WHO

Masern bleiben auf dem Vormarsch

Stuttgart - 06.12.2019, 14:00 Uhr

Vor allem in Afrika breiten sich Masern aus, in der Demokratischen Republik Kongo gibt es 2019 über 300 Prozent mehr Masernfälle als im Vorjahr. Doch auch Industrienationen müssen Rückschläge bei Masern erfahren. (Foto: imago images / Xinhua)

Vor allem in Afrika breiten sich Masern aus, in der Demokratischen Republik Kongo gibt es 2019 über 300 Prozent mehr Masernfälle als im Vorjahr. Doch auch Industrienationen müssen Rückschläge bei Masern erfahren. (Foto: imago images / Xinhua)


In vielen Ländern der Welt kommt es zu Masernausbrüchen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat nun ihre aktuellen Masernzahlen veröffentlicht – vor allem in Afrika breiten sich die Masern aus. Die WHO schätzt, dass 2018 fast zehn Millionen Menschen an Masern erkrankten, deutlich mehr Menschen starben an Masern als noch im Vorjahr. Besserung ist nicht in Sicht.

Vor Einführung der Masernimpfung im Jahr 1963 und breitangelegten Impfkampagnen forderten die Masern schätzungsweise jährlich 2,6 Millionen Todesopfer. Seit den 1960er Jahren hat sich viel getan, allerdings starben im Jahr 2000 nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO noch immer 535.000 Menschen an Masern, im Jahr 2017 waren es 124.000 – und das „trotz der Verfügbarkeit von sicheren und wirksamen Impfstoffen“, erklärt die WHO in ihrem Fact-Sheet zu Masern. Von der Sicherheit und Wirksamkeit der Masernimpfung ist die Koordinationsbehörde der Vereinten Nationen für das internationale öffentliche Gesundheitswesen überzeugt: Sie schätzt, dass Masernimpfungen in den letzten 18 Jahren etwa 23 Millionen Menschen das Leben gerettet haben.

2019 wurden dreimal so viele Masernfälle gemeldet als 2018

Den Trend zu weniger Maserntoten konnte 2018 jedoch nicht halten. Das zeigen die neuen Masernzahlen, die die WHO am 5. Dezember veröffentlicht hat. So stieg die Zahl der Maserntoten im Jahr 2018 auf 142.000 Menschen, die meisten waren der WHO zufolge Kinder unter fünf Jahren. 
Auch die bestätigten Masernfälle lassen kein Aufatmen zu: Bereits von 2017 (173.457 Fälle) nach 2018 (353.236) verdoppelten sich die weltweiten Masernfälle. Für das noch nicht abgeschlossene Jahr 2019 meldet die WHO schon jetzt 413.308 Masernfälle (Daten bis 5. November), weitere 250.000 Fälle berichtet die Demokratische Republik Kongo in ihrem nationalen System. Zusammen bedeute dies eine Verdreifachung der gemeldeten Masernfälle gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2018, erklärt die WHO. Eine Besserung der Masernlage ist folglich nicht in Sicht.

Und: Die Schätzungen der WHO zu den tatsächlichen Masernzahlen übersteigen die gemeldeten noch um ein Vielfaches, da Masern nicht in jedem Land eine meldepflichtige Infektionserkrankung sind. Die WHO geht für 2018 von fast zehn Millionen Masernerkrankten aus (9,8 Millionen), für das Vorjahr (2017) lag ihre Schätzung noch bei 7,6 Millionen.

Weltweite Masernkrise

Die WHO führt die Ausbreitung der Masern auf eine zu geringe Durchimpfung der weltweiten Bevölkerung zurück, die Impfraten stagnierten seit fast zehn Jahren, und nur 86 Prozent aller Kinder erhielt Schätzungen von WHO und Unicef zufolge die erste Masernimpfdosis, 70 Prozent die zweite zur Komplettierung der Impfserie.

