Pharmacon Meran

Hepatitis C: „Eigentlich sind alle Probleme gelöst“

Meran - 02.06.2018, 10:00 Uhr

Hepatitis C: Für neue Substanzen ist schlicht derzeit kein Platz im Markt, meint Professor Eckart Schott beim Pharmacon in Meran. (Foto: imago)

Hepatitis C: Für neue Substanzen ist schlicht derzeit kein Platz im Markt, meint Professor Eckart Schott beim Pharmacon in Meran. (Foto: imago)


Nichts Neues bei Hepatitis C? Zumindest nicht was innovative Wirkstoffe angeht, das meint zumindest Professor Eckart Schott beim Pharmacon in Meran. Allerdings: Nicht für jeden Patienten eignet sich Sofosbuvir, dann ist wiederum nicht jeder Patient ein guter Kandidat für Proteaseinhibitoren – und welcher konkrete Hepatitis-C-Patient sollte eine 60.000 Euro teure Therapie mit Vosevi® erhalten?

Noch vor wenigen Jahren war viel Bewegung im Hepatitis-C-Geschehen: Neue Arzneimittel revolutionierten die Therapie der chronifizierenden Lebererkrankung, machten diese erstmals heilbar – und ließen nicht weniger spektakulär neue Dimensionen bei Arzneimittelpreisen entstehen. Dieser „Hype“ um immer neue und  innovative Wirkstoffe gegen die Viruserkrankung ist wohl vorbei, und der Zwei-Jahres-Blick in die Zukunft ist mittlerweile nicht mehr von Forscherdrang beseelt, das meint zumindest Professor Schott beim Pharmacon in Meran. „Es gibt keine Neuentwicklungen bei Hepatitis C mehr, 2020 wird es exakt so aussehen wie jetzt“. 

Hepatitis C

Thema: Infektionskrankheiten

Hepatitis C

Warum ist das so? Laut dem Chefarzt der Klinik für Innere Medizin 2 (Gastroenterologie, Hepatologie, Diabetologie) der Helios-Klinik Emil-von-Behring in Berlin ist das Thema der medikamentösen Behandlung der Hepatitis C in den vergangenen Jahren in einem Umfang weiterentwickelt und abgeschlossen worden, was seinesgleichen in der Geschichte der Medizin sucht. Entwicklungsprogramme für neue Wirkstoffe, auch in bereits fortgeschrittenem Stadium würden abgebrochen  – für neue Substanzen ist schlicht derzeit kein Platz im Markt.

„Das Gros der Patienten ist therapiert“

Zahlen über die weltweiten Infektionszahlen bei Hepatitis C geistern in Bereichen um 170 Millionen, für Deutschland schätzt man derzeit noch 20.000 Infizierte und eine Prävalenz von 0,6 Prozent. Von den sieben bekannten Genotypen spielt in Deutschland der Subtyp 1bdie wichtigste Rolle. Das macht wohl auch der Pharmaindustrie zu schaffen: „Das Gros der Patienten ist therapiert“, ist Schott überzeugt, weswegen pharmazeutische Unternehmer wohl zunehmend engagiert auf neue Screeningmethoden setzten, um die restlichen Patientenreserven wohl zu detektieren und zu gewinnen.

Was gibt es für Gründe, sich für die eine oder andere Therapie zu entscheiden?

Von welchem Markt spricht man aktuell bei der Therapie der chronischen Hepatitis? Mit den jüngsten Neuzulassungen aus dem Jahr 2017 – Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir und Pibrentasvir/Glecaprevir – stehen derzeit insgesamt sieben Therapieregime zur Behandlung von Hepatitis C zur Verfügung. Hiervon werden laut Schott jedoch nur fünf aktiv eingesetzt, und zwar die fixen Kombinationen – die freien Kombinationen kämen aufgrund eines noch höheren Arzneimittelpreises als bei den Fixkombis eigentlich nicht mehr zum Einsatz. 

Hinsichtlich der Wirksamkeit liegen die Ansprechraten durchweg bei über 95 Prozent – dennoch gibt es Faktoren, die Ärzte das ein oder andere Regime bevorzugen lassen: Genotypabdeckung, Nierenfunktion, Leberfunktion, Wechselwirkungen, Resistenzen und letztlich der Preis. Bei einem Ansprechen von 95 Prozent – was sind Gründe für ein Therapieversagen? Eine Resistenz des Hepatitis-C-Virus vielleicht? Diese Ansicht vertritt Schott nicht. Die „echten virologischen Versager liegen im Bereich von 1 bis 3 Prozent“, die restlichen Fälle spricht Schott eher einer mangelnden Adhärenz seitens der Patienten zu – was vor dem Hintergrund der Therapiekosten bei den „neuen“ Hepatitis-C-Arzneimittel besonders bitter anmutet

