Linezolid

Sollten Reserveantibiotika unter Festbetrag stehen?

Berlin - 19.07.2018, 16:15 Uhr

Streitpunkt Reserveantibiotika: Der G-BA findet, dass auch Linezolid ein Festbetragsarzneimittel sein soll. Hersteller meinen, dass die Selbstverwaltung den Bogen der Wirtschaftlichkeit überspannen. (Foto: Imago)

Streitpunkt Reserveantibiotika: Der G-BA findet, dass auch Linezolid ein Festbetragsarzneimittel sein soll. Hersteller meinen, dass die Selbstverwaltung den Bogen der Wirtschaftlichkeit überspannen. (Foto: Imago)


Alle paar Monate wird es für einige Patienten teurer: Zuvor zuzahlungsfreie Medikamente kosten unter Umständen auf einmal Gebühren - nicht selten wird der erste Ärger an den Apothekern ausgelassen. Hintergrund sind Aktualisierungen der Festbeträge, wie sie etwa zum 1. Oktober wieder einmal in Kraft treten. Umstritten ist dabei unter anderem der G-BA-Beschluss zu dem Reserveantibiotikum Linezolid. Die Einspruchsfrist für das BMG läuft am heutigen Donnerstag ab. 

„Wieso muss ich jetzt mehr bezahlen?“ – solche Kundenfragen werden sich ab Anfang Oktober wieder mal in den Apotheken häufen. Denn ab dem dritten Quartal 2018 sollen neue Festbeträge gelten. Auch das Reserveantibiotikum Linezolid soll in einer Festbetragsgruppe einsortiert werden, darunter auch eine orale Darreichungsform, die in der Praxis bei Kindern angewandt wird. Am heutigen Donnerstag läuft die Frist für das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ab, der Neuregelung zu widersprechen. Doch wie kommen Festbeträge eigentlich zustande? 

Teamwork der Selbstverwaltungen

Das Festbetragssystem wird von den Selbstverwaltungsorganen Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) und GKV-Spitzenverband (GKV-SV) gestaltet und soll die Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen steigern. Dabei legt der G-BA die Gruppenbildung fest und der GKV-SV die zugehörigen Höchstpreise. Zu den Gruppenbildungen kann das BMG bis zu vier Wochen lang nach der Veröffentlichung des G-BA-Beschlusses Einwände erheben.

In dem aktuellen Beispiel hat der G-BA den Beschluss am 21. Juni veröffentlicht und das BMG hätte diesen bis zum heutigen Donnerstag beanstanden können. Interessanterweise wartet der GKV-SV diese Frist jedoch selten ab und hatte auch in diesem Fall sein vierwöchiges Stellungnahmeverfahren für die Preisbildung bereits am 22. Juni gestartet. Anscheinend kommt es selten vor, dass das BMG Einwände gegen G-BA-Beschlüsse erhebt.

„Kann-Regelung“ zu Reserveantibiotika

Bereits im Vorfeld des G-BA Beschlusses zu Linezolid hatte es kontroverse Diskussionen mit den betroffenen Herstellern gegeben. Hintergrund ist, dass es sich bei Linezolid um ein Reserveantibiotikum handelt, das bei Vancomycin-resistenten Keimen als Mittel der ersten Wahl gilt. Und knapp zwei Monate vor der Eröffnung des Stellungnahmeverfahrens vor etwa einem Jahr durch den G-BA trat am 13. Mai 2017 eine Aktualisierung des GKV-Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-AMVSG) in Kraft. Durch diese Gesetzesänderung können Reserveantibiotika, die für die Versorgung von Bedeutung sind, von der Festbetragsgruppenbildung ausgeschlossen werden.

Da Linezolid auf der BfArM-Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe steht und laut der WHO als essenzielles Arzneimittel gilt, dürfte das Antibiotikum die Voraussetzungen zwar erfüllen. Allerdings handelt es sich beim GKV-AMVSG um eine „Kann“-Regelung, weshalb der G-BA kein Problem darin sieht, alle oralen Linezolid-Darreichungsformen in einer Festbetragsgruppe zusammen zu fassen. Zudem ist nach Meinung des G-BA die Versorgung durch die Festbetragsgruppenbildung nicht gefährdet.

Trivialisierung von Reserveantibiotika?

Die betroffenen Hersteller kritisieren, dass diese Gruppenbildung der ursprünglichen Zielsetzung des Gesetzgebers widerspricht. So argumentiert im Stellungnahmeverfahren stellvertretend der Bundesverband der Arzneimittehersteller (BAH): „Ziel des GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes (GKV-AMVSG) ist es, besagte Antibiotika aus dem System der Festbetragsbildung herauszunehmen, damit nicht die Resistenzgefahr durch einen unsachgemäßen Verbrauch steigt. Die geplante Gruppenbildung konterkariert sehenden Auges dieses politische Ziel.“

Sollte die Festbetragsgruppenbildung in Kraft treten, befürchten die Hersteller einen unsachgemäßen Mehrgebrauch und damit eine Trivialisierung der Reservesubstanz, vor der auch Infektions-Experten warnen würden. Der Hersteller des Originalproduktes Zyvoxid®, Pfizer, verweist dabei auf mehrere globale wissenschaftliche Initiativen zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. „Es ist gerade widersinnig, wenn weltweit von allen Regierungen versucht wird, die Entwicklung neuer Antibiotika zu fördern und der G-BA in Deutschland Reserveantibiotika mit Festbeträgen stranguliert“, erklärt der Originalhersteller in seiner Stellungnahme.

Strittiges Granulat

Weitere Diskussionen zwischen Originalhersteller und Selbstverwaltung drehten sich um spezielle Darreichungsformen. So fällt in die Gruppe „alle oralen Linezolid-Darreichungsformen“ auch ein Zyvoxid®-Granulat zur Herstellung einer Suspension. Diese Darreichungsform eignet sich beispielsweise für Patienten mit Schluckbeschwerden. In der klinischen Praxis wird die Antibiotika-Suspension auch bei Kindern, die keine Tabletten schlucken können oder wollen, angewandt. Diese pädiatrische Anwendung wird durch Sicherheitsdaten an über 500 Patienten untermauert.

Das Zyvoxid® -Granulat verfügt jedoch nicht über eine pädiatrische Zulassung, weswegen der G-BA kein Alleinstellungsmerkmal gesehen hatte. Außerdem verweist der G-BA in seinen tragenden Gründen darauf, dass Linezolid auch als Infusionslösung zur Verfügung steht. Bei der parenteralen Anwendung liegt allerdings die gleiche Zulassungssituation vor wie beim Granulat.

Dieser Beschluss wird nicht nur von Pfizer sondern auch von der Interessensvertretung der Generika-Hersteller, Pro Generika, kritisiert: „Linezolid Granulat hat keine spezielle Kinderzulassung, ist aber bei schweren MRSA-Infektionen die einzige Darreichungsform, mit der bei Kindern körpergewichtsadjustiert therapiert werden kann. Daneben wird es für die enterale Applikation benötigt. Bei Linezolid Granulat handelt es sich somit um eine eigenständige Darreichungsform, die nach den Kriterien des § 35 SGB V nicht in die gleiche Festbetragsgruppe wie die Linezolid-Tabletten eingruppiert werden kann.“



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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