Verunreinigungen nicht auf EU beschränkt

Auch Kanada ruft Valsartan zurück, China nicht

Stuttgart - 10.07.2018, 16:40 Uhr

Laut Google Maps ist der chinesische Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical direkt am Fluss Ling Jiang im Osten von China angesiedelt. (Foto: Screenshot / Google Maps)

Laut Google Maps ist der chinesische Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical direkt am Fluss Ling Jiang im Osten von China angesiedelt. (Foto: Screenshot / Google Maps)


Vergangene Woche Donnerstag, am 5. Juli 2018, hat die Europäische Arzneimittelagentur in einer Pressemitteilung EU-übergreifende Valsartan-Rückrufe bekanntgegeben und Untersuchungen dazu eingeleitet. Seitdem wurde wenig zu den Hintergründen bekannt. DAZ.online hat bei der zuständigen Behörde nachgehakt und sich bei der internationalen Presse umgesehen: Es scheint nicht nur Europa von den Rückrufen betroffen zu sein. 

Laut der Pressemitteilung der EMA (Europäische Arzneimittelagentur) vom 5. Juli 2018 hat der chinesische Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical selbst die Rückrufe und Untersuchungen valsartanhaltiger Arzneimittel ausgelöst. Er soll die Verunreinigung N-Nitrosodimethylamin (NDMA) im Wirkstoff Valsartan detektiert haben. Mit der NDMA-Verunreinigung habe keiner gerechnet – sie war laut EMA „unexpected“. Man gehe davon aus, dass sie von einer Veränderung im Produktionsprozess des Valsartans herrührt.

Die EMA kündigte weiterhin an, dass man den Grad der NDMA-Verunreinigung untersuchen werde. In der Folge soll dann analysiert werden, welche Auswirkungen die Verunreinigung auf Patienten haben könnte, die die betroffenen Arzneimittel eingenommen haben. Im nächsten Schritt müssten dann Maßnahmen ergriffen werden, die die NDMA-Verunreinigung im Valsartan des chinesischen Herstellers in Zukunft reduzieren oder eliminieren. Als Vorsichtsmaßnahme werde die EMA auch untersuchen, ob andere valsartanhaltige Arzneimittel („valsartan medicines“) betroffen sind. Auch die EMA weist darauf hin, dass NDMA beim Menschen „wahrscheinlich karzinogen“ wirkt – basierend auf Labor-Daten. 

Seit der Pressemitteilung der EMA sind nicht viele Hintergrundinformationen an die Öffentlichkeit gedrungen. Der Informationsfluss wirkt zäh. Verantwortliche möchten keine weiteren Informationen herausgeben, ehe die Hintergründe nicht abschließend geklärt sind.

Kommunikationsprobleme?

Doch wer ist eigentlich für weitere Aufklärung und Information zuständig? Die Überwachung des Arzneimittelverkehrs und der guten Herstellungspraxis (GMP) obliegt den Bundesländern. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) koordiniert den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Landesbehörden und den europäischen Behörden. Für Fragen der Öffentlichkeit hat die Behörde extra einen FAQ-Bereich eingerichtet.

DAZ.online hat sich daher an die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) gewendet, und zwar konkret an die Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AG AATB). Die ZLG ist die Koordinierungsstelle der Länder im Human- und Tierarzneimittelbereich, sie ist die nationale Kontaktstelle.

Dort könnte man also eine zentral gesammelte Information über alle bisher erfolgten Valsartan-Rückrufe erwarten, wie sie gestern DAZ.online erstellt hat. Denn auch wenn ausdrücklich nicht auf Patientenebene zurückgerufen wird, auf DAZ.online wird das Informationsbedürfnis der Menschen und der Apotheker deutlich. Die AMK-Meldungen waren bis gestern alle einzeln herausgegeben worden und ohne Passwort nicht einsehbar. Eine Gesamtübersicht gibt es auf den AMK-Seiten nicht. Mittlerweile hat die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft eine Auflistung der betroffenen Chargen veröffentlicht, die auch ohne Passwort zugänglich ist. 

Kunde des chinesischen Herstellers gab entscheidenden Hinweis

DAZ.online hat also bei der Pressestelle der Vorsitzenden der AG AATB angefragt, welche Hintergründe bereits zu den Valsartan-Rückrufen bekannt sind. Sie ist am niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung angesiedelt.

Dort verwies man vor allem auf die bisher herausgegebenen Pressemitteilungen von BfArM und EMA. Über die Informationen der Pressemitteilung der EMA hinaus geht die Auskunft, dass davon ausgegangen wird, dass die Verunreinigung durch eine Änderung des Synthesewegs in den Wirkstoff gelangt ist. Der chinesische Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceuticals entdeckte und meldete die Verunreinigung. Neu gegenüber der EMA-Mitteilung ist, dass der Hersteller zuvor von einem seiner Kunden den Hinweis auf eine mögliche Kontamination mit einer unbekannten Verbindung erhalten haben soll.

Ob auch andere Wirkstoffhersteller betroffen sind, werde derzeit geprüft. Wie viele Produktionsstätten Valsartan herstellen, konnte man DAZ.online bei der Pressestelle nicht sagen. Es sollen jedoch keine Erkenntnisse vorliegen, dass der Qualitätsmangel mit dem Produktionsstandort China in Verbindung gebracht werden könnte.

