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Pille und Thromboserisiko
Yasminelle-Prozess: Gericht rät zur Einigung, Bayer sieht keine Grundlage
Im seit 2011 dauernden juristischen Streit um mögliche Gefahren der Anti-Baby-Pille Yasminelle hat das Landgericht Waldshut-Tiengen zur Einigung aufgerufen. Am gestrigen Donnerstag ist erstmals ein medizinischer Gutachter gehört worden: Demnach seien andere Ursachen als die Einnahme der Pille für den gesundheitlichen Schaden der Klägerin sehr unwahrscheinlich. Ein Vergleich vor Gericht oder eine außergerichtliche Einigung sind nach Ansicht der Vorsitzenden Richterin die beste Lösung.
Laut der Vorsitzenden Richterin des Landgerichts Waldshut-Tiengen ist der Fall um die möglichen Gefahren der Pille Yasminelle® komplex und schwierig. Deshalb sei sie ein Vergleich vor Gericht oder eine außergerichtliche Einigung die beste Lösung, heißt es in einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Werde bis zum 20. Dezember keine Einigung erzielt, drohe ein Prozess, der für beide Seiten ein hohes Risiko berge und weiterhin Jahre dauern könnte.
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Das Verfahren läuft bereits seit 2011. Den ersten und bis zum gestrigen Donnerstag einzigen Verhandlungstermin hatte es im Dezember 2015 gegeben. Zuvor hatten sich die Beteiligten schriftlich ausgetauscht. Nach der Verhandlung im Dezember 2015 beauftragte das Gericht einen medizinischen Experten, der am gestrigen Donnerstag vor der Zivilkammer sein Gutachten erläuterte.
Laut dem medizinischen Gutacher sei die lebensgefährliche Krankheit der Frau zwar mit großer Wahrscheinlichkeit auf die vorherige Einnahme der Pille zurückzuführen, andere Ursachen seien sehr unwahrscheinlich. Sie könnten jedoch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden.
Richterin: Gutachten lässt viele Fragen offen
Nach dem Gutachten blieben viele Fragen offen, sagte die Richterin. Es gebe viele Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten. Die Richterin kam zu dem Schluss, dass es um komplizierte juristische, medizinische und Haftungsfragen gehe, die nur schwer eindeutig beantwortet werden können.
Nach der Einnahme von Yasminelle® soll die Klägerin im Juni 2009 eine beidseitige Lungenembolie sowie einen Kreislaufzusammenbruch mit Herzstillstand erlitten haben und dabei fast gestorben sein. Noch heute leide sie unter den Folgen und könne wegen der gesundheitlichen Probleme keine Kinder mehr bekommen. Sie macht die Pille mit ihrem Wirkstoff Drospirenon für ihre gesundheitlichen Probleme verantwortlich und fordert von Bayer Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 200.000 Euro.
Klägerin könnte sich eine Einigung vorstellen
Die Klägerin sowie ihr Anwalt sagten, sie könnten sich eine Einigung vorstellen. Wird der Prozess dennoch fortgeführt, dürfte die zeit- und arbeitsintensive Aufarbeitung grundsätzlicher Fragen auch für die Klägerin eine Belastung darstellen.
Bayer sieht keine Grundlage für Einigung oder Vergleich
Der Pharmakonzern hält laut dpa die in der Klage geltend gemachten Ansprüche für unbegründet: Für den Rechtsanwalt des Unternehmens gebe es keine Beweise, dass die Anti-Baby-Pille für die gesundheitlichen Probleme der Klägerin verantwortlich sei. Durch wissenschaftliche Daten sei bestätigt, dass von der Pille und dem Wirkstoff bei korrekter Einnahme nicht die Gefahr ausgehe, wie sie in der Klage genannt werde. Für eine Einigung oder einen außergerichtlichen Vergleich gebe es derzeit keine Grundlage, so der Rechtsanwalt.
Um die Verordnung der Pille für die Zukunft sicherer zu gestalten, hatte im Januar 2014 das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Rote-Hand-Brief zum Thema veröffentlicht: „Kombinierte hormonale Kontrazeptiva: Unterschiede hinsichtlich des Thromboembolie-Risikos unterschiedlicher Präparate“. Außerdem wurde eine Checkliste für die Verschreibung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva zur Verfügung gestellt.
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Weniger Pillen mit hohem, aber mehr mit unklarem Risiko
Im Juni 2017 hat das BfArM schließlich Bilanz gezogen, was die ergriffenen Maßnahmen gebracht haben: Laut BfArM werden weniger „Pillen“ mit dem höchsten Thromboserisiko verordnet als noch vor einigen Jahren. Bedenklich ist allerdings, dass im selben Zeitraum die Zahl der Verordnungen der kombinierten, hormonellen Kontrazeptiva, deren Risiko noch nicht abschließend bewertet ist, stark zugenommen hat. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) kam bei einer Analyse der GKV-Verordnungsdaten zu oralen Kontrazeptiva zu ähnlichen Ergebnissen.
Vertrieben wird Yasminelle® heute durch die Bayer-Tochter Jenapharm. Diese hatte das „Woman’s Health-Portfolio“ im Januar 2014 von Bayer übernommen.
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