ABDA-Mitgliederversammlung

Widerstand gegen Spahns Apotheken-Pläne zeichnet sich ab

Berlin - 21.12.2018, 17:55 Uhr

Wie werden sich die Apotheker verhalten? Wird die ABDA-Mitgliederversammlung gegen die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums protestieren? Oder werden die Apotheker dem Paket zustimmen? Ein Überblick über die Reaktionen aus den Ländern. (s/ Foto: Schelbert)

Wie werden sich die Apotheker verhalten? Wird die ABDA-Mitgliederversammlung gegen die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums protestieren? Oder werden die Apotheker dem Paket zustimmen? Ein Überblick über die Reaktionen aus den Ländern. (s/ Foto: Schelbert)


Am 17. Januar 2019 wollen alle 34 Apothekerkammern und -verbände in Berlin zu einer außerordentlichen ABDA-Mitgliederversammlung zusammenkommen, um zu entscheiden, wie man auf die Apotheken-Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) reagieren will. Noch haben nicht alle Kammern und Verbände reagiert. Aber schon jetzt zeichnet sich ab: Insbesondere gegen einen Teil der Eckpunkte wird es wohl heftigen Widerspruch geben. Ein Überblick.

Am 11. Dezember besuchte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die ABDA-Mitgliederversammlung, um seine eigenen Pläne für die Reformierung des Apothekenwesens vorzustellen. Demnach soll es für EU-Versender künftig einen gesetzlich fixierten Rx-Boni-Deckel von 2,50 Euro geben. Bei einem Marktanteil von 5 Prozent der EU-Versender will Spahn den Boni-Deckel prüfen und gegebenenfalls nachsteuern. Gleichzeitig plant der Minister aber erhebliche Umstellungen am Apothekenhonorar. Über neue, noch zu definierende pharmazeutische Dienstleistungen sollen die Apotheker 240 Millionen Euro pro Jahr mehr bekommen, hinzu kommen Verbesserungen bei der BtM-Abgabe und eine Verdopplung der Notdienstpauschale.

Am 17. Januar 2019 treffen sich die Vertreter der Kammern und Verbände dann nochmals, um über dem Umgang mit diesen Eckpunkten zu beraten. Die Apotheker stehen also vor der richtungsweisenden Frage, ob sie die Rx-Preisbindung zumindest teilweise für Honorar-Anpassungen aufgeben würden und wenn nicht, wie sie darauf reagieren würden. Aus vielen Kammern und Verbänden gab es schnell nach der Vorstellung von Spahns Plänen eine Reaktion. Insbesondere mit Blick auf die Rx-Boni zeichnet sich ein deutlich negatives Stimmungsbild ab.

Hier ein Überblick über die bislang bekannten Reaktionen aus den Regionen:

Schleswig-Holstein: Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, erklärte gegenüber DAZ.online seine klare Meinung: „Eine Abkehr von der Gleichpreisigkeit gibt es mit mir nicht.“ Dazu erläuterte er: „Wer das versucht, hat den Sinn eines Kompromisses nicht verstanden.“ Allerdings verwies Froese gegenüber DAZ.online auch auf Positives in Spahns Vorschlägen. Das Paket enthalte auch gute Elemente für Patienten und Apotheken, wie Dienstleistungen zum Nutzen der Patienten. Vor allem lobte Froese „die Grundlagen zum Schutz des E-Rezeptes vor der Amazonisierung“.

Mecklenburg-Vorpommern: Der Vorsitzende des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Axel Pudimat, sieht ebenfalls Chancen und Risiken in Spahns Angebot. Pudimat hält es zwar für schwer, Spahns Plänen zuzustimmen. Denn: „Wir haben jetzt einen Versandhandelsfluss ohne Damm.“ Aber er forderte gegenüber DAZ.online: „Man muss das Ganze lesen.“ Man solle nicht nur die möglichen Probleme beim Boni-Deckel sehen. Die Furcht vor dem Misslingen des Boni-Deckels dürfe nicht jede andere Diskussion verdrängen, meint Pudimat.

Wie verhalten sich Becker und Kiefer?

Hamburg: Hamburgs Verbandsvorsitzender Dr. Jörn Graue und der Kammerpräsident der Hansestadt, Kai-Peter Siemsen, haben eindringlich davor gewarnt, die Pläne von Spahn umzusetzen. Graue sieht darin ein Menetekel und Siemsen befürchtet einen Dammbruch. Graue sagte gegenüber DAZ.online, die Apotheker dürften Spahns Angebot auf keinen Fall annehmen.

Niedersachsen: In Niedersachsen findet am 9. Januar eine Sitzung von Kammer- und Verbandsmitgliedern statt, bei der über die Eckpunkte beraten werden soll.

