Novartis vs. Amgen bei Erenumab

Kampf um Aimovig-Vermarktungsrechte

New York / Basel / Stuttgart - 09.04.2019, 15:15 Uhr

Novartis und Amgen sind sich uneins: Es geht um die Vermarktungsrechte vom Migräne-Antikörper Aimovig. ( r / Foto: imago | amgen.com)

Novartis und Amgen sind sich uneins: Es geht um die Vermarktungsrechte vom Migräne-Antikörper Aimovig. ( r / Foto: imago | amgen.com)


Novartis und Amgen streiten sich. Es geht um ihren gemeinsam vermarkteten CGRP-Rezeptor-Antikörper zur Migräneprophylaxe: Erenumab (Aimovig®). Amgen will die Kooperationsverträge kündigen und wirft Novartis vor, gemeinsam mit der Konkurrenz an Eptinezumab zu arbeiten – Novartis hingegen klagt und ist überzeugt: „Amgen will (...) die Gewinne von Aimovig® für sich behalten“.

Dicke Luft bei den Pharmariesen Amgen und Novartis. Dabei könnten sie sich eigentlich doch freuen: Sie gewannen mit Erenumab in Aimovig® den Wettkampf gegen Lilly (Galcanezumab, Emgality®), Teva (Fremanezumab, Ajovy®) und Alder Biopharmaceuticals (Eptinezumab) um den ersten Platz bei den Migräne-Antikörpern. Amgen und Novartis schafften mit Erenumab nicht nur die Erstzulassungen bei der FDA in den Vereinigten Staaten und bei der EMA in der EU, sie brachten Aimovig® auch als ersten CGRP-Antikörper überhaupt auf den Markt und somit direkt an den Migränepatienten.

Doch anscheinend sind sich die beiden forschenden Pharmaunternehmen nun nicht mehr grün: Es geht ums Geld.

Amgen und Novartis teilen sich Marktrechte – eigentlich

Zum Hintergrund: Im August 2015 entschieden Amgen und Novartis im  Bereich der Alzheimer- und Migränetherapien global zusammenzuarbeiten, diese gemeinsam zu entwickeln und sodann zu vermarkten. Diese Zusammenarbeit konzentrierte sich laut einer Mitteilung von Novartis „auf die Erforschung von Amgen-Medikamenten im Bereich der Migräne, darunter Aimovig®“. Aimovig® erhielt im Mai 2018 die FDA-Zulassung, die EMA folgte bereits zwei Monate später, im Juli 2018. Amgen und Novartis einigten sich im April 2017 auf die jeweiligen Vermarktungsrechte: Amgen erhielt Co-Kommerzialisierungsrechte in den USA, exklusive Marktrechte hält Amgen in Japan. Novartis verfügt über die exklusiven Vermarktungsrechte in Europa, Kanada und der übrigen Welt.

Will Amgen nur alle Erenumab-Gewinne?

Zum 2. April hat laut Berichten der Deutschen Presse-Agentur (dpa) Amgen die Migräne-Kooperationsvereinbarung nun aufgekündigt. Der Vorwurf an Novartis: Die Novartis-Tochter Sandoz arbeite gemeinsam mit Alder Biopharmaceuticals an einem Erenumab-Konkurrenten – Eptinezumab. Amgen sieht in dieser Zusammenarbeit – Sandoz und Alder – eine wesentliche Verletzung des Kooperationsvertrages. Laut Medienagentur Reuters versucht Amgen, diesen nun zu kündigen und Schadenersatz zu fordern.

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Eptinezumab greift, wie auch Erenumab, in das CGRP-System ein, jedoch neutralisiert Eptinezumab das Neuropeptid Calcitonin Gene-Related Peptide direkt, wohingegen Erenumab an den CGRP-Rezeptor bindet. Eptinezumab stammt aus der Pipeline von Alder Biopharmaceuticals und wird derzeit in klinischen Studien (Phase III) erforscht. Eine Zulassung ist bislang weder bei der FDA noch bei der EMA beantragt.

CGRP-Hypothese bei Migräne

CGRP spielt nach aktuellen Erkenntnissen eine wichtige Rolle im Entzündungsgeschehen und somit der Pathogenese bei Migräne.

