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DocMorris' Schadenersatz-Schlappe
AKNR-Anwälte: „Das EU-Recht steht einem Rx-Boni-Verbot nicht entgegen“
Das Landgericht Düsseldorf hat am gestrigen Mittwoch die millionenschwere Schadenersatzklage der niederländischen Versandapotheke DocMorris gegen die Apothekerkammer Nordrhein abgewiesen. Aus Sicht der Rechtsannwälte der AKNR, Dr. Morton Douglas und Dr. Anne Bongers-Gehlert, geht die Bedeutung der Entscheidung aber über den konkreten Rechtsstreit hinaus: Auch der Gesetzgeber sollte die Wertungen des Gerichts berücksichtigen und sich nicht von EU-Versendern in die Irre führen lassen.
Es war ein guter Tag für die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR): Man hatte am gestrigen Mittwoch noch nicht unbedingt mit einem Urteil des Landgerichts Düsseldorf gerechnet. Doch es fiel – und zwar zugunsten der Kammer. Knapp 14 Millionen Euro zuzüglich Zinsen seit Oktober 2015 wollte DocMorris von der Körperschaft einfordern. Als Ersatz für den Schaden, der ihr durch den Vollzug diverser Rechtstitel entstanden sei, die die AKNR gegen den niederländischen Versender zwischen 2012 und 2016 erwirkt hatte. Stets ging es dabei um verschiedene Formen der Bonus-Gewährung. Mal wurde mit einem Bonus bis zu 15 Euro für einen „Arzneimittelcheck“ geworben, später wurden dafür sogar 20 Euro versprochen (Rezepteinreichung vorausgesetzt!), mal ging es um eine ADAC-Mitgliedschaft oder einen Hotelgutschein.
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Landgericht Düsseldorf
DocMorris scheitert mit Schadenersatzklage gegen Apothekerkammer
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 meinte DocMorris, nun stehe fest, dass die Werbemaßnahmen zulässig gewesen und die Verbotsverfügungen daher zu Unrecht ergangen seien. Das sah das Landgericht anders. Dabei differenziert es in seinem Urteil auch zwischen den verschiedenen angeführten Verfügungen. So gibt es welche, die auch in der Hauptsache rechtskräftig entschieden wurden – sogar der Versuch einer Verfassungsbeschwerde von DocMorris scheiterte. An solche Entscheidungen sei auch das Gericht gebunden, das über einen Schadenersatzanspruch entscheide.
Dort, wo es nicht zu Hauptsache-Urteilen kam, ergebe sich die Berechtigung der Verfügung daraus, dass DocMorris mit seiner Werbung gegen das Zuwendungsverbot des § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoßen habe. Im Urteil wird ausführlich dargelegt, warum das Heilmittelwerberecht hier zur Anwendung kommen kann und seine Auslegung auch nicht durch das EuGH-Urteil beeinflusst wird. Denn das Arzneimittelpreisrecht und das Heilmittelwerberecht haben unterschiedliche Schutzzwecke. Bei Ersterem geht es um die Sicherstellung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung, bei Letzterem um den Gesundheitsschutz: Patienten dürfen nicht durch das Inaussichtstellen von Vorteilen unsachlich beeinflusst werden.
Der EuGH selbst hatte den niederländischen Versandapotheken attestiert, nicht in gleichem Maße pharmazeutische Beratung anbieten zu können wie dies deutsche Marktteilnehmer könnten. Hieraus folgerte nun das Landgericht: Verbraucher müssen vor einer unsachlichen Beeinflussung geschützt werden, wenn sie durch das Inaussichtstellen geldwerter Vorteile davon abgehalten werden, die qualitativ hochwertigere Beratung in den deutschen Präsenzapotheken in Anspruch zu nehmen. Wer etwa mit 20 Euro für die Rezepteinlösung wirbt, kann sich nicht mehr darauf berufen, es handele sich um eine „geringwertige Kleinigkeit“, die nach dem Heilmittelwerbegesetz noch zulässig sein würde.