Internationale Medien berichten

Auf CNN wird berichtet (6. Juli 2018), dass die valsartanhaltigen Arzneimittel in 22 Ländern zurückgerufen werden. Der Rückruf betreffe rund 2.300 Chargen, die nach Deutschland, Norwegen, Finnland, Schweden, Ungarn, in die Niederlande, nach Österreich, Irland, Bulgarien, Italien, Spanien, Portugal, Belgien, Frankreich, Polen, Kroatien, Litauen, Griechenland, Kanada, Bosnien und Herzegowina, Bahrain und Malta verschickt wurden. Die Rückrufe betreffen also nicht nur Europa.

USA bislang nicht betroffen

Ein Sprecher von Novartis sagte gegenüber CNN, dass die USA vom Valsartan-Rückruf nicht betroffen sind. Eine Sprecherin der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA wollte den Sachverhalt wiederum gegenüber CNN bislang nicht kommentieren. Die Situation um die NDMA-Verunreinigungen sei aber auch bei der FDA bekannt.

Der Novartis-Sprecher schrieb an CNN in einer E-Mail, dass die Menge der NDMA-Verunreinigung, die im Wirkstoff Valsartan gefunden wurde, deutlich niedriger sein soll, als die Menge an NDMA, der Patienten gewöhnlich ausgesetzt sind – kumulativ endogen und durch normale externe Exposition. Wie stark die Verunreinigung das Krebsrisiko bei Menschen tatsächlich erhöht, wisse man nicht. Demnach geht der Novartis-Sprecher davon aus, dass für Patienten, die Sandoz Valsartan and Sandoz Valsartan HCT einnehmen, durch die Verunreinigung im Wirkstoff kein signifikant erhöhtes Risiko entstehen würde.  

Das Nachrichtenportal FiercePharma berichtet ebenso (9.Juli 2018) über eine Stellungnahme von Novartis. Darin heißt es, dass Valsartan und Valsartan HCT von Sandoz, die in 23 Ländern vertrieben werden, vom Rückruf betroffen seien. Jedoch seien nicht die unter der Marke Novartis vertriebenen Produkte und auch keine US-Ware betroffen.

Statement des chinesischen Wirkstoffherstellers

Zudem soll der chinesische Wirkstoffhersteller gegenüber der Shanghaier Börse (Shanghai Stock Exchange) ein Statement abgegeben haben: Das neue Fertigungssystem sei von den mit dem Rückruf in Zusammenhang stehenden Ländern zuvor genehmigt worden. Der Gehalt an NDMA-Verunreinigung wurde weiterhin als „extremely small“ beschrieben.

Andere Wirkstoffe von Zhejiang Huahai Pharmaceutical sollen nicht betroffen sein

FiercePharma berichtet auch darüber, dass es laut dem chinesischen Wirkstoffhersteller bezüglich NDMA noch keine regulatorischen Restriktionen gibt. Jedoch habe man aus öffentlichem Interesse heraus die Herstellung und Belieferung gestoppt und sowohl Kunden als auch Behörden informiert. Der Wirkstoffhersteller engagiere sich zudem gemeinsam mit Behörden – auch der FDA – einen Industrie-Standard für NDMA zu erarbeiten.

Zhejiang Huahai Pharmaceutical soll unter den ersten chinesischen Firmen gewesen sein, deren Arzneimittel auch in den USA zugelassen wurden. Dementsprechend soll es viele FDA-GMP-Inspektionen bestanden haben. Während einer Online-Investoren-Konferenz soll die Firma am Montag erklärt haben, dass ihre anderen Produkte nicht von den Verunreinigungen betroffen seien. Sie würden anders hergestellt.

Rückrufe in Japan, Taiwan und Hong Kong – aber nicht in China

Laut FiercePharma haben auch Arzneimittelbehörden aus Japan, Taiwan und Hong Kong entsprechende Rückrufe bekannt gegeben. FiercePharma bezieht sich außerdem auf ein chinesisches Dokument, das am Montag auf dem offiziellen Social-Media-Account von Novartis China veröffentlicht wurde. Darin soll zum Ausdruck kommen, dass keines der valsartanhaltigen Präparate, die im Festland China von Novartis China vertrieben werden, vom Rückruf betroffen sind. Novartis China beziehe den Wirkstoff nämlich aus dem Ausland.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


3 Kommentare

Deklaration

von SkyWarrior am 11.07.2018 um 15:13 Uhr

Auf allen angebotenen Waren sollte deklariert werden welche Inhaltsstoffe aus welchem Land kommen...
Aber dann würde bei manchem neben Ernüchterung sich auch Unbehagen einstellen.
Doch wer möchte schon die Herde der dummen, unwissenden Verbraucher aufrütteln oder vielleicht sogar noch schützen.
Wie heisst der Ketnsatz noch mal...
Es bestand zu keiner Zeit eine Gefahr für die Bevölkerung...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

würde mich mall interessieren,

von Karl Friedrich Müller am 11.07.2018 um 13:39 Uhr

was wohl im "Bio" Produkten aus China so drin ist.

Ich lach mich tot.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

ok

von Karl Friedrich Müller am 11.07.2018 um 13:37 Uhr

Für China ist das wohl hoch rein, oder es kommt auch nicht mehr darauf an.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.