Man geht heute davon aus, dass der Migränekopfschmerz Folge einer erhöhten Aktivität von Trigeminusneuronen ist, die durch Vasodilatation via CGRP, Stickstoffmonoxid (NO), Vasoaktivem Intestinalem Peptid (VIP) und Substanz P vermittelt wird. Hierdurch kommt es zur Stimulation afferenter C-Fasern und einer, unter anderem durch Prostaglandine vermittelten, perivaskulären Entzündung. Die CGRP-Hypothese wird durch zwei Beobachtungen gestützt: So weisen Patienten während einer Migräne-Attacke erhöhte Spiegel an CGRP auf. Dieser klare funktionelle Zusammenhang zwischen Migräne und CGRP konnte bereits 1990 an 20 Migränepatienten in einer schwedischen Untersuchung gezeigt werden die erhöhte CGRP-Werte (Halsvenen) während ihrer Migräneattacke aufwiesen.

Zudem sind Injektionen mit dem proinflammatorischen Neuropeptid in der Lage, bei Migränikern Anfälle auszulösen. Diese lassen sich durch Triptane wieder abschwächen, da Triptane die CGRP-Freisetzung aus dem trigeminalen System abschwächen.

Novartis verteidigt sich und klagt

Nicht überraschen dürfte, dass Novartis mit der Vertragsaufkündigung nicht einverstanden ist. Der Schweizer Pharmakonzern reagierte auf Amgens Vorwurf und hat laut Reuters beim U.S. District Court in Manhattan nun Klage eingereicht. Die Klage zielt darauf ab, auf die Kooperationsvereinbarungen zwischen Amgen und Novartis zu bestehen und die angebliche Kündigung Amgens für nichtig zu erklären, denn laut dpa hält Novartis „die Kündigung für ungerechtfertigt und ohne rechtlichen Grund". Die Verträge blieben in Kraft, solange keine endgültige und verbindliche Gerichtsentscheidung diesbezüglich vorliege, so Novartis. Gegenüber Reuters äußerte sich Novartis: „Amgen will nun die Gewinne von Aimovig® für sich behalten und Novartis Pharma sein vertragliches Recht nehmen, am Erfolg des Produkts teilzuhaben und seine erheblichen Investitionen zu amortisieren." 

Migräne scheint ein profitabler Markt zu sein: Das Analytikunternehmen GlobalData schätzt die weltweiten Medikamentenumsätze zur Behandlung von Migräne bis zum Jahr 2026 auf etwa 8,7 Milliarden US-Dollar.

Novartis: 870 Millionen US-Dollar in Aimovig investiert

Dass Novartis sich nicht leicht ausbooten lassen will, ist verständlich. Novartis habe einen einzigartigen und etablierten neurowissenschaftlichen Ansatz und Know-how in die Zusammenarbeit eingebracht und erhebliche finanzielle Investitionen in die Entwicklung und weltweite Vermarktung von Aimovig® getätigt, so die Deutsche Presse-Agentur. Reuters legt Zahlen aus der Novartisbeschwerde vor: Seit Beginn der Zusammenarbeit im August 2015 mit Amgen, das zuvor die Rechte an dem Medikament kontrollierte, habe Novartis mindestens 870 Millionen US-Dollar für Aimovig® ausgegeben. 

Gibt es eine Alder-Sandoz-Kooperation bei Eptinezumab?

In der Tat kooperiert Sandoz mit Alder Biopharmaceuticals. „Das Programm, über das sich Amgen beschwert hat, wird beendet", erklärte Novartis gegenüber der dpa. Folglich muss es wohl bestanden haben. Offenbar ging es bei Eptinezumab um eine Lohnfertigung durch Sandoz. Denn der Chief Executive von Alder äußerte sich Reuters gegenüber, Sandoz sei eine eigenständige Einheit, die für viele Unternehmen, die mit Amgen oder wem auch immer konkurrierten, Lohnherstellung betreibe, so Robert Azelby im Telefoninterview. Die Vertragsherstellungsvereinbarung mit Alder habe Sandoz nun jedoch geändert und sich bereit erklärt, Eptinezumab weiterhin nur bis 2023 zu liefern.
Das Fehlen eines Verstoßes bedeute, dass die Kündigung der Kooperationsverträge als ungültig angesehen werden sollte, findet das Novartis.

Laut Aussage von Alder-Chef Azelby will das Unternehmen die Vermarktungsrechte für Eptinezumab, so es einmal zugelassen wird, in den Vereinigten Staaten behalten. Man suche jedoch nach Partnern für den europäischen Markt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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