Brandenburg: Kammerpräsident Jens Dobbert erklärte gegenüber DAZ.online, dass er und sein Vorstand ein „eindeutiges Votum“ gegen das geplante Paket beschlossen hätten. Man könne ein Vorhaben nicht begrüßen, in dem niederländische Grenzapotheken subventioniert werden, so Dobbert.

Berlin: Dr. Christian Belgardt, Präsident der Apothekerkammer Berlin, ist auch nicht zufrieden mit Spahns Ideen. In einem Rundschreiben an seine Mitglieder schlug er eine Erweiterung der Eckpunkte vor: „Wenn denn die Gleichpreisigkeit durch ein vollständiges Verbot von Boni oder ein Verbot des Versandhandels für Rx-Arzneimittel rechtlich und politisch nach Willen und Meinung des Ministers nicht durchsetzbar ist, müssen gleich lange Spieße eben auf der Kostenseite hergestellt werden.“ Dazu sollten abhängig vom Arzneimittelpreis 2,50, 5 oder 10 Euro als zusätzlicher Abschlag erhoben werden.

Bayern: Wie in Niedersachsen wollen Kammer und Verband am 9. Januar gemeinsam darüber beraten, wie man mit den Eckpunkten umgeht. Aber schon in der Terminankündigung an seine Mitglieder stellte Kammerpräsident Thomas Benkert klar: „Für mich und meine Vorstandskolleginnen und -kollegen wird Hauptkriterium sein, dass die Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch künftig gewährleistet ist und bleibt.“

Baden-Württemberg: Die wohl deutlichsten Worte als Reaktion auf den Spahn-Plan fand Dr. Günther Hanke, Chef der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. In einem Brief an ABDA-Präsident Friedemann Schmidt kritisiert er nicht nur die vorgeschlagene Festschreibung des 2,50-Euro-Bonus für die ausländischen Versender, sondern äußert auch grundsätzliche Zweifel an der Aufrichtigkeit des Ministers. Denn während der ABDA-Mitgliederversammlung soll dieser die Apotheker unter Druck gesetzt haben. Hanke spricht von einer „erpresserischen Art und Weise“.

Sehr wichtig wird die Reaktion des LAV Baden-Württemberg sein, da DAV-Chef Fritz Becker dem LAV als Präsident vorsteht. Entscheidet sich sein LAV dem Spahn-Paket zu widersprechen, dürfte das auch Auswirkungen auf die Stimmung in der ABDA haben. Ein Sprecher erklärte gegenüber DAZ.online, dass der Beirat des Verbandes am 9. Januar zusammenkomme, um über die Eckpunkte zu beraten.

Ursula Funke will keinen Kuhhandel

Rheinland-Pfalz: Ebenso wichtig dürfte die Reaktion der Kammer von Bundesapothekerkammer-Präsident Andreas Kiefer werden. Dazu liegen derzeit aber noch keine Informationen vor.

Der Landesapothekerverband Rheinland-Pfalz sammelt derzeit bei seinen Mitgliedern Stellungnahmen ein. Der neue Vorsitzende Andreas Hott hat in einem Info-Rundschreiben aber schon deutlich kritische Töne an den Eckpunkten geäußert. „Fakt ist, dass, wenn die Arzneimittelpreisverordnung nicht gilt, der ausländische Versender jeden Preis aufrufen kann, den er will und damit die Bonusbegrenzung ausgehebelt würde. Fakt ist weiter, dass die ausländischen Versender sich bisher auch an keinerlei rechtliche Regeln gehalten haben. Weshalb sollten sie es jetzt tun?“, heißt es dort beispielsweise. Der LAV kritisiert aber auch die ABDA für ein deutlich zu lasches Vorgehen in Sachen Gutachten zum Rx-Versandverbot. Zur Erklärung: Erst kürzlich hatte DAZ.online darüber berichtet, dass die ABDA Gutachten zur juristischen Machbarkeit des Rx-Versandverbotes in der Schublade hat – unter anderem vom ehemaligen Verfassungsrichter Udo di Fabio. Kurze Zeit später veröffentlichte die ABDA Kurzversionen dieser Gutachten in ihrem Newsroom. Der LAV dazu: „Hier stellt sich uns die Frage, warum ein solches Gutachten, das mit ABDA-Geldern finanziert wurde, dermaßen halbherzig und verschämt und mehr oder weniger beiläufig nach der ABDA-Versammlung über den ABDA-Newsroom kommentarlos veröffentlicht wird.“

Hessen: Die Reaktion des Verbandes aus Hessen könnte klarer nicht sein. In einem Infoschreiben an die Mitglieder heißt es: „Nein, die Botschaft des Bundesgesundheitsministers zur ABDA-MV gefällt uns nicht.“ Man wolle sich jetzt trotzdem mit der Kammer darüber beraten, „ob Wissen oder Wahrscheinlichkeiten die Entwicklung unseres Apothekenwesens bestimmen sollen“, schreibt der Vorsitzende Holger Seyfarth.

