Satzungsleistungen

Druck auf Homöopathie-Erstattung wächst – Industrie hält dagegen

Berlin - 12.07.2019, 14:30 Uhr

In Deutschland wächst der Druck auf die Erstattung von homöopathischen Produkten. Die Pharmaindustrie hält nun dagegen. (s / Foto: imago images / photothek)

In Deutschland wächst der Druck auf die Erstattung von homöopathischen Produkten. Die Pharmaindustrie hält nun dagegen. (s / Foto: imago images / photothek)


Sollten Krankenkassen im Rahmen ihrer Satzungsleistungen Homöopathika (teil-)erstatten? Nach der Entscheidung von Frankreichs Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, eine solche Teilerstattung zu streichen, wird darüber auch in Deutschland diskutiert. In der Politik mehren sich die Gegner der Kostenerstattung. Die Pharmaindustrie hält dagegen.

In Frankreich soll die nationale Krankenversicherung künftig nur noch 15 statt derzeit 30 Prozent der Kosten von Homöopathika erstatten. Ab 2021 fällt die Kostenerstattung dann ganz weg. Das Land hatte die Kostenerstattung in den 1980er Jahren eingeführt, um damals die Industrie zu stärken, wie Gesundheitsministerin Agnès Buzyn kürzlich in einem Interview erklärte. Die oberste nationale Gesundheitsbehörde hatte in den vergangenen Monaten aber hunderte Studien zur Wirksamkeit von homöopathischen Produkten analysiert und der Ministerin dann empfohlen, die teilweise Kostenerstattung künftig zu streichen.

Buzyns Entscheidung hat hierzulande eine heftige Debatte rund um das Thema Homöopathie ausgelöst. Am gestrigen Donnerstag meldete sich KBV-Chef Dr. Andreas Gassen zu Wort und forderte ein Ende der Kostenerstattung auch in Deutschland. Zur Erklärung: Die Krankenkassen dürfen im Rahmen ihrer Satzungsleistungen Homöopathika erstatten, einige Kassen haben daher besondere Homöopathie-Programme aufgesetzt. Bei Kindern bis zwölf Jahren (bis 18 Jahren bei Entwicklungsstörungen) erstatten die Kassen nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel, so auch Homöopathie-Rezepte.

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Union uneinig

Nun wächst auch der Druck in der Politik. „Es ist schwer vermittelbar, dass Kosten für Homöopathie teilweise übernommen werden, während an anderer Stelle gespart werden muss“, sagte der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Erwin Rüddel (CDU), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Deswegen kann ich mir durchaus ein Ende der Erstattungsfähigkeit vorstellen.“

In Rüddels Fraktion gibt es aber durchaus unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema. Karin Maag, die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, hatte sich für einen Erhalt der Kostenerstattung ausgesprochen. In einem aktuellen Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Maag, dass Versicherte, die gegen die Erstattung seien, einfach die Kasse wechseln sollten: „Diejenigen, die Homöopathie für sich in Anspruch nehmen wollen, sollen die Kassen wählen, die die Homöopathika erstatten. Und diejenigen, die die Homöopathie ablehnen, die sollen die Kassen wählen, die die Erstattungsfähigkeit nicht für sich in Anspruch nehmen", so die CDU-Gesundheitsexpertin. Zudem wies sie auf die entstandenen Kosten hin. 2017 seien etwa 10,5 Millionen Euro für Homöopathie von den Kassen ausgegeben worden. Das entspricht laut Maag einem Anteil von 0,03 Prozent der gesamten GKV-Arzneimittelausgaben.

In der SPD ist man aber auch kritisch eingestellt. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, sagte laut Nachrichtenagentur dpa, die Wirksamkeit homöopathischer Mittel sei nicht nachgewiesen. „Ich sehe es deshalb kritisch, dass Krankenkassen und damit die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler diese Mittel finanzieren.“ Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Christine Aschenberg-Dugnus, sieht es so: „Jeder, der Homöopathie befürwortet, soll sie auch weiter erwerben können. Aber auf Selbstzahlerbasis“, sagte sie dem RND. Der Linken-Politiker Harald Weinberg hält die Debatte jedoch für überzogen. Die Kosten für Homöopathie für die Krankenkassen seien extrem niedrig, es gebe wichtigere Probleme.

BAH/BPI: Frankreich-Entscheidung nicht auf Deutschland übertragen!

Die Pharmaindustrie warnt allerdings davor, die Debatte in Frankreich auf Deutschland zu übertragen. In einem gemeinsamen Statement erklärten der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI):


Diese Änderung in Frankreich ist auf die Situation in Deutschland nicht übertragbar. Bei uns werden seit 2004 grundsätzlich alle nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, einschließlich der Arzneimittel der Besonderen Therapierichtungen (Phytotherapie, Anthroposophie und Homöopathie) von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr erstattet. Seit 2012 können gesetzliche Krankenkassen im Rahmen von sogenannten Satzungsleistungen jeweils autonom entscheiden, ob sie unter anderem die Kosten für die Behandlung mit Arzneimitteln der Besonderen Therapierichtungen bis zu einem bestimmten, gedeckelten Betrag erstatten. Dadurch hat der deutsche Gesetzgeber ganz bewusst den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen gestärkt und den Patienten die Möglichkeit gegeben, eine differenzierte Auswahl ihrer Krankenkasse vorzunehmen.“

