Pro Generika

Bringt das GSAV wirklich mehr Sicherheit?

Berlin - 08.05.2019, 14:15 Uhr

Steckt Sicherheit nur im Gesetzesnamen des GSAV? Darüber diskutierten Rebecca Beerheide (Deutsches Ärzteblatt, Moderation der Podiumsdiskussion), Michael Hennrich (CDU), Kordula Schulz-Asche (Grüne) und Christoph Stoller von Pro Generika beim Pro-Generika-Frühlingsfest in Berlin, v.l.n-r. (b / Foto: cel)

Steckt Sicherheit nur im Gesetzesnamen des GSAV? Darüber diskutierten Rebecca Beerheide (Deutsches Ärzteblatt, Moderation der Podiumsdiskussion), Michael Hennrich (CDU), Kordula Schulz-Asche (Grüne) und Christoph Stoller von Pro Generika beim Pro-Generika-Frühlingsfest in Berlin, v.l.n-r. (b / Foto: cel)


Wie geht es weiter mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung? Und bringt das GSAV auch wirklich das, was es verspricht – mehr Sicherheit? Diese Frage diskutierten unter anderem Michael Hennrich (CDU) und Kordula Schulz-Asche (Grüne) beim Frühlingsfest von Pro Generika am Dienstagabend in Berlin. Hennrich scheint zufrieden mit dem GSAV, die Grünen-Politikerin vermisst konkrete sicherheitsfördernde Aspekte.

Bork Bretthauer erkennt einen Paradigmenwechsel in der gesundheitspolitischen Gesetzgebung. „In den vergangenen Jahren legte die Politik den Fokus auf Kosten und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen – Qualität, Sicherheit und Lieferfähigkeit wurden als gegeben vorausgesetzt“, erklärte der Pro-Generika-Geschäftsführer beim Parlamentarischen Abend und Frühlingsfest des Branchenverbandes am Dienstag in Berlin. Allein die Namen der Gesetze verrieten diese Wendung: Nach kostenoptimierenden Gesetzen wie dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (2007) oder dem 2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) habe man jetzt mit dem GSAV ein Gesetz, bei dem die Arzneimittelsicherheit eine Rolle spiele, so Bretthauer. „Offenbar besteht hier Handlungsbedarf“.

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Das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung stimmt Bretthauer optimistisch: Er bewertet diesen Schritt als „gutes Omen, dass man eher von Diskussionen über Preise und Erstattungshöhe wegkommt und sich auf die Trias Qualität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit konzentriert.“ Und weiter: „Wirtschaftlichkeit hat zwei Dimensionen: Arzneimittel müssen wirtschaftlich für das Gesundheitssystem sein, aber auch für den pharmazeutischen Unternehmer“.

Steckt „Sicherheit“ nur im Gesetzesnamen?

Auch wenn die Namen der Gesetze wohl verraten sollen, was sie regeln – hält das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung auch, was es verspricht? Als typisches Spahn-Gesetz fokussiert es nicht lediglich die Konsequenzen der Lunapharm- und Valsartan-Skandale, sondern mischt auch beim Austausch von Biosimilars in der Apotheke, der Versorgung von Hämophiliepatienten, dem E-Rezept, bei Pflegeberufen und Cannabis mit.
Kommt die Sicherheit letztlich zu kurz? Darüber diskutierte der stellvertretende Vorstandsvorsitzender von Pro Generika, Christoph Stoller, mit Kordula Schulz-Asche, seit 2013 für die Grünen im Bundestag, und Michael Hennrich (CDU) seit 2002 im Bundestag Berichterstatter für Arzneimittelpolitik und Versorgung.

Während Hennrich „sehr zufrieden“ mit dem neuen GSAV ist, findet die Arzneimittelexpertin der Grünen nicht, dass das neue Gesetz hält, was es verspricht. Sie vermisst als Konsequenz des Valsartan-Skandals, die gesetzliche Verankerung, dass Hersteller und auch die Herstellverfahren künftig stärker kontrolliert werden. „Das hätte mehr Sicherheit gebracht“, ist Schulz-Asche überzeugt. „Man hätte sich mehr auf die Inhalte konzentrieren sollen als darauf, das Gesetz zu verkaufen“. Hennrich hält dagegen, man dürfe an dieser Stelle nun auch nicht vergessen, dass „wir ja bereits umfassende Überwachungssysteme und Prüfpflichten“ haben. Man habe nur erkannt, man dürfe die Länder mit diesen Aufgaben nicht alleine lassen, was durch das GSAV gelänge.