Auch Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke ist nicht begeistert. „Nach dem Motto ‚Zuckerbrot und Peitsche‘ macht der Bundesgesundheitsminister finanzielle Angebote“, heißt es in einer Mail an die Mitglieder. Und weiter: „Der Knackpunkt oder die Sollbruchstelle dieses Plans ist die Tatsache, dass wir keine Gleichpreisigkeit in der Versorgung der Patientinnen und Patienten haben werden, was die Tür öffnet, die Preisbindung komplett aufzuheben. Ein ‚Kuhhandel“ Geld gegen Struktur ist gerade für unsere jungen Kolleginnen und Kollegen nicht zukunftsweisend.“ Der Kammervorstand habe daher einstimmig beschlossen, an der Resolution festzuhalten, in der die Kammerversammlung sich kürzlich explizit für die Gleichpreisigkeit ausgesprochen hatte.

Saarland: Ebenso groß ist die Ablehnung gegen die Rx-Boni im Saarland. In einem gemeinsamen Brief an die Apotheker von Kammer und Verband wird ebenfalls von „Chancen“ und „Risiken“ gesprochen. Am 3. Januar wollen sich die Apotheker zu einer gemeinsamen Sitzung treffen, um ein Vorgehen zu beschließen. Deutliche Kritik üben Kammer und Verband aber am Auftritt Spahns in der ABDA-MV. Zum Rx-Versandverbot soll Spahn gesagt haben: „Ich sag´s so: Dann ist meine politische Kraft so gebunden, dann habe ich keine Kraft mehr für andere Dinge“. Auch sei bei dem Wunsch der Apotheker nach einem Verbot „seine Power nicht ausreichend, das 2hm-Gutachten aus dem Blick des Bundesministeriums für Wirtschaft hinaus zu rücken“.

Apothekerkammer Nordrhein: Die Kammer Nordhrein hat sich in ihrem Vorstand mit den Eckpunkten beschäftigt. Das Votum fiel klar negativ aus. Die Apotheker begrüßen zwar die „zielgerichteten Vorschläge zur Verbesserung der pharmazeutischen Versorgungssituation der Patientinnen und Patienten und zur Stärkung der flächendeckenden Versorgung“. Aber eine Zustimmung ist aus Nordrhein nicht möglich. Denn: „Dem einheitlichen Arzneimittelpreis, der Versorgungsgerechtigkeit für alle Bürgerinnen und Bürger in unserem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem schafft, der für die gesundheits- und sozialpolitische Ausgestaltung unserer Arzneimittelversorgung zentrale Bedeutung besitzt, würde der Todesstoß versetzt!“

ABDA: Wenn wir zustimmen, wird das BMWi-Gutachten fallengelassen

Die ABDA hat am heutigen Freitag ein Rundschreiben an die 34 Mitgliedsorganisationen geschickt, in dem sie die genauen Pläne des Ministers nochmals vorstellt. Unter anderem weist die ABDA die Kammern und Verbände darauf hin, dass es sich laut Spahn um ein „Gesamtpaket“ handle: „Sollte ein Teil sich politisch oder rechtlich nicht umsetzen lassen, will das BMG von dem Vorhaben Abstand nehmen“, teilt die ABDA mit.

Dass Spahn das BMWi-Gutachten nur im Falle einer Zustimmung der Apotheker fallen lassen will, macht die ABDA ebenfalls nochmals deutlich. „Wenn dem Gesamtpaket zugestimmt wird, ist das Gutachten keine Grundlage mehr für weitere Betrachtungen“, heißt es in dem Rundschreiben. Außerdem weist die ABDA darauf hin, dass mit der Umsetzung der pharmazeutischen Dienstleistungen „langjährige Anliegen“ der ABDA erfüllt würden.

Als weitere Vorschläge wolle man in die Debatte einbringen, dass PKV-Versicherte in das Paket eingebracht werden, das war bislang nicht der Fall. Ebenso will die ABDA für eine „Dynamisierung“ werben. Zur Erklärung: Der DAV plädiert seit Jahren dafür, dass das Apothekenhonorar nach festgestellten Kriterien regelmäßig automatisch überprüft und angepasst wird.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Trio zwischen „stolpern und fallen“ ... „Unwache Bei Der Arbeit“ ...

von Christian Timme am 22.12.2018 um 1:26 Uhr

Wenn 31 an 3 etwas „delegieren“ ... sollte der „Winterschlaf“ einem „Wachschlaf“ weichen ... oder braucht es in Berlin noch weitere Apotheken?

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