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Lieferengpässe und ihre Ursachen
AOK wirft Industrie und Apothekern „Desinformationskampagne“ vor
Die aktuelle Diskussion um Arzneimittel-Lieferengpässe bringt in der AOK-Spitze das Blut zum Wallen: Martin Litsch, Vorstandschef des AOK-Bundesverbands, wirft Pharmaindustrie und Apothekern eine „gezielte Desinformationskampagne“ vor. Sie redeten die Rabattverträge schlecht, obwohl diese aus AOK-Sicht bekanntlich ein pures Erfolgsmodell und keinesfalls ursächlich für Engpässe sind. Das mit Fakten zu belegen, war am heutigen Donnerstag Zweck einer Pressekonferenz des AOK-Bundesverbands. Die Pharmaverbände BPI und BAH hielten umgehend dagegen.
Es sind die Papiere aus der Unions- und der SPD-Fraktion zu Lieferengpässen, die den AOK-Bundesverband derzeit besonders zuwider laufen. In diesen wird unter anderem gefordert, die exklusiven Rabattverträge aufzugeben und auf Mehrfachvergaben zu setzen.
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„Hier wird vermengt, was nicht zusammengehört“, erklärte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Martin Litsch am heutigen Donnerstag bei einer Pressekonferenz des AOK-Bundesverbands unter dem Titel „Rabattverträge unter Generalverdacht – Fakten statt Stories“. Eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WidO) habe längst gezeigt, dass Engpässe bei den AOK-Rabattverträgen nicht zur Dramatisierung taugten: Nur 0,3 Prozent der AOK-Rabattvertragsarzneimittel seien zuletzt nicht lieferbar gewesen. Und selbst dieser „marginale Anteil“ bedeute noch keinen Versorgungsengpass – stets stünden ausreichend Alternativen zur Verfügung. Zudem: Der deutsche Arzneimittelmarkt mache nur vier Prozent des Gesamtmarktes aus – das Problem der Lieferengpässe sei aber global. Bei den Rabattverträgen anzusetzen macht daher aus AOK-Sicht nicht den geringsten Sinn.
Auch für Christopher Hermann, den „Vater“ der Rabattverträge im AOK-System, sind die Engpass-Papiere von Union und SPD gespickt mit abwegigen Forderungen. Sie hörten sich an, als hätten die entsprechenden Passagen Lobbygruppen der Industrie und der Apotheker geschrieben, erklärte er. Derzeit würden Teile der Politik mit einer „aufgebauschten Kampagne“ geradezu „kirre“ gemacht. Und so komme es zu solchen undifferenzierten Papieren, die den Anschein erwecken, man könne man mit Modellen „à la Trump“, wie Exportverbote oder die Ansiedlung von Firmensitzen in Deutschland, „die Welt retten“ – oder zumindest die Arzneimittelabgabe in den Offizinen. Die Fraktionspapiere, so Hermann, gäben keine Antwort auf die wirklich wichtigen Fragen: Etwa wie sich die Engpässe in den Kliniken vermeiden lassen, also dort, wo es wirklich schon Versorgungsengpässe gebe – und keine Rabattverträge.
„Die Industrie ist das Problem“
Besser gefällt Herrmann und Litsch die Haltung des Bundesgesundheitsministeriums: Es hat gegenüber den Fraktionen zum Ausdruck gebracht, dass es die Rabattverträge nicht als Ursache der Lieferengpässe sieht. Seine Argumente waren dabei ganz auf AOK-Linie. Auch der Änderungsantrag zum Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz, die aus der Feder des Ministeriums stammen, findet man im Verband weitgehend gut. Denn was laut Litsch und Hermann wirklich im Umgang mit Engpässen helfen würde, wäre mehr Transparenz, sprich Meldepflichten vom Hersteller über den Großhandel bis zur Apotheke. Und hier setzt der Änderungsantrag an. Bislang, so Hermann, „blocke“ die Industrie beim Thema Transparenz. Dabei wisse sie am besten Bescheid, wo ihre Produkte seien – meist dort „wo man den größten Reibach“ machen kann.
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Richtig ist aus AOK-Sicht auch, dass die Bundesoberbehörden – PEI und BfArM – mehr Befugnisse erhalten und die Vorratshaltung regelmäßig prüfen können sollen. Auch der Verzicht auf eine deutsche Kennzeichnung im Fall der Fälle ist für Litsch in Ordnung – vorausgesetzt, es handelt sich um direkt vom Arzt am Patienten angewendete Arzneimittel. Für Arzneimittel, die Patienten aus der Apotheken beziehen, komme dieser Weg dagegen nicht in Frage. Was den geplanten neuen Beirat beim BfArM betrifft, der den bisherigen Jour Fixe ablösen soll, so ist Hermann schon skeptischer: Ein unverbindlicher Beirat, in dem auch noch die Industrie das Sagen habe, werde nichts ändern. Zudem fehlen der AOK noch Sanktionen, die Hersteller treffen, wenn sie ihren Meldepflichten nicht nachkommen.
