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Die Kassen wollen Apotheken platt machen und holen das Honorargutachten aus der Schublade. Unser Bundesgesundheitsminister will sich mal „anschauen“, ob das mit dem Rx-Versandverbot überhaupt möglich ist. Die Monopolkommission will derweil nun auch die Buchpreisbindung zu Fall bringen, aber unser BAK-Präsident ist nach wie vor der Meinung, dass wir Apothekers uns beim Rx-Versandverbot durchsetzen. Und während sogar die Ärzte mit der Telemedizin beginnen und DrEd samt Online-Rezepten zulassen, hört man nichts dazu von der ABDA. Fliegt da unseren Standesvertretern gerade der gesamte Laden um die Ohren?
28. Mai 2018
Ach, wie ist die Welt doch schön! Man kann es sich leisten, nach Meran zu fahren. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint, die wilden Wasser der Passer tosen, der feine Lagreiner schmeckt und ja, am Kongresshaus kann man auch mal vorbeischauen, mal sehen was es da so gibt. Der Präsident der Bundesapothekerkammer spricht! Und was sagt er zur Lage? „Die Große Koalition wird alles dafür tun, das Rx-Versandverbot umzusetzen“, ist sich Andreas Kiefer sicher, „ich bin nach wie vor der Meinung, wir setzen uns mit unseren Argumenten durch“, tönt es von der Meraner Kanzel. Und damit das nicht einfach so ungeschützt im Raum steht, hat er sich noch den Juristen und ehemaligen Verfassungsrichter Udo di Fabio an seine Seite geholt, der als Verfassungsrechtler „kein Problem damit hätte, den Rx-Versandhandel zu verbieten“. Mein liebes Tagebuch, lehnen wir uns zufrieden zurück, genießen wir Südtirol (zumindest gedanklich aus der Ferne), alles wird gut! Aber was ist mit dem Rumoren in CDU- und SPD-Kreisen, die so ganz und gar skeptisch über das Rx-Versandverbot denken und schon nach anderen Plänen Ausschau halten? Ach was, mein liebes Tagebuch, lass sie reden, das sind doch nur „Startschwierigkeiten“, meint Kiefer beruhigend. Na, dann kann ja nichts passieren. Also, träumen wir weiter, von blühenden Rx-Versandverbots-Apothekenlandschaften. Ups, mein liebes Tagebuch, ist das nicht schon mal schief gegangen? Damals, als CDU-Kanzler Helmut Kohl blühende Landschaften im Osten versprach. Wie der „Spiegel“ unlängst berichtete, soll Kohl ein paar Jahre später intern eingeräumt haben, die Öffentlichkeit über den Zustand der neuen Bundesländer im Osten belogen zu haben.
29. Mai 2018
Es hat ein bisschen gedauert, aber jetzt hat Jens Spahn als Bundesgesundheitsminister erstmals öffentlich (in einer Live-Diskussion auf Facebook) etwas zum Rx-Versandverbot gesagt: „Das steht im Koalitionsvertrag. Und so wie es vereinbart ist, werden wir uns auch anschauen, ob und wie das europarechtlich umzusetzen ist.“ Entlockt hat ihm diese Stellungnahme Apotheker Christian Redmann, der sich an dieser Facebook-Diskussion beteiligte. Spahn sagte auf Facebook auch: „Eins ist jedenfalls klar: Der Zustand, wie er heute ist, mit ungleich langen Spießen, dass also der Versender aus dem Ausland Rabatte geben kann, der Inländer nicht, das ist kein haltbarer Zustand. Solche Rabatte – das sage ich auch, damit keine falschen Schlüsse entstehen – wollen wir nicht im Inland.“ Tja, mein liebes Tagebuch, Spahn will’s sich „anschauen“, ob ein Verbot umsetzbar ist. Anschauen! Wie entschlossen klingt das denn! Ehrlich gesagt: wenig. Eines dürfte dem Minister allerdings in der Tat am Herzen liegen: Der heutige Zustand – ausländische Versender dürfen Rabatte geben, inländische nicht und überhaupt Rabatte –, das gefällt dem Minister nicht wirklich. Und, mein liebes Tagebuch, da der Bundesgesundheitsminister Spahn auch das Apothekenhonorar für die größere Baustelle hält, liegt es nahe, dass er den unhaltbaren Zustand des rabattierten Rx-Versands durch ausländische Versendern mit unseren Honorarproblemen in einen Topf wirft und eine neue Suppe kocht, die nicht nach Rx-Versandverbot schmeckt, sondern eher nach neuen Honorarstrukturen… Hätten wir Antworten darauf?
