Ökotest checkt Vitamin D

Bei Vitamin-D-Mangel zu Arzneimitteln greifen

Stuttgart - 29.11.2018, 07:00 Uhr

Gesunde brauchen keine Nahrungsergänzungsmittel, auch nicht mit Vitamin D, findet Ökotest. (s/ Foto: ExQuisine / stock.adobe.com)

Gesunde brauchen keine Nahrungsergänzungsmittel, auch nicht mit Vitamin D, findet Ökotest. (s/ Foto: ExQuisine / stock.adobe.com)


„Lieber in die Sonne“, urteilt Ökotest zu Vitamin D. Jedoch nicht alle von dem Verbraucherschutzmagazin untersuchten Vitamin-D-Präparate missfallen diesem: Mangelhaft und ungenügend attestiert Ökotest nur den Nahrungsergänzungsmitteln. Bei Vitamin-D-Arzneimitteln aus der Apotheke hingegen ist die Wirksamkeit belegt – das schlägt sich in der Bewertung nieder: „sehr gut“ und gut“.

Arzneimittel top und Nahrungsergänzungsmittel flop – zu diesen Urteilen kommt Ökotest nicht selten, wenn das Verbraucherschutzmagazin Präparate testet, die teilweise als Arzneimittel zugelassen und teilweise als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) registriert sind. So auch im aktuellen Test, bei dem der kritische Blick der Verbraucherschützer Vitamin D galt. „Wir haben 21 Vitamin-D-Präparate getestet: Fünf rezeptfreie Arzneimittel und 16 Nahrungsergänzungsmittel, die es vor allem in Drogerie- und Supermärkten zu kaufen gibt“, schreibt Ökotest.

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Vitamin D als Arzneimittel

Ökotest untersuchte Dekristol 1.000 I.E., Vigantol 1.000 I.E., Vitagamma 1.000 I.E., Vitamin D Sandoz 1.000 I.E. und Vitamin D3 Hevert. Die Verbraucherschützer überzeugen die Arzneimittel – durch die Bank regnet es Höchstnoten mit viermal „sehr gut“ und einmal „gut“ für Vitamin D 3 von Hevert. Die Wirksamkeit der Arzneimittel ist belegt – was Voraussetzung für ihre Zulassung war –, und sie enthalten auch keine bedenklichen Hilfsstoffe – was auch Bedingung für eine Arzneimittelzulassung ist (Unbedenklichkeit). Verbesserungswürdig findet Ökotest lediglich die Verpackungen, da diese PVC oder PVDC oder chlorierte Verbindungen enthalten. Bei Vitamin D3 von Hevert sorgt ein Deklarationsmangel für eine Note Abwertung. Warum?

Hevert verweist auf potenziellen Nutzen von Vitamin D3 bei Krebs und MS

 „Auf der Rückseite des Beipackzettels der Vitamin D3 Hevert Tabletten weist der Text auf einen Zusammenhang zwischen Vitamin D und Krebserkrankungen, multipler Sklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus hin“, erklärt Ökotest. Jedoch sei nicht belegt, ob Vitamin D tatsächlich vor diesen Erkrankungen schütze, was den Verbraucher verunsichere. DAZ.online hat sich die Gebrauchsinformation des Vitamin-D-Präparates angeschaut – allerdings diese Informationen dort nicht gefunden. Lediglich eine separate „Minibroschüre“ und ein „Gesundheitsratgeber“ informieren über die potenziellen Zusammenhänge.

Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel: überflüssig

Bei Vitamin-D-Präparaten, die als Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr sind, sieht Ökotest rot. Grundsätzlich haben die Verbraucherschützer ein Problem, dass Nahrungsergänzungsmittel für den gesunden Verbraucher keinen Nutzen haben – und liegt eine Unterversorgung mit Vitamin D vor, ist ein Arzneimittel medizinisch indiziert. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) findet eine Supplementierung nur bei Patienten sinnvoll, die unzureichend mit Vitamin D versorgt sind und dies ärztlich auch festgestellt wurde. Auch sollte eine exogene Zufuhr mit Vitamin D unter ärztlicher Kontrolle erfolgen.

Vitamin D: Ab wann besteht ein Mangel?

Ein Vitamin-D-Mangel liegt bei Serumkonzentrationen kleiner 30 nmol/l (12 ng/ml) vor. Für eine gute Vitamin-D-Versorgung bezogen auf die Knochengesundheit ist bei Serumwerten von 50 nmol/l (20ng/ml)  auszugehen. Eine suboptimale Versorgung ist jedoch noch kein Mangel, und ein manifestes Vitamin-D-Defizit ist tatsächlich selten. Jedoch erreichen 60 Prozent der deutschen Bevölkerung den angestrebten Serumwert von 50 nmol/l nicht. Allgemeine Lehrmeinung ist, dass ohne Vitamin-D-Mangel auch nicht supplementiert werden soll.