Nicht alle helfen gleich gut gegen alle

Nicht alle Hepatitis-C-Arzneimittel treffen alle Genotypen mit gleichem Erfolg. Die Kombinationen von Sofosbuvir und Velpatasvir in Epclusa®, Sofosbuvir, Velpatasvir und Vixalaprevir in Vosevi® beziehungsweise Pibrentasvir und Glecaprevir in Maviret® wirken pangenotypisch, sprich sie wirken bei allen Subtypen des HCV. Hingegen zeigen Sofosbuvir/Ledipasvir (Harvoni®), Elbasvir/Grazoprevir (Zepatier®) nur bei den Genotypen 1 und 4 Wirksamkeit. 

Sofosbuvir als einziges renal eliminiert

Die meisten Hepatitis-C-Arzneimittel werden über die Leber verstoffwechselt, einzige Ausnahme hierbei ist Sofosbuvir. Laut Fachinformation ist der nucleosidische Polymeraseinhibitor bei einer GFR unter 30 ml/min kontraindiziert. Was passiert, wenn auch Patienten mit schlechter Nierenfunktion mit Sofosbuvir therapiert werden? Schotts Antwort: „Gar nichts, man kann Sofosbuvir dennoch einsetzen, allerdings ist es dann ein klassischer Off-Label-Use“. Therapeutisch können Ärzte dann auf Sofosbuvir-freie Kombinationen, Maviret® oder Zepatier®, ausweichen. Bei Leberfunktionsstörungen wird Sofosbuvir schnell wieder zum Mittel der Wahl, am kritischsten sind hier Proteasinhibitoren, sprich Grazoprevir, Glecaprevir und Voxilaprevir. Hier sollten Ärzte Proteaseinhibitor-freie Kombinationen bevorzugen: Harvoni® und Epclusa®.

Die Kosten- und die Resistenzfrage

Bei den in den letzten Jahren viel diskutierten hohen Preisen gibt es zwischen Harvoni®, Epclusa® und Maviret® nur marginale Unterschiede, sie kosten alle knapp 35.000 Euro (Therapie für acht Wochen Harvoni® und Maviret®, zwölf Wochen Epclusa®). Bei Infektionen mit den Genotypen 1 und 4 stellt Zepatier® mit knapp 26.000 Euro derzeit die kostengünstigste Alternative dar.

Vosevi® fällt mit rund 60.000 Euro etwas aus der Reihe – allerdings ist die Dreifachkombination auch nur als Reservemedikation gedacht, wenn andere Therapieregime bereits versagt haben. Das Arzneimittel hat das AMNOG-Verfahren bereits durchlaufen, somit gebe es Verordnungssicherheit für den Hochpreiser, meint Schott.

Und bei Resistenzen?

Bei Hepatitis C handelt es sich um ein RNA-Virus. Für die Therapie bedeutet das: Man muss mindestens zwei Stellen gleichzeitig behandeln, da sich sonst sehr rasch Resistenzen gegen einzelne Wirkstoffe entwickeln. Die meisten Resistenzprobleme bereitet NS5A. „Das größte Problem ist, dass, wenn dort einmal eine Resistenzvariante entstanden ist, dann bleibt die“, erklärt Schott. Resistenzen in der Protease und Polymerase hingegen seien per se so schlecht für das Virus, sodass diese in den Bereichen auch wieder verschwinden. 25 Prozent der Hepatitis-C-Viren zeigen eine natürliche Resistenz gegen NS5A-Inhibitoren, bei mit NS5A-Inhibitoren vorbehandelten Patienten kann sich diese Resistenz auf 75 Prozent steigern. Behandelt man diese mit der Dreifach-Kombination Vosevi®  gibt es laut Schott jedoch im klinischen Outcome keinen Unterschied bei den Ansprechraten. Auch wenn der G-BA keine Zusatznutzen sah, so sei er wohl beim Preisabschlag von Vosevi® mit 60.000 Euro pro Therapie relativ kulant gewesen, dass Schott zu der Annahme kommt, der G-BA habe prinzipiell schon eingesehen, dass die Dreifachkombination bei beschriebenen Resistenzen einen Vorteil bringe. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Nichts Neues bei Hepatitis C und ein kritischer Blick auf Iberogast

Pharmacon Meran: Im Zeichen der Leber

Von dem Plan, Hepatitis B und C bis 2030 zu eliminieren

Wer B sagt, muss auch C sagen

Der Medizin-Nobelpreis 2020 geht an die Entdecker des Hepatitis-C-Virus

Ehrung für Virus-Erforscher

FDA Warnung tödliche Leberschäden

Black Box für Sovaldi & Co.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.