nicht über den Versandweg beliefert werden dürfen…

Koehn: Darauf würden wir den Patienten natürlich hinweisen.

Kry: Keine Beschränkung auf gewisse Indikationen

DAZ.online: Die Online-Arztpraxis DrEd, heute „Zava“, hat sich in ihrem Geschäftsmodell ganz bewusst für bestimmte Indikationen entschieden, beispielsweise Geschlechtskrankheiten oder die Verordnungen von Folgerezepten bei Chronikern. Gibt es bei Ihnen auch solche Schwerpunkte?

Koehn: Nein, unsere Ärzte sind Allgemeinmediziner, das Spektrum ist groß. Natürlich eignen sich manche Themen nicht für die Fernbehandlung: In die Ohren kann man per Video-Beratung schlecht schauen, eine Betrachtung des Halses wiederum funktioniert. Darauf weisen unsere Ärzte dann im Einzelfall hin.

DAZ.online: Kommen wir kurz zur Technik. Wie ist der Weg des Rezeptes vom Arzt über den Patienten in die Apotheke?

Koehn: Unsere Ärzte signieren die ausgestellten Privatrezepte digital mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, GKV-Rezepte können wir derzeit noch nicht ausstellen. Der Patient wird in der KRY-App über das ausgestellte Rezept informiert und wählt dann seine Wunschapotheke aus. Wir nehmen Kontakt zu der ausgewählten Apotheke auf und leiten das Rezept direkt an die Apotheke weiter.

DAZ.online: In welcher Form erhält die Apotheke das Rezept? Wie liegt es der Apotheke letztlich vor? Als E-Mail?

Koehn: Dazu möchten wir uns derzeit noch nicht äußern.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Wichtigkeit

von Roland Mückschel am 16.12.2019 um 9:00 Uhr

Also zumindest fast.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.