„Es ist eine Tragödie, dass die Zahl der Fälle und Todesfälle durch eine Krankheit, die mit einem Impfstoff leicht zu verhindern ist, weltweit rapide zunimmt", sagte Dr. Seth Berkley, CEO von der Impfallianz Gavi.

Dass Masern schwere Krankheitsverläufe verursachen und auch tödlich enden können, ist bekannt. Jüngst hatten Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) jedoch bestätigt, dass (nicht geimpfte) Erkrankte noch über die Zeit einer Masern-Infektion hinaus Nachteile erfahren können. Denn Masernviren löschen einen Teil des immunologischen Gedächtnisses – bislang ungeklärt war jedoch, wie und für wie lange. Diese Forschungsergebnisse unterstützen nach Ansicht der WHO die Notwendigkeit von Masernimpfungen.

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Vor allem in Afrika breiten sich Masern aus. Die zehn Länder mit den höchsten Masernzahlen waren 2018 die Demokratische Republik Kongo, die Ukraine, Pakistan, Madagaskar, Philippinen, Indien, Jemen, Brasilien, Somalia und Nigeria. Hinsichtlich der Inzidenzrate führen der Kongo, Liberia, Madagaskar, Somalia und die Ukraine – auf sie entfallen fast die Hälfte aller weltweiten Masernfälle.

Im aktuellen Jahr 2019 hat sich die Masernsituation vor allem in der Demokratischen Republik Kongo dramatisch verschärft: Bislang (Stand 17.November 2019) weiß die WHO von 250.270 Masernfällen (zum Vergleich das Gesamtjahr 2018: 69.693) – das sind über 300 Prozent mehr als im Vorjahr. In Europa sind 2019 vor allem die Ukraine, Kasachstan, Georgien und Russland betroffen. Auch die Türkei meldet Masernzwischenfälle.

Industrienationen kämpfen auch mit Masern

Doch nicht nur die ärmeren Länder der Welt, in denen viele Kinder keine Impfung erhalten, kämpfen mit den Masern. Auch wohlhabendere Nationen machte die Infektionserkrankung 2018 – und auch aktuell – zu schaffen. Vier europäische Staaten (Albanien, Tschechien, Griechenland und das Vereinigte Königreich) verloren ihren Status „masernfrei“. Die Vereinigten Staaten, die bereits als masernfrei galten, hatten in letzter Zeit ebenfalls große Probleme mit Masern. Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) berichten von 1261 bestätigten Masernfällen aus 31 US-Bundesstaaten (1. Januar bis 7. November 2019), mehr als Dreiviertel der Masernfälle sind auf die jüngsten Masernausbrüche in New York zurückzuführen. Nach Informationen der CDC ist das die größte Masernzahl der USA seit 1992.

Wie sieht die Masernsituation in Deutschland aus?

Für das Jahr 2018 gingen 543 Masernfälle beim Robert Koch-Institut (RKI) ein, das waren deutlich weniger als im Vorjahr 2017 mit 929 Fällen. Für das aktuelle Jahr sind bislang 501 Masernfälle beim RKI verzeichnet (Gleicher Zeitraum Vorjahr: 528 Masernfälle). Die geringsten Masernzahlen und Inzidenz hatte Deutschland im Jahr 2004 mit 123 Fällen, seither war das schlimmste Masernjahr für Deutschland 2015 (2465 Masernfälle).

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Nach dem Willen der Bundesregierung soll im kommenden Jahr (März 2020) eine Masernimpfpflicht in Deutschland die Impfquoten verbessern und die Ausbreitung eindämmen. Der Bundestag hat im November ein Gesetz dazu beschossen. Neben dem allgemeinen Thema einer Impfpflicht, befeuert im Falle der Masern der Umstand, dass lediglich Kombinationsimpfstoffe mit Masern, Mumps und Röteln oder Masern, Mumps, Röteln oder Varizellen in Deutschland verfügbar sind. Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) steht dies einer Masernimpfpflicht nicht im Weg. Nach Aussagen der masernimpfstoffherstellenden Pharmaindustrie sind keine Monomasernimpfstoffe geplant.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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