Mein liebes Tagebuch, noch ein Hinweis zum Kollegen Christian Redmann, dem Apotheker aus Ebermannstadt: Es ist der Apotheker, der eine Petition zur Unterstützung des Rx-Versandverbots ins Leben gerufen hat, die mittlerweile schon rund 14.000 unterzeichnet haben. 50.000 Unterzeichner sind erforderlich, dass die Petition in den Bundestag kommt. Die Petition läuft bis zum 7. November 2018 – also: Mitmachen! 50.000 Unterschriften sollten zu schaffen sein, wenn wir Apothekers alle unsere Kolleginnen und Kollegen bitten mitzumachen. Vielleicht können wir auch den einen oder anderen Kunden motivieren, zu unterzeichnen. Unterstützung erfuhr die Petition übrigens auch von professoraler Seite: Theo Dingermann rief am Ende seines Vortrags auf dem Pharmacon-Kongress in Meran die Teilnehmer dazu auf, die Petition zu unterzeichnen. Bravo, mein liebes Tagebuch, das finde ich gut! Hätte auch der ABDA selbst gut getan, das Engagement des Kollegen Redmann zu würdigen – wenn unsere Ehrenamtlichen schon selbst nicht auf die Petitionsidee gekommen sind. Immerhin, einige aus dem ABDA-Olymp haben bereits unterzeichnet: Kiefer, Benkert, Overwiening und Bienfait. Ob noch mehr dabei sind, ist gut möglich. Da sich die Petition auch nicht-öffentlich unterzeichnen lässt, sind nicht alle Promi-Namen einsehbar. Wäre schon interessant zu wissen, ob die oberste ABDA-Riege mittlerweile auch unterzeichnet hat…
Da wird ein Modellversuch zur Telemedizin nach dem anderen ins Leben gerufen, da beschließt sogar der Deutsche Ärztetag, das Fernbehandlungsverbot teilweise aufzuheben – aber für die Apotheker ändert sich nichts, meint unsere Standesvertretung. Schon klar, noch ändert sich nichts. Aber das kann sich schnell ändern! Oh Gott, oh Gott, sind unsere ehrenamtlichen Standesvertreter im Berlinder Lindencorso noch von dieser Welt? Warum will die ABDA nicht wahrhaben, dass es nun mal Strömungen in der Gesellschaft gibt, die den Weg übers Internet bevorzugen, auch bei der Konsultation von Ärzten. Und was ist, wenn dann die Telemedizin-Ärzte – und das wird schneller kommen als man denkt – Online-Rezepte ausstellen? Wo sollen diese Patienten ihre Rezepte dann einlösen? Klar, bei den Versandapotheken, denn den Vor-Ort-Apotheken ist es derzeit nicht erlaubt. Wie kann es sein, dass die ABDA dazu nicht deutlich Stellung bezieht? Auch wenn man der Überzeugung ist, dass „die beste Gesundheitsversorgung persönlich und unmittelbar ist und bleibt, auch in den öffentlichen Apotheken“, wie es BAK-Präsident Kiefer ausdrückt, kann es schon bald sein, dass Online-Rezepte zugelassen werden. Und dann? Schaut die ABDA weg, wenn in Baden-Württemberg bereits ein Versorgungsmodell Teleclinic läuft, bei dem Privatversicherte bereits ein Online-Rezept erhalten? Bei diesem Versuch konnte man immerhin erreichen, dass die Online-Rezepte nur an Vor-Ort-Apotheken weitergeleitet werden, wo sie eingelöst werden. Mein liebes Tagebuch, ich habe ernsthaft die Sorge, dass wir Apothekers von der Entwicklung abgehängt werden – dank der Schweige-Politik unserer Standesvertretung: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
30. Mai 2018
