Fernbehandlungsverbot beim Ärztetag

Grüne wollen Online-Rezepte ermöglichen

Berlin - 07.05.2018, 13:45 Uhr

Der Grünen-Gesundheitsminister aus Baden-Württemberg Manne Lucha und die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, wollen das Fernverordnungsverbot wieder aufheben. (Foto: Imago)

Der Grünen-Gesundheitsminister aus Baden-Württemberg Manne Lucha und die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, wollen das Fernverordnungsverbot wieder aufheben. (Foto: Imago)


Am morgigen Dienstag startet in Erfurt der diesjährige Deutsche Ärztetag. Auch viele Apotheker werden mit Spannung verfolgen, was die Mediziner beschließen. Denn unter anderem ist zu erwarten, dass das Fernbehandlungsverbot im Berufsrecht zumindest teilweise aufgehoben wird. Dem Grünen-Gesundheitsminister Manne Lucha aus Baden-Württemberg und der Bundestags-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink reicht das nicht. Sie fordern auch, dass das Verbot für Online-Rezepte aufgehoben wird.

Bislang sind im bundesweit gültigen Berufsrecht der Mediziner „ausschließliche“ Behandlungen von Patienten über Telefon und Internet untersagt. Dies könnte sich aber nun ändern: Laut einem Antrag des Vorstands der Bundesärztekammer soll dies künftig „im Einzelfall“ erlaubt sein, aber nur, wenn es ärztlich vertretbar und die Sorgfalt gewahrt ist. In Baden-Württemberg sind solche Fernbehandlungen im Rahmen von Modellprojekten bereits ermöglicht worden – die ersten Projekte sind auch schon gestartet. In Schleswig-Holstein hat die Ärztekammer das Verbot erst kürzlich komplett gekippt.

Frank-Ulrich Montgomery zeigte sich stets offen für eine entsprechende Änderung im Berufsrecht. Allerdings erklärt er immer wieder, dass diese auch ihre Grenzen haben müsse. Beim Ärztetag 2017 erklärte Montgomery: „Ein ausschließliches Pillenverschreiben über das Internet ist damit mit Sicherheit nicht gemeint.“

Lucha/Klein-Schmeink: Chancen der Telemedizin nutzen

Jetzt mischen sich zwei prominente Gesundheitspolitiker der Grünen in die Debatte ein. In einem gemeinsamen Positionspapier erklären der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha und die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagfraktion Maria Klein-Schmeink, dass die Chancen der Telemedizin jetzt endlich genutzt werden müssten. „Die Digitalisierung bietet das Potential, die Vernetzung und Kooperation der Gesundheitsversorgung voranzutreiben“, heißt es dort.

Mit der Digitalisierung werden aus Sicht der Grünen nicht nur effizientere Versorgungsprozesse möglich. Auch die Patientensicherheit könne erheblich verbessert werden, „wenn etwa allen beteiligten Behandlern aktuelle Behandlungsinformationen oder Medikationsdaten zur Verfügung stehen“, heißt es in dem Papier. Und weiter: „Durch telemedizinische Verfahren könnte es zum Beispiel möglich werden, auch in entlegenen ländlichen Räumen ärztliche Spezialisten hinzuzuziehen ohne beschwerliche Reisen antreten zu müssen.“

Grüne: Regulierungen abbauen

Die Grünen bemängeln aber, dass es keine Strategie der Bundesregierung in dieser Sache gebe. „Wohin soll die Reise gehen? Wie können förderliche Rahmenbedingungen geschaffen werden? Wie Hürden und Blockaden überwunden werden? Der neue Gesundheitsminister Jens Spahn hat bislang nur hippe Buzzwords wie 'Big Data' und 'Blockchain' von sich gegeben“, schreiben Lucha und Klein-Schmeink. Aus Sicht der Grünen, ist es sinnvoll, in regionalen Modellprojekten erst einmal konkrete Praxiserfahrungen zu sammeln in der Telemedizin. Das im Ländle gestartete Projekt „Docdirekt“, bei dem sich erstmals auch GKV-Versicherte ärztlich via Internet beraten lassen können, werde daher vom Sozialministerium in Stuttgart unterstützt. Dass der Ärztetag nun das berufsrecht ändern will, sei zu begrüßen, so die Grünen-Experten.

Allerdings sehen Lucha und Klein-Schmeink immer noch zu viele gesetzliche Hürden und wollen weiter deregulieren. Eine dieser Hürden ist das Verbot von Fernverordnungen. Zur Erinnerung: Ende 2016 beschloss der Bundestag, dass Apotheker keine Rezepte beliefern dürfen, bei denen augenscheinlich kein „direkter Kontakt“ zwischen Arzt und Patient stattgefunden hat. Die Grünen fordern nun, dass dieses Verbot wieder aufgehoben wird: „Hier müssen CDU/CSU und SPD in Berlin ihren Fehler korrigieren und die Fernverschreibung wieder ermöglichen“, heißt es in dem Positionspapier.