Lohnherstellung ist die Regel
Welche Fakten hat die AOK noch zu bieten? Hermann verwies auf eine Auswertung der Ausschreibungsunterlagen durch die AOK Baden-Württemberg. Sie zeige, dass die Lohnherstellung bereits die Regel ist: Unter 193 in Europa tätigen Herstellern seien nur elf, meist kleinere, die tatsächlich für sich selbst produzieren. Von den Arzneimitteln zu 230 generischen Wirkstoffen würden 93 Prozent in der EU ausschließlich über Lohnhersteller produziert. Von den Herstellern, die für die AOK-Rabattverträge mitbieten, haben laut Hermann 90 Prozent denselben Lohnhersteller. Die Analysen zeigten auch, dass der überwiegende Teil der Generikaproduktion in Deutschland stattfinde. Demnach haben 59 Hersteller und Lohnhersteller, die Vertragspartner der AOK sind, ihren Sitz in Deutschland. Forderungen nach einer verstärkten Arzneimittelproduktion „Made in Europe“ sind für Hermann daher nur „Nebelkerzen“.
Auch von einem häufigen Präparatewechsel infolge der (exklusiven) Rabattverträge will die AOK nicht wissen: 2018 hätten 82,7 Prozent der Patienten, die ihren rabattierten Wirkstoff von einem exklusiven Rabattpartner über einen längeren Zeitraum einnehmen, ihr Medikament dauerhaft von demselben Hersteller erhalten, erklärte der stellvertretender WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder. Bei den Wirkstoffen/Wirkstoffkombinationen, bei denen sich mehrere Rabattpartner die Versorgung teilen, seien es jedoch nur 69,1 Prozent gewesen.
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Schröder zeigte auch eine WIdO-Berechung auf, wonach Pharmafirmen ihre Absatzmengen mit Exklusivverträgen besser planen können als mit Mehrfachvergaben: Bei letzteren fielen im Schnitt 60,2 Prozent der Verordnungen auf den verordnungsstärksten Partner, 27,6 Prozent auf den zweiten und 12,2 Prozent auf den verordnungsschwächsten Partner. Beim Wirkstoffen Morphin übernehme der verordnungsstärkste Rabattpartner sogar 93,0 Prozent der Verordnungen, während für den schwächsten nur 1,7 Prozent der Versorgung übrigblieben.
Und bei ihren exklusiven Ausschreibungen passt die AOK Hermann zufolge gut auf: Auf Dumping-Angebote, die für die Unternehmen nicht auskömmlich sind, lasse sie sich nicht ein. Bei auffällig niedrigen Angeboten müsse der Bieter seine Kalkulation offenlegen. Geschieht das nicht, sei er „raus aus der Ausschreibung“, so Herrmann. Es gehe dabei um den Schutz der Versicherten – damit sie sicher versorgt sind, ist auch der AOK klar, dass beim Pharmaunternehmen ein Gewinn hängenbleiben muss. Eine höhere Entlohnung als jetzt sei allerdings nicht nötig. „Wofür auch?“ fragt Herrmann, „für eine bessere Bezahlung der Lohnhersteller?“.
Industrieverbände halten dagegen
Die Reaktion aus der Industrie auf die „AOK-Fakten“ ließ nicht lange auf sich warten. So erklärte Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH): Die aktuellen Lieferengpässe insbesondere im Generika-Bereich seien Fakt und Apotheker würden diese wohl auch kaum als „marginal“ bezeichnen. „Rabattverträge haben sehr wohl einen Anteil an Engpässen, weil diese letztendlich zu weniger Marktteilnehmern führen. Es ist eine wirtschaftliche Logik, dass sich bei den Rabattvertragsausschreibungen mit jeweils einem Exklusivpartner der Anbietermarkt verengen kann, weil unterlegene Bieter nicht mehr zum Zuge kommen und de facto die Arzneimittel nicht mehr aktiv anbieten können.“
Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie (BPI), räumt ein, dass Lieferengpässe zwar viele, auch global bedingte Ursachen hätten. „Die Rabattverträge sind aber für die Arzneimittelversorgung in Deutschland ein zentrales Problem, das auch noch politisch hausgemacht ist“. Dies sei „breiter Konsens im Gesundheitswesen“ und werde von der AOK einfach ignoriert. Mehr als jedes vierte nicht-lieferfähige Produkt stehe unter Rabattvertrag, so Joachimsen. Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) habe für 2018 insgesamt 9,3 Millionen Packungen rabattvertragsgeregelter Produkte, die nicht verfügbar gewesen seien. Auch sein Kernpunkt ist die Marktkonzentration durch die Exklusivverträge. „Die Stärkung der Anbietervielfalt würde Lieferengpässe in Zukunft zwar nicht völlig ausschließen, wäre aber ein ganz wichtiger Beitrag zur Liefersicherheit im deutschen Markt.“
9 Kommentare
Kein Ersatz mehr lieferbar... Schwanger und dem System ausgesetzt!
von Caro am 21.01.2020 um 12:51 Uhr
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Ene mene Muh, und raus bist Du...
von Hummelmann am 09.12.2019 um 19:59 Uhr
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AW: Ene mene Muh, und raus bist Du
von Günter Felbermeier am 10.12.2019 um 22:15 Uhr
Lieferengpässe
von M.Küppers am 06.12.2019 um 18:57 Uhr
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Lieferengpass
von Sigle am 06.12.2019 um 17:52 Uhr
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AOK Fakten
von Heiko Zimny am 06.12.2019 um 7:38 Uhr
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AW: AOK Fakten
von Anita Peter am 06.12.2019 um 8:52 Uhr
Europaweite Krankenversicherungen statt AOK-Gesundheitspolitik ...
von Christian Timme am 06.12.2019 um 4:35 Uhr
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Mimimimimi
von Reinhard Rokitta am 05.12.2019 um 18:22 Uhr
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