Wie rasant die Entwicklung in Sachen Telemedizin vorangeht, zeigt der jüngste Beschluss der Landesärztekammer Baden-Württemberg: DrEd, eine Online-Praxis mit Sitz in England und einst der Buhmann in Sachen Telemedizin, darf nun offiziell im Rahmen eines Modellprojekts Patienten aus Deutschland fernbehandeln. Das bedeutet, das Unternehmen kann sich nun auch in Deutschland niederlassen, um baden-württembergische Patienten online zu beraten. Und mein liebes Tagebuch, DrEd wird sich natürlich nicht davon abhalten lassen, auch Rezepte auszustellen. Und dann? Was ist, wenn ein fernbehandelter Patient ein solches Privatrezept in einer Vor-Ort-Apotheke vorlegt? Dann, ja dann müssen wir braven Vor-Ort-Apothekers sagen: Sorry, lieber Patient, dürfen wir leider nicht beliefern, da das Rezept nicht aus einem direkten Arztkontakt resultiert. Bitte bestell deine Arzneimittel beim ausländischen Versandhandel. Mein liebes Tagebuch, geht’s noch? Lässt uns die ABDA im Regen stehen? Auf Nachfrage erklärt DrEd zwar, dass seine Patienten ihre Rezepte auch in baden-württembergischen Apotheken vor Ort einlösten könnten, aber wie das funktionieren soll, bleibt noch unklar – selbst die Landesapothekerkammer Ba-Wü kennt das Projekt nicht. Tja, mein liebes Tagebuch, da wäre doch wirklich mal eine kleine bescheidene Äußerung von unseren Standesvertretern, wie sie denn dazu stehen und ob sie die Vor-Ort-Apotheken vielleicht irgendwie einbinden wollen, nicht schlecht. Ist das zu viel verlangt?
31. Mai 2018
Auch wir können digital! Und wenn es nur der elektronische Rezeptsammel-Briefkasten ist. Aber immerhin. Nach den ersten beiden digitalen Rezeptsammelstellen in Baden-Württemberg und im Saarland sollen nun jeweils ein weiterer folgen, schon bald in Rheinland-Pfalz und am 6. Juni in Baden-Württemberg. Mein liebes Tagebuch, klar, besser als nichts, auch wenn das Projekt bisweilen noch nicht so ganz rund läuft und es noch die eine oder andere kleine technische Störung gibt. Auch so mancher älterer Patient, der sein Rezept in den Schlitz des E-Briefkastens steckt, muss wohl noch ein bisschen vertrauter mit der Technik werden. Aber es wird schon. Nur, mein liebes Tagebuch, digitale Rezeptsammelstelle kann nicht alles sein. Es fehlt an einer digitalen Strategie der Apotheker.
1. Juni 2018
Unglaublich, aber wahr: Die Monopolkommission attackiert die Buchpreisbindung und will freie Buchpreise – und das Rattenschärfste dabei: Sie stützt sich dabei auf auf die unsägliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Der Chef der Monopolkommission, Achim Wambach, setzt sich, untermauert durch ein aktuelles Gutachten, zusammen mit einem fünfköpfigen Beratergremium der Bundesregierung, für die Abschaffung der Buchpreisbindung ein. Der EuGH hatte zwar 2009 die Buchpreisbindung für europarechtskonform erklärt, aber das scheint Wambach und das Beratergremium nicht zu stören: Sie verweisen nun auf die Freigabe der Arzneimittelpreise durch den EuGH. Mein liebes Tagebuch, ein „bescheidenes“ EuGH-Urteil zu Arzneimittelpreisen reicht, da muss man nicht noch einen weiteren schützenswerten Markt zerstören. Oder will man die Buchhandlung an der Ecke in den Wettbewerb mit Amazon und Co. schicken? Oder will man Meinungsvielfalt abschaffen, kleine Verlage zerstören und nur noch große Mainstream-Verlagshäuser in einen gnadenlosen Wettbwerb schicken? Mein liebes Tagebuch, was besonders interessant ist: Aus der Politik kam auf die Vorschläge der Monopolkommission postwendend scharfe Kritik. Empört meldete sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU): Die Empfehlungen der Monopolkommission mache sie fassungslos, sie werde sich weiterhin für den Erhalt der Buchpreisbindung einsetzen. Mein liebes Tagebuch, recht so, und dann fügen Sie, liebe Frau Grütters, bitte nur noch in Ihre Empörung die Formulierung „Erhalt der Arzneimittelpreisbindung“ ein und kämpfen Sie, kämpfen Sie! Was für Bücher gelten soll, sollte nach wie vor für das Gesundheitsgut Arzneimittel gelten.