Und auch das E-Rezept muss aus Sicht von Lucha und Klein-Schmeink schnellstmöglich kommen. So schreiben die beiden Gesundheitspolitiker: „Ebenso müssen zügig das elektronische Rezept und die elektronische Patientenakte auf den Weg gebracht werden. Sie sind neben der Ermöglichung der Fernbehandlung und der Fernverschreibung wichtige Bausteine dafür, dass die Digitalisierung vor allem für den Patienten nutzbringend wird.“

Lucha: Ferndiagnosen ja, Tele-Apotheke nein

Was die Aufhebung von Regulierungen im Apothekenmarkt betrifft, ist Lucha aber bekanntlich skeptisch eingestellt. Der Gesundheitsminister stand vor und nach der Eröffnung des DocMorris-Automaten in Hüffenhardt, bei dem sich Patienten über einen Bildschirm beraten lassen konnten, auf der Seite der Apotheker, die eine Schließung forderten. „Gerade im direkten Patientenkontakt werden manche Fragen, beispielsweise zu Gegenanzeigen oder Neben- und Wechselwirkungen erst aufgeworfen. Viele moderne Arzneimittel sind zudem erklärungsbedürftig. Auch der Aspekt des persönlichen Gesprächs sollte nicht vernachlässigt werden – eine Funktion, die ein automatisches System nicht ersetzen kann“, erklärte das Sozialministerium im August 2016.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Denkt auch jemand an die Alten?

von Norbert Schmidt am 31.01.2019 um 9:58 Uhr

Demente, Technik-nichtaffine oder ganz einfach Leute, die mit diesem ganzen Digitalisierungs- und Deempathisierungs Unsinn im Gesundheitssystem nicht zu tun haben oder zu tun haben wollen, werden vergessen. Was, wenn kein Smartphone vorhanden? Compliance bei Leuten, die sich nicht trauen, zuzugeben, dass sie nicht durchblicken? Geschenkt. Hier ist eine Digitalisierungs-Lobby am Werk aus Chip- und Hardwareherstellern, Softwarekonzernen und sog. Beratern und die doofe deutsche Politk -allen voran die Grünen, die sonst immer bei jeder noch so kleinen Gefälligkeit laut "Lobby!" rufen, kapiert noch nicht einmal, dass ein großer Prozentsatz der Smartphones nicht einmal mit aktuellstem OS oder einer Virensoftware ausgestattet ist (und herstellerseitig auch gar nicht mehr ausgestattet wird weil der Support oft nach 2-3 Jahren ausläuft), das den fremden Zugriff auf die Daten verhindern kann. Wir als Gesellschaft werden noch ganz gewaltig über diesen ganzen Quatsch stolpern, nämlich dann, wenn ein "wirklich richtiger" Cyberkrimineller, der nicht nur alte Handynummern von Politikern abgreifen will, das Smartphone als eins der unsichersten digitalen Systeme endgültig für sich entdeckt. Noch sind 70% der Schadprogramme für Windows-Systeme gemacht, das wird sich mit großflächigerer Verbreitung von "Handy auflegen" zum Bezahlen und weiterer derartiger für Kriminelle besonders "interessanter" Systeme wie dem digitalen Rezept weiter ändern. Man will das stumpfe Nachplappern des Wortes "Digitalisierung" aus Politkermündern wirklich nicht mehr hören.

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Erst mal schnelles Internet

von Pharmi am 08.05.2018 um 0:58 Uhr

Bevor man solche Ideen umsetzt, sollte erst mal für flächendeckendes (schnelles) Internet gesorgt werden. Dann sollte man die Landarztpraxen auf den neuesten Stand bringen und dann irgendwann kann man das digitale Rezept in Angriff nehmen...

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Grüne Elektronikphantasien

von Heiko Barz am 07.05.2018 um 20:11 Uhr

Wenn ich jetzt diesen Prozess im Spiegel des Datenschutzes betrachte wird mir übel!
Eins wird aber klar, bei der diffusen Sachlage der umfangreichen elektronischen Spielwiese werden die Patienten Verlierer sein. Aber um DIE geht es ja wahrscheinlich gar nicht mehr.
Hauptsache DIGITAL, je kryptischer desto besser!!

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Politik lernt leider nichts dazu

von Ratatosk am 07.05.2018 um 18:52 Uhr

Der Schutz der Patienten hat bei den Grünen nun keinen Stellenwert mehr.
Man setze jetzt wie schon vorhanden irgedeien Mediziner im Callcenter neben die Online Apotheke und schon läuft der Rubel für eine halbseidene aber dann legale Gestalten.
Ob Antibiotika oder Kontrazeptiva, oder Anabolika und Sildenafil etc. anything goes. Tote inbegriffen, aber es gibt für die Umsetzung sicher viel zu tun und daher viele schöne Beraterverträge.
Kontrolle möglich, nee is klar.

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super Idee

von Karl Friedrich Müller am 07.05.2018 um 15:47 Uhr

und dann bekommen die Patienten auch noch bis zu 30€ pro Rezept vergütet....(nix mehr bezahlen...)
dann möchte ich mal die KK kreischen hören...
und die niedergelassenen Ärzte.....

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