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Apotheken-Stärkungsgesetz
Gesundheitsexperten der Bundesländer wollen das Rx-Versandverbot
Es hat sich bereits angedeutet: Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates protestiert nicht nur gegen die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Apothekenreform. Das Gremium empfiehlt dem Plenum des Bundesrates auch, das Rx-Versandverbot gegenüber der Bundesregierung einzufordern. In der Begründung eines entsprechenden Antrages wird Spahns Vorschlag, das Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht zu verankern, heftig kritisiert. Vielmehr sei das Rx-Versandverbot die einzige verfassungs- und europarechtlich konforme Lösung.
Der Bundesrat könnte sich am 20. September dieses Jahres zum zweiten Mal für ein Rx-Versandverbot aussprechen. Denn der Gesundheitsausschuss der Länderkammer hat bei seiner gestrigen Sitzung eine entsprechende Beschlussempfehlung zum Apotheken-Stärkungsgesetz mehrheitlich beschlossen.
Die Beschlussempfehlung, die DAZ.online vorliegt, will dazu § 43 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes ändern. Dort sollte nach dem Willen des Ausschusses künftig stehen: „Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1, die nicht durch die Vorschriften des § 44 oder der nach § 45 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen außer in den Fällen des § 47 berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden.“ Heißt konkret: Rx-Medikamente gäbe es nur noch aus der Apotheke vor Ort.
Die Gesundheitsexperten der Länder haben dazu eine umfassende Begründung vorgelegt. Mit dieser Argumentation leiten die Gesundheitsexperten der Länder das Rx-Versandverbot her:
- „Die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung ist gemäß Artikel 168 Absatz 7 AEUV Angelegenheit der Mitgliedstaaten.“
- „Die Gewährleistung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung, insbesondere auch zu Not- und Nachtdienstzeiten, ist zudem eine auf (..) das (Sozialstaatsprinzip) zurückzuführende staatliche Schutzpflicht im Bereich der Daseinsversorgung und damit eine Kernaufgabe des Staates.“ Die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung habe der Gesetzgeber den Apotheken übertragen.
- Die Finanzierung der Apotheken erfolgt durch den einheitlichen Apothekenabgabepreis. „Diese Preisbindung ist damit für die Erhaltung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung von besonderer Bedeutung. Zudem ist die Arzneimittelpreisbindung eine tragende Säule des deutschen solidarischen Krankenversicherungssystems. Verschiedene sozialversicherungsrechtliche Steuerungsinstrumente fußen darauf.“
Zum Vorschlag von Jens Spahn, die Rx-Preisbindung ins Sozialgesetzbuch zu heben, schreiben die Ländervertreter:
- „Die Verschiebung der nach Ansicht des EuGH gegen die Warenverkehrsfreiheit verstoßenden arzneimittelpreisrechtlichen Regelungen ins Sozialrecht beseitigen als Maßnahmen gleicher Wirkung deren Europarechtswidrigkeit nicht. Zudem würde eine Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen Arzneimittelversendern sowie zwischen GKV-Versicherten einerseits und Privatversicherten sowie Selbstzahlern andererseits gesetzlich festgeschrieben. Eine solche Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund wäre verfassungswidrig.“
- Hingegen könne mit einem Rx-Versandverbot die Rx-Preisbindung europa- und verfassungsrechtskonform „uneingeschränkt durchgesetzt“ werden. Da es sich bei der Preisbindung um einen „wichtigen Gemeinwohlbelang“ handele, stehe dem Verbot verfassungsrechtlich gesehen nichts im Wege. „Hierdurch ist auch weiterhin gewährleistet, dass das deutsche Gesundheitswesen strukturell intakt bleibt und Patientinnen und Patienten keinen gesundheitlichen Nachteilen durch einen unsachgemäßen Preiswettbewerb ausgesetzt werden“, heißt es weiter.
- Was das Europarecht betrifft, verweisen die Gesundheitsministerien der Länder auf den EuGH, der 2003 entschieden hat, dass die Einschränkung des Versandhandels zulässig ist. „Der überwiegende Teil der Mitgliedstaaten macht davon Gebrauch und lässt den Versandhandel mit diesen Arzneimitteln nicht zu“, heißt es weiter. Das Argument der Versender, dass der Rx-Versand aber noch nie aktiv verboten wurde, lassen die Länder nicht zu. Denn durch das EuGH-Urteil von 2016 sei eine „Neubewertung des Sachverhalts“ geboten.
- Aus Sicht der Länder gibt es auch keine „anderen Mittel“ für den Erhalt der „enorm“ bedeutsamen Gleichpreisigkeit. Denn Alternativen seien „nicht erkennbar“.
Was bedeutet das für das Gesetzgebungsverfahren?
Eingebracht wurde das Verbot nach Informationen von DAZ.online unter anderem von Thüringen. Ein Sprecher des dortigen Sozialministeriums erklärte gegenüber DAZ.online, dass man Spahns Vorschlag mit dem SGB V für „angreifbar“ halte. Und weiter: „Thüringen hat bereits in den vergangenen Jahren wiederholt das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gefordert. Das ist aus europarechtlichen Gründen möglich und in der überwiegenden Zahl der Mitgliedstaaten so umgesetzt. Daher haben wir uns auch beim aktuellen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken entsprechend positioniert, um die nach dem Urteil des EuGH 2016 eingetretene Ungleichbehandlung der inländischen Apotheken zu beenden.“ Zuvor hatten auch schon Bayern und Baden-Württemberg gegenüber DAZ.online klargestellt, dass sie Spahns Lösung für juristisch schwach halten.
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Wirkung der Länderwünsche sehr begrenzt
Was bedeutet das nun fürs Gesetzgebungsverfahren? Zunächst einmal müsste das Plenum diesem Wunsch des Gesundheitsausschusses folgen. Die Wirkung der Wünsche aus den Bundesländern in diesem Gesetzgebungsverfahren ist dazu allerdings sehr begrenzt. Denn bei dem Apotheken-Stärkungsgesetz handelt es sich um ein sogenanntes Einspruchsgesetz. Bei solchen Vorhaben können die Länder zwei Mal eine Stellungnahme an die Bundesregierung beschließen. Allerdings kann das Veto der Länder im Bundestag überstimmt werden.
Auch politisch dürfte ein Bundesratsbeschluss für ein Rx-Versandverbot derzeit nicht die besten Chancen besitzen. Denn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat mehrfach klargestellt, dass er an dieser Stelle nicht dem Koalitionsvertrag folgen will, weil er das Verbot für „politisch unwägbar“ hält. Hinzu kommt, dass auch die ABDA inzwischen auf einem ganz anderen Kurs unterwegs ist: Laut Beschluss der ABDA-Mitgliederversammlung will man Spahn mit seiner Idee, das Rx-Boni-Verbot im SGB V unterzukriegen, begleiten. Das Rx-Versandverbot ist demnach nur noch eine „Handlungsoption“. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass sich die Länder mehrheitlich für das Verbot aussprechen. Kurz nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung Ende 2016 hatte Bayern einen entsprechenden, initiativen Antrag in die Länderkammer eingebracht, der dann beschlossen wurde.
6 Kommentare
RX-Versandverbot
von Dr. Radman am 06.09.2019 um 10:24 Uhr
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