Retax-quickie

Wann eine Wirkstoffverordnung keine gute Idee ist

Stuttgart - 21.09.2018, 12:00 Uhr

Uneindeutige Verordnungen machen allen Beteiligten Arbeit. (m / Foto: Minerva Studio / stock.adobe.com)             

Uneindeutige Verordnungen machen allen Beteiligten Arbeit. (m / Foto: Minerva Studio / stock.adobe.com)             


Ob der Arzt einen Wirkstoff oder ein Handelspräparat verordnet, spielt bei rabattierten Arzneimitteln nur eine untergeordnete Rolle – abgegeben wird der Rabattartikel, so er denn verfügbar ist. Bei manchen Wirkstoffen hingegen sind Wirkstoffverordnungen ein No-Go und erfordern eine neue Verordnung.

Bei einer reinen Wirkstoffverordnung darf die Apotheke in der Regel eines der drei preisgünstigsten Präparate abgeben – vorausgesetzt natürlich, es gibt keinen Rabattvertrag, der etwas anderes vorsieht. Dann haben rabattierte Mittel, sofern sie lieferbar sind, Vorrang. Bei der generischen Verordnung besagt § 4 (1) a Rahmenvertrag, dass verschiedene Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe und Derivate eines Wirkstoffes als ein und derselbe Wirkstoff gelten, außer ihre Eigenschaften unterscheiden sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erheblich hinsichtlich der Unbedenklichkeit und der Wirksamkeit.

Manchmal kann aber eine Wirkstoffverordnung auch gar nicht beliefert werden, sondern es braucht ein neues Rezept bzw. eine Änderung durch den Arzt. Ein solcher Fall sind Wirkstoffe der Substitutionsausschlussliste: „L-Thyroxin“ ohne einen Hersteller zu nennen – da bleibt der Apotheke nur, Kontakt zum Arzt aufzunehmen. Ärgerlicherweise gibt es immer wieder Praxen, die Apothekenmitarbeiter abwimmeln und sie mit Aussagen wie  „Wir ändern grundsätzlich keine Rezepte!“ gar nicht erst mit dem Arzt sprechen lassen, wie das DeutscheApothekenPortal berichtet. Der Dumme ist am Ende der Patient, dessen Rezept nicht beliefert werden kann und der sich dann vielleicht am Ende sogar noch über die in seinen Augen „zickige“ Apotheke ärgert.

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Ähnlich, aber nicht gleich

Eine weitere Gruppe, bei der man mit generischen Verordnungen nicht weiterkommt und bei der zudem ein Retax auch noch richtig teuer werden kann, sind Biologicals. Bei diesen Arzneimitteln, zu denen zum Beispiel Antikörper gehören, ist die Definition, was als wirkstoffgleich betrachtet wird, enger gefasst. So heißt es in § 4 (1) a Rahmenvertrag:


„Wirkstoffgleich sind auch biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, sofern diese auf das jeweilige Referenzarzneimittel Bezug nehmend zugelassen sind und sich in Ausgangsstoffen und Herstellungsprozess nicht unterscheiden; die Verpflichtung der Apotheke zur Berücksichtigung dieser Arzneimittel bei der Auswahl besteht für in Anlage 1 in der jeweils gültigen Fassung als untereinander wirkstoffgleich aufgeführte Arzneimittel.“

§ 4 (1) a Rahmenvertrag


Biologikaverordnungen immer produktbezogen

Es dürfen also nur Präparate gegeneinander ausgetauscht werden, die in Anlage I als sogenannte Bioidenticals gelistet sind. Denn bei Biosimilars gilt die Devise „the product is the process”, man geht also nur bei einem identischen Herstellungsprozess von einem wirkstoffgleichen Produkt aus. Solange noch Patentschutz besteht, ist eine reine Wirkstoffverordnung zumindest diesbezüglich eindeutig. Sobald Biosimilars verfügbar sind, ist sie das nicht mehr. Ein weiteres Problem neben dem fehlenden Referenzprodukt ist bei einer Wirkstoffverordnung, dass der Arzt keinen Preisanker setzt. 

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Somit sollten Biologikaverordnungen immer produktbezogen erfolgen. Ist eine Verordnung nicht eindeutig und die Unklarheiten lassen sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht klären, kommt  §17 (5) ApBetrO zum Tragen. Der besagt: 


(5) Die abgegebenen Arzneimittel müssen den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Arzneimittelversorgung entsprechen. Enthält eine Verschreibung einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum, ist sie nicht lesbar oder ergeben sich sonstige Bedenken, so darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden, bevor die Unklarheit beseitigt ist.“

 § 17 (5) ApBetrO


Das heißt, unter Umständen kann der Patient einfach nicht versorgt werden.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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