Irreführende Parolen niederländischer Versandapotheken
Die Freiburger Rechtsanwälte Dr. Morton Douglas und Dr. Anne Bongers-Gehlert, die das Verfahren für die AKNR geführt haben, sind zufrieden: „Wir freuen uns, dass das Landgericht Düsseldorf unserer Auffassung vollumfänglich gefolgt ist. Insoweit wurde grundsätzlich festgestellt, dass in Verfahren, die durch ein rechtskräftiges Hauptsache-Urteil abgeschlossen wurden, keine Schadenersatzansprüche bestehen. Es wäre aus unserer Sicht auch nicht nachvollziehbar gewesen, wenn Verfahren, deren Ausgang sowohl vom BGH als auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurden, keine Rechtssicherheit entfalten würden“. Auch habe das Gericht mit deutlicher Klarheit hervorgehoben, dass die Gewährung von Boni unabhängig von der Entscheidung des EuGH rechtswidrig ist.
Aus Sicht der Anwälte geht die Bedeutung der Entscheidung aber über den konkreten Rechtsstreit hinaus: Die Wertungen des Gerichts, dass die Entscheidung des Verbrauchers, wo er sich die ihm verschriebenen Arzneimittel beschafft, nicht durch wirtschaftliche Vorteile unsachlich beeinflusst werden darf und ein Verbot von Wertreklame auch unter Berücksichtigung des europäischen Rechts zulässig ist, sollten auch der Gesetzgeber bei den nun abschließenden Verhandlungen über das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken berücksichtigen. Douglas betont: „Das europäische Recht steht weder einem Rx-Versandverbot noch einem Boni-Verbot entgegen – denn dies sind Entscheidungen, die von den Nationalstaaten zu treffen sind. Es ist nun an der Zeit, dass deutsche Gesundheitspolitiker energisch dafür eintreten, dass diese nationalen Kompetenzen gewahrt werden, anstatt sich von den Parolen der niederländischen Versandapotheken hinsichtlich der vermeintlichen Unvereinbarkeit solcher Regeln mit dem Europäischen Recht in die Irre führen zu lassen“.
Rechtsexpertin Sabine Wesser: Zurück zum Naturzustand?
Dass die Betreiber ausländischer Versandapotheken seit Jahren gegen das Heilmittelwerberecht verstoßen, stellt im Übrigen auch die Kölner Apothekenrechtsexpertin Dr. Sabine Wesser in einem Aufsatz in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Arzneimittel & Recht“ heraus. Die Juristin legt ebenfalls schlüssig dar, dass dieses Recht anwendbar und das Zuwendungsverbot in § 7 HWG europarechtskonform ist. Die Norm sehe zwar nur für deutsche Apotheken eine Verschärfung durch das Arzneimittelpreisrecht vor, das bedeute aber nicht, dass das Heilmittelwerberecht keine Anwendung auf EU-Versender finde. Ihre diversen Boni-Angebote seien auch ohne die Preisbindung nicht mit § 7 HWG zu vereinbaren. Sie stellen nämlich weder eine geringwertige und damit zulässige Zuwendung dar – dafür dürften sie die Grenze von einem Euro nicht überschreiten – (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG), noch handele es sich um nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a HWG zulässige Barrabatte.
Für Wesser ist es unverständlich, dass die EU-Versender dennoch nicht belangt werden – ihnen gegenüber scheine für die Durchsetzung des für Arzneimittel geltenden Werberechts niemand verantworlich zu sein. „Kann es daran liegen, dass die ausländischen Versandapotheken von bundesweit, zum Teil sogar europaweit agierenden Kapitalgesellschaften getrieben werden, die mit großem Kapitaleinsatz den deutschen Makt zu erobern suchen?“, fragt sie in der A&R. Befinde man sich auf dem Weg zurück zum Naturzustand, in dem der Stärkere sich nimmt, was dem Schwächeren versagt bleibt? Diese Fragen bleiben derzeit noch offen.
4 Kommentare
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von Anita Peter am 19.07.2019 um 7:57 Uhr
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Wahrung nationaler Kompetenzen anstelle von EuGH- Firlefanz ...
von Christian Timme am 19.07.2019 um 2:53 Uhr
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von Hermann Eiken am 18.07.2019 um 23:40 Uhr
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von Michael Zeimke am 18.07.2019 um 18:55 Uhr
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