Interaktion Hochsommer

Diese Arzneimittel können bei Hitze zum Problem werden

Stuttgart - 25.07.2019, 15:30 Uhr

Wenn Sie deutlich seltener und weniger Wasserlassen müssen als sonst, der Urin sehr dunkel ist, Haut und Schleimhäute trocken sind, Schwindel oder Herzrasen oder eine rasche, sonst nicht erklärbare Gewichtsabnahme auftreten – dann haben Sie bei dieser Hitze zu wenig getrunken. (Foto: jozsitoeroe / stock.adobe.com)

Wenn Sie deutlich seltener und weniger Wasserlassen müssen als sonst, der Urin sehr dunkel ist, Haut und Schleimhäute trocken sind, Schwindel oder Herzrasen oder eine rasche, sonst nicht erklärbare Gewichtsabnahme auftreten – dann haben Sie bei dieser Hitze zu wenig getrunken. (Foto: jozsitoeroe / stock.adobe.com)


In Deutschland werden derzeit Hitzerekorde gebrochen. Was Eisverkäufer und Freibäder freut, macht anderen schwer zu schaffen. Was viele dabei gar nicht auf dem Schirm haben: Auch bestimmte Arzneimittel können aufgrund ihres Wirk- bzw. Nebenwirkungsprofils bei einer hohen Umgebungstemperatur zum Problem werden. 

Ältere Menschen tun sich schwerer, die Unterschiede in der Umgebungstemperatur und in der körpereigenen Wärmeproduktion auszugleichen. Auch bestimmte Arzneimittel können das Risiko erhöhen, darauf weist die Deutsche Allianz Klimawandel & Gesundheit hin und beruft sich dabei auf ein Dokument der UK Medicines Information (UKMi) pharmacists aus dem Jahr 2017. So gibt es zwar wenig Daten zu negativen Auswirkungen einer medikamentösen Therapie während einer Hitzwelle, dennoch ist bei zahlreichen Arzneimitteln Vorsicht geboten. Aufgrund des Wirk- bzw. Nebenwirkungsprofils können Reaktionen hervorgerufen werden, die bei einer hohen Umgebungstemperatur zum Problem werden können. Patienten, die potenziell riskante Arzneimittel einnehmen, sollten eng­maschig überwacht werden. Gegebenenfalls muss die Medikation in Absprache mit dem behandelnden Arzt angepasst werden. Als allgemeine Vorsichtsmaßnahmen werden das Tragen leichter Kleidung und der Aufenthalt in kühlen Gebäuden empfohlen. Zudem ist auf eine angemessene Flüssigkeitszufuhr zu achten

Diese Probleme können auftreten

Erhöhte Körpertemperatur: Neuroleptika greifen an verschiedenen Stellen in die Thermoregulation ein. Zudem bergen die Psychopharmaka das Risiko eines malignen neuroleptischen Syndroms. Eine Hyperthermie ist ein Kernsymptom dieser seltenen Nebenwirkung.

Auch das Serotonin-Syndrom, das durch grippeähnliche Symptome gekennzeichnet ist, geht mit einer Hyperthermie einher. Serotonerge Substanzen (z. B. Antidepressiva) sind mit einem erhöhten Risiko behaftet.

Fieberhafte Hypersensitivitätsreaktionen sind zudem bei zahlreichen Arzneimitteln möglich.

Weniger Durst und verringertes Schwitzen

Hitzegefühl: Hormone übernehmen eine Schlüsselrolle in der Regulation der Körpertemperatur. So können Arzneimittel, die die Wirkung von Sexualhormonen beein­flussen, zu Hitzegefühlen und Hitzewallungen führen. Dazu zählen Analoga des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH) wie Goserelin, das nichtsteroidale Antiandrogen Bicalutamid, das Progesteron-Derivat Cyproteron, der Aromatasehemmer Anastrozol und der Estrogen-Modulator Tamoxifen.

Doch auch für eine Reihe von anderen Arzneimitteln sind Hitzegefühle als mögliche Nebenwirkung beschrieben worden (z. B. Atomoxetin, Dipyridamol, Duloxetin, Methadon, PEG-Interferon, Sertralin, Topiramat, Triptane, Venlafaxin).

Verringertes Durstgefühl: Bei hohen Temperaturen muss auf eine adäquate Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Doch Angiotensin-Converting-Enzyme(ACE)-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten, Neuroleptika, Carbamazepin und Parkinsonmittel können das Durstgefühl beeinträchtigen und dazu führen, dass Patienten nicht ausreichend trinken.

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Reduzierte Schweißbildung bei Anticholinergika

Verringertes Schwitzen: Anticholinergika (Parasympatholytika) hemmen die Schweißproduktion und können so die Körpertemperatur erhöhen. Dazu zählen Arzneimittel wie Chlorpromazin, Amitriptylin, Scopolamin, Oxybutynin und Procyclidin.

Auch das Antiepileptikum Topiramat wurde mit einer Hypohidrose in Zusammenhang gebracht: In einer Studie mit 151 Kindern wurde bei knapp 40% von einer verringerten Perspiration berichtet.

Auf den Elektrolyt- und Wasserhaushalt achten

Sedierung: Verschiedene Substanzen können aufgrund ihrer sedierenden Wirkung die Wahrnehmung einer Hitzeerschöpfung reduzieren. Hierbei sind nicht nur klassische Sedativa wie Benzodiazepine und Z-Substanzen (z. B. Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon) problematisch. Auch Antihistaminika, Anticholinergika, Antiepileptika, Antidepressiva, dopaminerge Arzneimittel und Parkinson-Medikamente können müde machen und das Urteilsvermögen beeinträchtigen.

Dehydratation oder Elektrolyt-­Imbalance: Diuretika und Hemmer des Renin-­Angiotensin-Aldosteron-Systems (ACE-Hemmer, Angiotensin‑II-Rezeptorantagonisten) greifen in den Wasser- und Elektrolythaushalt ein. Dabei ist zu beachten, dass sich eine Hyponatriämie unter Diuretika durch eine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme verschlimmern kann.

Bei Arzneimitteln, die Übelkeit und Erbrechen hervorrufen können, ist im Hinblick auf einen Volumenmangel und Elektrolytstörungen ebenfalls Vorsicht geboten.

Verringerte Herzleistung. Arzneimittel, die das Herzzeitvolumen verringern (z. B. Betablocker), können die Hitzeadaption beeinträchtigen.

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Erhöhte Toxizität: Eine Dehydratation kann bei Arzneimitteln mit enger therapeutischer Breite (z. B. Lithium) besonders gefährlich werden. So können durch die Konzentrationserhöhung im Blut Symptome einer Überdosierung auftreten.

Auch Träger transdermaler Systeme müssen aufpassen: Bei direkter Hitzeexposition ist eine verstärkte Wirkstofffreisetzung möglich – beispielsweise bei Fentanyl-Pflastern.

Hypotonie: Bei hohen Umgebungstemperaturen kann der Blutdruck unter Einwirkung von Alkohol, Antihypertensiva, Vasodilatatoren (z. B. Nitrate, Calcium-Antagonisten) und trizyklischen Antidepressiva so weit sinken, dass die Betroffenen bewusstlos werden können.



Dr. Carolin Julia Straub, Apothekerin, DAZ-Redakteurin
redaktion@daz.online


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