Und da ist es wieder, das vermaledeite 2hm-Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zum Apothekenhonorar. Dieses Mal holen es die Krankenkassen aus der Schublade. Eine Milliarde Euro – so viel will der GKV-Spitzenverband am Apothekenhonorar sparen mit Hinweis auf das Gutachten. Mit seinem neuesten Positionspapier bringen die Kassen zusätzlich eine Neuordnung der Apothekenstrukturen ins Spiel. Eine Milliarde Euro – mein liebes Tagebuch, mit solchen Einsparungen putzt man den Apothekenmarkt aber so was von leer – damit gibt es keine flächendeckende Versorgung mehr, damit kann man eine geordnete Arzneimittelversorgung, wie wir sie heute kennen, in den Wind schreiben. Aus Sicht der Kassen könne es nicht ihre Aufgabe sein, Apotheken am Leben zu erhalten, lässt sich dem Papier entnehmen. Und so fordert der GKV-Soitzenverband: weg mit dem Fremd- und Mehrbesitzverbot, her mit der „Apotheke light“, Ja zu kürzeren Öffnungszeiten von Apotheken und her mit Apothekenbussen, Ja zur Video-Pharmazie und Rezepturen aus Herstellbetrieben. Mein liebes Tagebuch, während sich unsere ABDA noch übers Honorargutachten ausschweigt, nach vielen Jahren der Diskussionen noch immer keine Ideen für eine Weiterentwickllung unseres Honorars vorlegt, keine Positionierung der Apotheken im Zeitalter der Digitalisierung vorweist, krempeln die Kassen die Landschaft um und machen uns platt. Freilich, der Wunsch der Kassen wird nicht in Erfüllung gehen, aber allein die Gedankenansätze und Tendenzen sind mehr als beunruhigend. Und unsere Standesvertretung baut in aller Ruhe ihr Häuschen…
21 Kommentare
@ Petition
von Michael Mischer am 04.06.2018 um 9:33 Uhr
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P. S. an die Redaktion: Das Schweigen von DAZ online
von Gunnar Müller, Detmold am 04.06.2018 um 7:20 Uhr
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Knapp 15.000 - noch keine Revolution!
von Christian Redmann am 03.06.2018 um 20:22 Uhr
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Die Patzelt -Idee
von Dr.Diefenbach am 03.06.2018 um 18:37 Uhr
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AW: Die Patzelt -Idee
von Martin Didunyk am 03.06.2018 um 20:25 Uhr
AW: Die Patzelt -Idee
von Christiane Patzelt am 03.06.2018 um 21:52 Uhr
ABDA schweigsam oder sprachlos?
von Christian Giese am 03.06.2018 um 15:38 Uhr
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P. S. an die Redaktion: Das Schweigen von DAZ online…
von Gunnar Müller, Detmold am 03.06.2018 um 14:54 Uhr
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AUFSTEHN!!!! (eine Remineszens an das eine E von SEEED)
von Christiane Patzelt am 03.06.2018 um 14:51 Uhr
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AW: AUFSTEHN!!!! (eine Remineszens an das
von Martin Didunyk am 03.06.2018 um 15:01 Uhr
AW: AUFSTEHN!!!! (eine Remineszens an das
von Christiane Patzelt am 03.06.2018 um 15:45 Uhr
AW: AUFSTEHN!!!!
von Bernd Jas am 03.06.2018 um 18:52 Uhr
Was soll das alles?
von Karl Friedrich Müller am 03.06.2018 um 13:41 Uhr
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AW: Was soll das alles
von Martin Didunyk am 03.06.2018 um 14:38 Uhr
AW: Was soll das alles
von Karl Friedrich Müller am 03.06.2018 um 14:59 Uhr
Bereit zum Sterben?
von Gunnar Müller, Detmold am 03.06.2018 um 11:09 Uhr
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AW: Bereit zum Sterben
von Martin Didunyk am 03.06.2018 um 13:44 Uhr
Keine Aktivität = PRO Systemwechsel / Leben in den 80ern , der Ära Kohl
von Martin Didunyk am 03.06.2018 um 11:03 Uhr
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agil wie ein MegaTanker / kommunikativ wie eine Schildkröte
von Martin Didunyk am 03.06.2018 um 10:55 Uhr
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Abbda
von Conny am 03.06.2018 um 10:06 Uhr
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Endlich mehr Licht bitte !
von Ulrich Ströh am 03.06.2018 um 8:41 Uhr
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