In der aktuellen DAZ finden Sie unter „Pro & Kontra“ die vollständigen Meinungsbeiträge von Prof. Dr. Thorsten Lehr und Dr. Peter Kaiser sowie weitere Informationen zum Thema „Pflichtfortbildung für Apotheker“
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Apotheker müssen sich fortbilden – so steht es in der Berufsordnung. Einerseits gibt es Kollegen, die ihr gesamtes Berufsleben lang eifrig Punkte und Zertifikate sammeln. Andererseits gibt es auch diejenigen, deren Wissen vor allem aus dem Studium stammt. Zwei Extreme, die zur entscheidenden Frage führen: Sollten Fortbildungen verpflichtend sein und Verstöße bestraft werden? In unserer DAZ-Rubrik „Pro & Kontra“ möchten wir sowohl die eine als auch die andere Seite zu Wort kommen lassen. Unsere Leser haben hier die Möglichkeit, abzustimmen und zu kommentieren.
Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die man bei fast jeder Fortbildungsveranstaltung trifft. Auch liest man gefühlt immer die gleichen Namen derer, die ihre gesammelten Punkte für das Fortbildungszertifikat einlösen. Die Bereitschaft, sich ein ganzes (Berufs-)Leben lang fort- und weiterzubilden, ist bei den Apothekern unterschiedlich ausgeprägt. So verfügen in Baden-Württemberg nur 6,8 Prozent aller Kammermitglieder über ein gültiges Fortbildungszertifikat. In Westfalen-Lippe hat es fast jeder dritte Approbierte. Im Jahr 2017 wurden bundesweit 2.100 Fortbildungszertifikate erteilt. Weitere Statistiken darüber, wie viele Apothekerinnen und Apotheker sich regelmäßig fortbilden, werden von der Bundesapothekerkammer nicht veröffentlicht – auch nicht auf Nachfrage. Sind die Ergebnisse in ganz Deutschland so miserabel? Oder will man eine Neid-Debatte zwischen den Landesapothekerkammern verhindern?
Es geht bei weitem nicht nur um Statistik: Die Anzahl der gültigen Fortbildungszertifikate sagt nichts darüber aus, wer sich wie fortbildet und ob die gesammelten Punkte überhaupt bei den Kammern eingereicht werden. Möglicherweise schlummern in vielen Schubladen nicht eingereichte Fortbildungspunkte, weil der Aufwand, sich seine Punkte anerkennen zu lassen, nicht im Verhältnis zum erkennbaren Nutzen eines Zertifikats steht.
Und überhaupt: Was soll ein Industrieapotheker auf einer Fortbildungsveranstaltung für seine Berufskollegen im Krankenhaus? Wird sich der Apotheker aus Wissenschaft und Forschung für eine Fortbildung zur Beratung im Handverkauf anmelden?
Bei der aktuellen Diskussion über eine Pflichtfortbildung für Apotheker und mögliche Sanktionen sind sich Befürworter und Gegner einig: Das Ziel muss die bestmögliche Versorgung und Beratung der Kunden und Patienten sein. Doch wie misst man den Erfolg? Und wer bestraft die Verweigerer - mit welchen Mitteln?
Pro - „Es sollte verpflichtende Themenkomplexe geben“
„Die Hälfte aller medizinischen Übersichtsarbeiten ist nach fünf Jahren veraltet. Medizinische Leitlinien werden etwa alle drei Jahre überarbeitet.“ Prof. Dr. Thorsten Lehr ist Apotheker und an der Universität des Saarlandes für das Fach Klinische Pharmazie zuständig. Er betrachtet es mit Sorge, wenn sich seine Berufskollegen nur auf das im Pharmaziestudium vermittelte Wissen verlassen würden.
Aktuell gäbe es Apotheker, deren Studium schon so weit zurückliegt, dass sie sich hauptsächlich mit der Herstellung und Verteilung von Arzneimitteln beschäftigt haben. Jüngere Berufskollegen würden dagegen auch in der Optimierung der Arzneimitteltherapie ausgebildet werden. Eine Befähigung, die in der heutigen Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt.
„Was zum Zeitpunkt der Approbation Goldstandard war, gehört heute vielleicht schon zur Reservemedikation“, bringt es Lehr auf den Punkt. Um eine sichere und professionelle Patientenversorgung zu gewährleisten, müsse es daher eine konsequente, lebenslange und verpflichtende Fortbildung geben.
