Risiko einer Methämoglobinämie

FDA will Benzocain-haltige Zahnungsmittel vom Markt haben

Remagen - 01.06.2018, 16:00 Uhr

Kein Benzocain für zahnende Kinder! Die FDA warnt Verbraucher. (Foto: PikaFf / stock. adobe.com)

Kein Benzocain für zahnende Kinder! Die FDA warnt Verbraucher. (Foto: PikaFf / stock. adobe.com)


Die U.S. Food and Drug Administration hat eine Verbraucher-Warnung zu rezeptfreien Zahnungsmitteln mit Benzocain herausgegeben. Diese bergen für Säuglinge und Kinder das schwerwiegende Risiko einer Methämoglobinämie, so die Begründung. Unternehmen, die entsprechende Produkte in den Verkehr bringen, sollen sie nicht mehr vermarkten. Andere Benzocain-haltige Präparate für die Mundgesundheit sollen neue Warnhinweise bekommen.

Präparate mit dem Lokalanästhetikum Benzocain werden in den USA als Gele, Sprays, Salben, Lösungen und Lutschtabletten verkauft, um Schmerzen beim Zahnen, Halsschmerzen, Mundgeschwüren und Reizungen im Mund und am Zahnfleisch zu lindern. In einer jetzt veröffentlichten Drug Safety Communication verweist die US-Arzneimittelbehörde FDA auf seine früheren Warnungen vor einem Methämoglobinämie-Risiko, das mit Benzocain-haltigen Produkten verbunden sein könnte.

Nachdem sie erstmals im Jahr 2006 darauf aufmerksam gemacht hatte, waren der Agentur 29 Fälle von Benzocain-Gel-assoziierter Methämoglobinämie gemeldet worden. 19 dieser Fälle waren bei Kindern und 15 davon bei Kleinkindern unter zwei Jahren aufgetreten. Die FDA wiederholte ihre Warnung im April 2011 und gab sich weiterhin besonders besorgt über die Verwendung von rezeptfreien Benzocain-Produkten zur Linderung von Zahnungsbeschwerden bei Kleinkindern. Die Eltern hätten wahrscheinlich Probleme, die Anzeichen und Symptome zu erkennen, wenn sie die Produkte zu Hause verwenden, so die Befürchtung, und die Folgen könnten schließlich schwerwiegend sein. Nun zieht die Behörde die Reißleine.

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„Angesichts der zunehmenden Evidenz für einen Zusammenhang zwischen Benzocain und Methämoglobinämie ergreifen wir nun gemeinsam mit der Industrie die notwendigen Maßnahmen, damit der Vertrieb und Verkauf von rezeptfreien Erzeugnissen gegen Zahnungsschmerzen bei Kleinkindern eingestellt wird“, erläutert die Direktorin des FDA Center for Drug Evaluation and Research Janet Woodcock. Wenn Unternehmen dem nicht freiwillig nachkommen, will die FDA ein Verbot aussprechen, damit die Produkte vom Markt verschwinden. 

Was sind die Alternativen?

Außerdem sollen alle anderen Benzocain-haltigen Produkte für die Mundgesundheit mit einem zusätzlichen Warnhinweis auf eine mögliche Methämoglobinämie und einer Kontraindikation für die Anwendung bei Zahnungsschmerzen und bei Kindern unter zwei Jahren ausgestattet werden. Dies betrifft auch verschreibungspflichtige Präparate. In individuellen Schreiben verlangt die FDA von den betroffenen Herstellern entsprechende Anpassungen der Produktkennzeichnung. Die Firmen müssen innerhalb 30 Tagen hierauf reagieren. „Neben unseren Briefen an die Unternehmen, die die Produkte herstellen, fordern wir Eltern, Gesundheitsversorger und Händler, die diese verkaufen, dazu auf, unser Warnung zu beachten und OTC-Produkte mit Benzocain gegen Zahnungsschmerzen nicht zu verwenden“, sagt FDA-Chef Scott Gottlieb

Auch von Homöopathie wird abgeraten

Für deren Behandlung verweist die Agentur auf die Empfehlungen der American Academy of Pediatrics (AAP). Diese empfehle für den Zweck einen festen Beißring aus Gummi (nicht gefroren). Ansonsten ließen sich die Symptome auch mit sanftem reiben oder Massieren des Zahnfleischs der Kinder mit dem Finger lindern. Die AAP halte Schmerzmittel und Medikamente, die in das Zahnfleisch eingerieben werden, nicht für nützlich, weil sie innerhalb von Minuten aus dem Mund des Babys ausgewaschen würden und damit ein Sicherheitsrisiko nach sich ziehen könnten. Auch von der Anwendung bestimmter (Belladonna-haltiger) homöopathischer Zahnungstabletten rät die FDA ab. Eltern und Betreuer sollten sich an die Gesundheitsberufe wenden und sich zu sicheren Alternativen beraten lassen.

Auf Symptome der Methämoglobinämie achten

Beim Kauf von OTC-Arzneimitteln für die Mundgesundheit sollen die Verbraucher sich über das OTC Drug Facts Label informieren, ob Benzocain darin enthalten ist und wenn sie die Produkte verwenden, auf Anzeichen und Symptome einer Methämoglobinämie achten. Diese könnten entweder bei erstmaliger oder nach mehrfacher Verwendung auftreten, und zwar innerhalb von Minuten oder auch bis zu ein oder zwei Stunden danach. Als Symptome werden Blässe, graue oder bläuliche Verfärbung der Haut, Lippen und Fingernägel genannt, außerdem Atemnot, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit und Herzrasen. Wenn eines dieser Symptome auftritt, sollten die Personen sofort ärztliche Hilfe erhalten, rät die FDA. 

Lage in Deutschland

In Deutschland sind Lokalanästhetika wie Benzocain ausgenommen zum Aufbringen auf die Haut und Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge rezeptpflichtig. Für einige gibt es weitere Ausnahmen. Die Produktinformationen, etwa zu Benzozocain-haltigen Lutschtabletten gegen Halsschmerzen, enthalten bereits einen Hinweis auf das Risiko einer Methämoglobinämie. Gegen Zahnungsbeschwerden sind lediglich Lidocain-haltige Mittel auf dem Markt. (Dentinox, Dynexan).



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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