Vitamin-D: Zufuhr von 20 µg pro Tag

Bei fehlender endogener Synthese gelten als DGE-Referenzwerte für eine Vitamin-D-Zufuhr 20 µg pro Tag, und zwar für alle Personen ab einem Alter von zwölf Monaten. Diese Empfehlungen gelten seit Januar 2012. Zuvor lag die empfohlene Vitamin-D-Zufuhrmenge bei 5 µg pro Tag, wobei hier die endogene Synthese berücksichtigt wurde, und der neue und alte Wert somit nicht direkt vergleichbar sind.
Eine Vitamin-D-Intoxikation ist weder möglich durch übliche Lebensmittel, noch durch übermäßige UV-B-Strahlung. Allerdings können durch Supplemente Hypervitaminosen entstehen. Kritischer Effekt ist hierbei ein Hypercalcämie.

Vitamin D: Endogene Synthese und exogene Zufuhr

Das landläufig als Vitamin D bezeichnete Colecalciferol ist kein Vitamin im eigentlichen Sinne. Colecalciferol muss nicht zwingend mit der Nahrung aufgenommen werden, der Körper ist in der Lage, das Hormon in der Haut unter Einwirkung von UV-B-Licht selbst zu produzieren. Sowohl endogen gebildetes als auch extern zugeführtes Colecalciferol wird in der Leber hydroxyliert (Calcidiol) und anschließend unter anderem in der Niere erneut zu Calcitriol hydroxyliert. 80 bis 90 Prozent des Vitamin-D-Bedarfs deckt der Körper über die endogene Synthese – die jedoch je nach Hauttyp, Jahreszeit und Breitengrad und somit Intensität der Sonnenexposition schwankt. Nur 10 bis 20 Prozent des Vitamin-D-Bedarfs müssen über die Ernährung gedeckt werden. 

Professor Dr. Martin Smollich, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des Uniklinikums Schleswig-Holstein, ist hier etwas liberaler eingestellt. Im Interview mit Ökotest erklärt Smollich, dass vor dem Hintergrund, dass  Vitamin-D-Spiegel-Bestimmungen im Labor recht teuer sind (25 bis 40 Euro) und 800 bis 1.000 I.E. Vitamin D „praktisch ohne Risiko“ seien, man bei einer solchen Nutzen-Risiko-Abwägung schon mal ein Auge zudrücken und von der reinen Lehre abweichen könne.

Nahrungsergänzungsmittel maximal unreguliert

Der Körper unterscheidet natürlich nicht, ob er ein Arzneimittel mit Vitamin D erhält oder ein NEM. Allerdings – und das ist die Krux an der Sache – sind NEM maximal unreguliert. Nur Arzneimittel bis 1.000 I.E. (25 µg) pro abgeteilter Darreichungsform sind verschreibungsfrei

  • zur Vorbeugung gegen Rachitis und Osteomalazie bei Kindern und Erwachsenen,
  • zur Vorbeugung gegen Rachitis bei Frühgeborenen,
  • zur Vorbeugung bei erkennbarem Risiko einer Vitamin-D-Mangelerkrankung bei ansonsten Gesunden ohne Resorptionsstörung bei Kindern und Erwachsenen,
  • zur unterstützenden Behandlung der Osteoporose bei Erwachsenen.

Arzneimittel mit einer deklarierten Tagesdosis von mehr als 1.000 I.E. Colecalciferol  unterliegen in Deutschland der Verschreibungspflicht. Bei NEM hingegen fehlen Höchstmengen, und zwar auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Auch müssen die Inverkehrbringer keinen Wirksamkeitsnachweis liefern.

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Bis 4.000 I.E. Vitamin D gelten als unbedenklich

Dieser unregulierte Markt stört Ökotest. Vor allem, dass manche Hersteller von NEM sich von den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und dem BfR wenig beeindrucken lassen. Acht NEM überschreiten die vom BfR empfohlene Höchstmenge von 20 µg pro Tag. Für diese NEM reicht die Bewertung von Ökotest gerade einmal noch für „mangelhaft“ bis „ungenügend". Neben einigen NEM aus dem Drogeriemarktsortiment (Das gesunde Plus Vitamin D), Reformhaus (Vitamin D3 Salus) trifft es auch Vitamin D von Verla. 

Zwar gelten Vitamin-D-Präparate „bis zu 4.000 I.E. täglich noch als vertretbar", erklärt Smollich hierzu, jedoch gebe es für eine solche Zufuhr der unspezifischen Prophylaxe keine vernünftigen Gründe. Stelle der Arzt einen schweren Vitamin-D-Mangel fest, so könne er ein hochdosiertes Präparat „zum Auffüllen“ verordnen. Das betonte auch Dr. Verena Stahl, Apothekerin, beim Herbstkongress der Landesapothekerkammer 2018 in Heidelberg. Sie sieht Vitamin-Präparate mit 4.000 I.E. lediglich als „Anschubfinanzierung" gerechtfertigt, um später auf gering dosierte Präparate zu wechseln.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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