Gemeinsames Statement von BAH und BPI


Beide Verbände weisen zudem darauf hin, dass auch in Frankreich das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und die Therapiefreiheit des Arztes weiterhin unberührt bleiben. „Die französische Gesundheitsministerin betonte, dass die Verschreibung homöopathischer Arzneimittel in Frankreich durch die rund 20.000 homöopathisch ausgebildeten Ärzte hiervon unbeeinträchtigt bleibt und dass sie den Wunsch der Bevölkerung nach diesen Therapien versteht“, so BAH und BPI.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Immer dieser whataboutism

von Dennis am 15.07.2019 um 14:18 Uhr

Ähm das verlinkte ist keine Studie der wirksamkeit. Bis jetzt gibt es keine Doppelblindstudie die eine Wirksamkeit von Homöopathie nachgewiesen hat. Beide wirkprinzipien von Homöopathie sind mit gesunden Menschenverstand als grober Unfug zu kategorisieren. Wenn ich weniger von etwas habe wirkt es nicht stärker. Wenn ich etwas habe das Kopfschmerzen verursacht dann hilft es nicht gegen Kopfschmerzen. Homöopathie stammt aus einer Zeit als Ärzte noch unwissenschaftliche schädliche Therapien genutzt haben da war nichts geben (Homöopathie) besser als die standard Behandlung der Zeit. Heutzutage ist dem nicht mehr so.

Übrigens in einem der verlinkten Sachen steht auch drin das Homöopathe doppelblind nicht hinbekommt mit anderen worten, es wirkt nicht.

Und ihr zwei beide versucht auch das Thema zu verschleppen. "Da wird doch auch geld verschwendet also wen interessierts" und dergleichen. Wir reden hier aber nicht um andere Geldverschwengungen, wenn wir über jede Geldverschwendung reden kommen wir nicht weiter. Und wenn wir jede Geldverschwendung entschuldigen mit "aber andere verschwenden auch geld" dann würden wir nie eine abschaffen.

Long story short. Homöopathie wirkt nicht und sollte daher imho auch nicht bezahlt werden.

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Ist das schon das Sommerloch?

von Hummelmann am 13.07.2019 um 13:36 Uhr

Nicht zu glauben, wer sich unter den Gesundheitspolitikern beim Thema Hommöopathie alles zu Wort meldet. Den meisten unterstelle ich entweder Profilierungssucht bei einem Thema, wo man wichtigen Parteispendern nicht auf die Füße treten muss oder sogar direkte Lobbyarbeit für die Geldgeber im Hintergrund. Das Wohl der Patienten kann es ja nicht sein, denn die überwiegende Mehrheit der Versicherten wünscht sich diese Leistung und wer das nicht will, kann sich ja in einer Kasse versichern lassen, die solche freiwilligen Satzungsleistungen nicht anbietet.

Bevor jetzt gleich ein Aufschrei kommt:
Jeder, der sich berufen fühlt, die Notwendigkeit der Ausgaben unserer gesetzlichen Krankenkassen auf den Prüfstein zu legen, sollte sich erst mal um diese Fragen kümmern:
a) Warum ist das Finanzpolster so groß, dass die Kassen ca. 80 (in Worten: achtzig) mal so viel Geld an die Banken in Form von Strafzinsen bezahlen, wie die Homöopathie kostet?
b) Wenn das Polster schon so groß sein muss und die Erhebung von Strafzinsen berechtigt ist, warum bekommt das Geld dann das private Bankenwesen? Wäre es nicht besser bei der Bundesbank oder den Landeszentralbanken aufgehoben? Dann würden die Zinsen wenigstens an den Steuerzahler fließen, der ja bekanntlich auch das Gesundheitswesen finanziert und nicht schwerreiche Aktionäre in Übersee noch reicher macht.
c) Was wurde eigentlich aus den vielen Tamiflu-Packungen, die wir - völlig unnötig - aufgrund von vertraglichen Verpflichtungen in großer Stückzahl auf Kosten der Steuerzahler angeschafft und eingelagert haben? Diese hochgelobte Schulmedizin hätte eine Infektion mit Vogelgrippe sicher nicht verhindert und das Leiden (vielleicht) um 2 Tage verkürzt. Offensichtlich spielt Geld in solchen Fragen keine Rolle, denn Hauptsache es gibt eine Arzneimittelzulassung...

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AW: Ist das schon das Sommerloch

von Mike Keszler am 15.07.2019 um 10:34 Uhr

Völlig richtig! Interessant ist vor allem dass die Studien, welche die Wirksamkeit der Homöopathie signifikant nachweisen, zumindest im gleichen Maße wie schulmedizinische Arzneien, nie Beachtung finden. Was ist daran wissenschaftlich? https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26827998, https://www.carstens-stiftung.de/fileadmin/user_upload/pdf/Der-aktuelle-Stand-der-Forschung-zur-Homoeopathie-2016-WissHom.pdf, https://www.carstens-stiftung.de/artikel/klinische-forschung-zur-homoeopathie-systematische-uebersichtsarbeiten-mit-meta-analyse-nach-cochran.html Ist es nicht fragwürdig warum eine angeblich so unwirksame Therapie so von gewissen Personen so angefeindet wird, obwohl (oder gerade deshalb) so viele Menschen sie wünschen? Dann informieren Sie sich mal über die Skeptiker Bewegung, GWUP; Susannchen-Info, Netzwerk-Homöopathie, Psiram, etc.? Immer die gleichen Leute, welche diese Kampagne bis in die höchsten Etagen der Politik tragen. So sieht Demokratie heute aus.

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