Antibiotikaproduktion zurück nach Europa verlagern

Stoller äußert sich skeptisch, ob das GSAV wirklich mehr Sicherheit für die Arzneimittelproduktion bringt. Problem sei doch unter anderem die Konzentration der Wirkstoffhersteller auf wenige Anbieter. „Das kann man verbessern, indem man Exklusivausschreibungen bei Rabattverträgen ersetzt durch die Vorgabe von drei Herstellern mit drei Wirkstoffquellen und einen vierten Zuschlag vergibt, wenn der Wirkstoff in Europa hergestellt wird“.

Auch Schulz-Asche setzt sich dafür ein, dass bestimmte Wirkstoffproduktionen aus Asien nach Europa zurückverlagert werden, zum Beispiel Antibiotika, um auch im Falle einer Epidemie Zugang zu Wirkstoffressourcen hierzulande zu gewähren. Laut Stoller werden derzeit noch 20 Prozent der Wirkstoffe in Europa hergestellt, es sei per se denkbar, diesen Anteil wieder zu erhöhen. Die Frage sei: „Was ist uns eine sichere Arzneimittelversorgung wert? Als Land wie Deutschland kann man sich einen solchen Schritt durchaus leisten“, findet er. „Wenn in Asien eine große Umweltkatastrophe passiert, sterben drei Monate später hier die Menschen“, so Stoller. Hennrich fragt sich eher, wie ein solcher Schritt auch politisch realisiserbar sei – im Alleingang oder auf europäischer Ebene? Er favorisiere die „europäische Variante“ und auch Schulz-Asche erachtet Arzneimittelqualität und -versorgung als „europäisches Problem“. Das lasse sich jedoch nicht bis zum Juni, wenn das Gesetz zur nächsten Lesung kommt, realisieren. Das GSAV sei eine „unmittelbare Reaktion und ein sehr guter erster Aufschlag“ gewesen, so Hennrich.

Neue Aufgabe für Apotheken

Wie sinnvoll ist es, dass Patienten wissen, wo die Wirkstoffe und ihre Arzneimittel produziert werden? Was fängt man mit dieser Information an? Hennrich findet dieses Thema wichtig und „gut, dass wir es adressieren". Für ihn könnten Apotheken dem Patienten diese Informationen anbieten. Skeptisch hingegen ist er, wenn all diese Informationen zusätzlich auf die Arzneimittelpackung oder den Beipackzettel gedruckt werden. Stoller spricht sich hier für digitale Lösungen in Form eines E-Leaflets beispielsweise aus, das diese Informationen für den Patienten bereitstellt. Er gibt jedoch die Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme zu bedenken - vor dem Hintergrund exklusiver Rabattverträge. Denn was nutzt einem Patienten die Kenntnis, dass der Wirkstoff in Indien produziert werde, wenn er jedoch keine Alternativen hat? Dennoch betont er: „Qualität der Arzneimittel, die in Deutschland angeboten werden, ist hervorragend".

Patientenwissen über Produktionsort schürt Misstrauen

Dieses Argument lässt Hennrich allerdings nicht gelten, man habe mit dem AMNOG 2011 die Möglichkeit der Wunscharzneimittel geschaffen: „Der Patient kann auf Wunsch ein anderes Arzneimittel bekommen, wenn er bereit ist, die Mehrkosten zu bezahlen", so der CDU-Gesundheitsexperte. Schulz-Asche hingegen sieht hier das Pferd von der falschen Stelle aufgezäumt. Es müsse doch darum gehen, dass die Herstellung unter Bedingungen stattfinde, die den deutschen Anforderungen entsprechen. Schulz-Asches Bestreben ist es, dass Kontrollen in den Produktionsstätten vor Ort künftig hochrangig durch das Paul-Ehrlich-Institut und das BfArM begleitet werden, hier seien die Kompetenzen vorhanden, denn auch Landesbehörden könnten versagen. Die Möglichkeit, dass Patienten selbst schauen können, woher ihre Arzneimittel stammen, erachtet sie nicht für zielführend, das Gegenteil sei der Fall: „Das schürt eher Misstrauen", so die Grünen-Politikerin.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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