Einerseits seien dafür regelmäßige Kontrollen und „radikale Konsequenzen“ notwendig, wenn die Pflichtfortbildung versäumt wird („Im schlimmsten Fall der Approbationsentzug“). Andererseits müssten die Kammern aber auch gewährleisten, dass bei ihren Fortbildungen das Angebot und die Qualität stimmen. Webinare könnten zum Beispiel den Kostenaufwand verringern. „Sitzscheine“ und „firmengesponsertes Wissen“ sollte es dagegen nicht geben.
Kontra - „Berufspolitischer Selbstmord“
„Wenn ich Kollegen zwinge, Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen, an Webinaren teilzunehmen oder ein Literaturstudium zu betreiben, dann glaube ich kaum, dass diese dann hinterher mit besserer Beratung trumpfen werden.“ Dr. Peter Kaiser, Apothekeninhaber aus der Nähe von Stuttgart, will sich das Szenario nicht ausmalen, wenn die Landesapothekerkammern damit beginnen, neben ihrem eigenen Fortbildungsangebot auch als Akkreditierungsstelle zu dienen und Sanktionen gegen ihre eigenen Mitglieder auszusprechen. „Von Gewaltenteilung kann keine Rede mehr sein“, merkt er an.
Kaiser ist als Rechnungsführer und Vorstandsmitglied in der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg aktiv und stellt klar: „Ich bin kein Gegner von Fortbildungen. Aber die Offizinapotheker ertrinken doch ohnehin in Bürokratie. Eine sanktionierte Pflichtfortbildung würde den Unmut unter den Kollegen verstärken.“
Für ihn stellt sich die Frage, ob man durch Zertifikate und Sanktionen überhaupt besser wird. Außerdem würden Kollegen, die gezwungenermaßen Fortbildungsveranstaltungen besuchen, diejenigen stören, die wirklich Interesse haben. Und bei Nichterreichen der Punktzahl jemandem die Approbation zu entziehen, wäre eine „vollkommen überzogene und sicher nicht durchsetzungsfähige Maßnahme“, auf die eher bei Betrug oder unkollegialem Verhalten zurückgegriffen werden sollte. Er plädiert für regelmäßiges Training, eine offene Fehlerkultur und ein Belohnungssystem: „Motivation, nicht Strafe macht uns in der Beratung noch besser.“
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17 Kommentare
Pflichtfortbildung
von Franz Sedlmayr am 14.07.2018 um 10:35 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Aber sonst geht's Euch gut?
von Hummelmann am 13.07.2018 um 20:32 Uhr
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Inländerbenachteiligung
von Kassensklave am 13.07.2018 um 8:23 Uhr
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AW: Internationale Vergleichbarkeit
von Holger am 13.07.2018 um 8:32 Uhr
AW: Sind's eben ausländische Kindergärten
von Wolfgang Müller am 13.07.2018 um 12:54 Uhr
Vertoß, Prüfung Fortbildung Lust
von Sven Larisch am 13.07.2018 um 7:59 Uhr
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Zwangsfortbildung
von hermine minges am 12.07.2018 um 19:46 Uhr
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Im Ernst?
von Jonas Lüdtke am 12.07.2018 um 18:00 Uhr
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Worum geht´s eigentlich wirklich?
von Wolfgang Müller am 12.07.2018 um 16:35 Uhr
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Konsequenz? Auch PTA/ PKA
von Apotheker4711 am 12.07.2018 um 13:07 Uhr
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Überlebenspflicht
von Reinhard Rodiger am 12.07.2018 um 13:04 Uhr
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AW: Überlebenspflicht
von Kassensklave am 13.07.2018 um 8:31 Uhr
Wer bestimmt die These und Antithese zur Synthese der Fortbildung
von Heiko Barz am 12.07.2018 um 10:12 Uhr
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AW: Wer bestimmt die These und Antithese
von Miroslaw Maska am 13.07.2018 um 12:24 Uhr
Fort- und Weiterbildung
von Apotheker4711 am 12.07.2018 um 8:37 Uhr
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Pflichtfortbildung
von Wolfgang Schiedermair am 12.07.2018 um 8:23 Uhr
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AW: Statement Dr. Peter Kaiser
von Nichtstörender Apotheker am 13.07.2018 um 8:23 Uhr
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