Uni Erlangen

Ins Labor statt in die Toilette – Forscher arbeiten am Recycling alter Arzneimittel

Düsseldorf - 04.12.2019, 14:00 Uhr

Bei einem Forschungsprojekt der Uni Erlangen geht es um das Recycling von Arzneimitteln. Auch Apotheken nehmen daran teil. (c / Foto Anna Roggenhofer)

Bei einem Forschungsprojekt der Uni Erlangen geht es um das Recycling von Arzneimitteln. Auch Apotheken nehmen daran teil. (c / Foto Anna Roggenhofer)


Wissenschaftler der Uni Erlangen arbeiten an Methoden, alte Arzneimittel aufzuarbeiten und die Wirkstoffe daraus zurückzugewinnen. Unterstützung gibt es von vielen Apotheken in der Stadt und den kommunalen Entsorgern im Umland.

Arzneimittel-Rückstände im Abwasser sind eine enorme Herausforderung für die Kläranlagen nicht nur in Deutschland. Neben der Verbreitung und Förderung resistenter Erreger durch Antibiotikareste im Wasser haben auch andere Wirkstoffe zum Teil gravierende Auswirkungen auf die Umwelt. Seitens der Hersteller scheint mit Abhilfe nicht zu rechnen zu sein, wie jüngst ein Bericht des ZDF-Magazins Frontal 21 thematisierte. „Es sei kaum möglich, Wirkstoffe für gut verträgliche Arzneimittel zu entwickeln, die auch eine optimale Umweltverträglichkeit aufweisen", zitierte das Magazin aus einem Schreiben des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH).

Auf der einen Seite wird daher viel Forschung und Aufwand betrieben, Arzneimittel-Rückstände aus dem Wasser zu entfernen oder sie erst gar nicht dorthin gelangen zu lassen. Dass man Medikamente nicht über die Toilette entsorgt, sondern in der Apotheke oder beim kommunalen Entsorger abgibt, ist vielen Menschen offensichtlich immer noch nicht klar. Ein Forschungsprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg könnte nun dazu beitragen, diesen Weg bekannter – und wohl auch wirtschaftlich interessanter zu machen.

Chemikalien für die Forschung und Lehre

Die Arbeitsgruppe von Professor Markus Heinrich am Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie der Universität Erlangen-Nürnberg arbeitet nämlich daran, Alt-Arzneimittel, die in Apotheken oder Wertstoffhöfen abgegeben wurden, wieder einer sinnvollen Verwendung zuzuführen – sie zu „recyceln“. „Aktuell gelangen die in Deutschland gesammelten Alt-Arzneimittel ja in die Müllverbrennung“, sagt Heinrich.

Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte und vom Regierungsbezirk Oberfranken wegen der Verwendung der Arzneimittel auch genehmigte Forschungsvorhaben der Arbeitsgruppe sucht dabei nach Methoden, die Wirkstoffe aus den Alt-Arzneimitteln zurückzugewinnen. „Die dürfen natürlich nicht wieder als Arzneimittel für Mensch oder Tier benutzt werden. Die rückgewonnenen Wirkstoffe können jedoch als Chemikalien für die Forschung oder die Ausbildung an Universitäten und Fachschulen eingesetzt werden“, erklärt der Forscher. Eine Möglichkeit dabei sei, sie auch konkret als Diagnostika einzusetzen, etwa zum Nachweis von Arzneimitteln in Gewässern.

„Unser Forschungsprojekt läuft nun seit etwa zwei Jahren. Als besonders aussichtsreiche Gruppe von Wirkstoffen hinsichtlich einer Wiederverwendung, etwa als Diagnostika, haben sich dabei bislang Antibiotika herausgestellt“, sagt  Anna Roggenhofer, Doktorandin in der Arbeitsgruppe. Derzeit lege man auf diese einen Fokus. „Aber auch andere Wirkstoffgruppen können sich im Rahmen des Projektes als interessant herausstellen“, sagt sie. Eine Fragestellung der Forscher ist dabei auch, in welcher Reinheit welche Stoffe rückgewonnen werden können – unter „ökologisch vertretbarem“ Aufwand.

100 von 500 untersuchten Wirkstoffen bereits verwertbar

Die ersten Versuche seien bereits vielversprechend. „Es funktioniert, einige Wirkstoffe sind gut zu trennen, und wir haben auch bereits Anwendungen für sie“, erklärt etwa Anna Roggenhofer. Derzeit habe man rund 500 Stoffe untersucht und für 100 davon mögliche Verwertungswege gefunden, sagt der Professor. Allerdings müsse man für jeden Wirkstoff einzeln die Möglichkeiten der Aufarbeitung untersuchen, die sehr komplex sein könne, sagt Heinrich.

Das Projekt ist bislang auf die Region beschränkt. So untersucht man auch eingehend die Frage, welche Stoffe im Großraum Erlangen-Forchheim-Nürnberg überhaupt gesammelt werden können. In Forchheim hat man dabei die Unterstützung des kommunalen Entsorgers im Landkreis. Die von Bürgern etwa beim Schadstoffmobil des Landkreises gesammelten alten Medikamenten werden den Forschern der Uni Erlangen zur Verfügung gestellt. Ein Problem sei dabei auch noch, dass in der Region bislang Arzneimittel über den Hausmüll entsorgt werden durften. „Viele sind an eine separate Arzneimittelentsorgung nicht gewohnt“, sagt Heinrich.

Ein Sammelcontainer für Arzneimittel. (Foto: Susanne Gradl)

Apotheken als Kooperationspartner

In der Stadt Erlangen selbst haben die Wissenschaftler bereits mehrere Apotheken als Kooperationspartner gewinnen können. Mit Aufstellern und Aufklebern weisen die teilnehmenden Apotheken darauf hin, dass sie an dem Forschungsprojekt mitmachen und Alt-Arzneimittel, die dort abgegeben werden, an die Forscher gehen. Das geschieht unter anderem mit einem Sammelcontainer, der auf dem Uni-Gelände steht. „Alt-Arzneimittel, deren Inhaltsstoffe im Rahmen des Forschungsprojekts dann noch nicht oder gar nicht zurückgewonnen werden können, werden von uns direkt über den Abfallzweckverband Erlangen/Erlangen-Höchstadt entsorgt“, stellen die Forscher dabei klar.

Schließlich wolle man mit dem Projekt auch ein Bewusstsein bei den Menschen zum nachhaltigen Umgang mit Arzneimitteln schaffen, sagt Heinrich. „Ein hoher Verbrauch und oft auch eine unsachgemäße Entsorgung der Alt-Arzneimittel können zu weitreichenden Problemen in der Umwelt führen“, sagt er.

Über Unterstützung durch weitere Apotheken, zunächst in der Region, würde man sich jedenfalls freuen – ein zukünftig ausgedehnteres Sammlungsgebiet sei dabei nicht ausgeschlossen.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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