BAK warnt vor Arzneimittelmissbrauch

Schmerzmittel nicht länger als drei Tage

Stuttgart - 09.03.2018, 16:30 Uhr

Missbräuchliche Einnahme von Schmerzmitteln kann Kopfschmerzen verursachen. (Foto: Karin & Uwe Annas / stock.adobe.com)

Missbräuchliche Einnahme von Schmerzmitteln kann Kopfschmerzen verursachen. (Foto: Karin & Uwe Annas / stock.adobe.com)


Missbrauch von Schmerzmitteln kann Kopfschmerzen verursachen, die sich durch eine weitere Analgetikaeinnahme jedoch nur verschlimmern. Ein Teufelskreis. Da Analgetika die mit am häufigsten missbräuchlich eingenommenen Arzneimitteln sind, warnt die Bundesapothekerkammer (BAK) erneut vor dieser Gefahr. Was sollen Apotheker tun bei Verdacht auf Analgetika-Missbrauch? Die Abgabe verweigern?

Ein neues Problem ist es nicht, dass die dauerhafte Einnahme von Analgetika genau das Gegenteil des ursprünglich gewünschten Effekts – Analgesie – auslöst und Kopfschmerzen verursacht. Doch offenbar scheint die Gefahr trotz der Bekanntheit nach wie vor präsent. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland etwa 100.000 Menschen an solch einem arzneimittelinduzierten Kopfschmerz leiden. Das Phänomen ist teuflisch: Viele Patienten kennen die sekundär induzierten Kopfschmerzen vielleicht nicht und versuchen, ihren Beschwerden durch eine weitere Einnahme von Schmerzmitteln Herr zu werden. Jedoch verschärfen sie dadurch lediglich das Problem.

BAK-Leitfaden zu Arzneimittelmissbrauch

Ein Grund für die Bundesapothekerkammer (BAK) dieses Risiko nochmals zu betonen. „In der Werbung werden rezeptfreie Schmerzmittel oft als harmlos dargestellt. Aber jedes Medikament kann Nebenwirkungen haben und rezeptfrei heißt nicht harmlos“, sagt Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer. Erst am Mittwoch diskutierte die BAK die Folgen des Arzneimittelmissbrauchs anlässlich eines Symposiums und hat jüngst ihren Leitfaden „Arzneimittelmissbrauch – Leitfaden für die apothekerliche Praxis“ aktualisiert. Er soll Apotheker unterstützen, Arzneimittelmissbrauch in der öffentlichen Apotheke zu erkennen und geht auch explizit auf die missbräuchliche Einnahme von Analgetika ein.

Wie können Analgetika Kopfschmerzen verursachen?

Aktuelle These ist, dass eine regelmäßige Einnahme von Analgetika oder auch Migränemitteln die Schwelle des Schmerzleitungssystems des Hirnstammes erniedrigt oder die an der Schmerzentstehung beteiligten Rezeptoren hochreguliert. Auch wenn Kombinationsanalgetika mit Coffein immer wieder besonders kritisch hinsichtlich ihres „Suchtpotenzials“ beäugt werden, schreibt die BAK-Leitlinie hier dazu: „Wichtiger als die Zusammensetzung der Präparate ist allerdings die Häufigkeit ihrer Einnahme und ihre Dosierung, also ihr bestimmungsgemäßer Gebrauch.“

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Schmerzmittelmissbrauch – wer ist besonders gefährdet?

Vor allem Patienten, die unter Migräne oder Spanungskopfschmerzen leiden, gehören in die Risikogruppe der „Analgetika-Missbraucher“. Sie greifen aufgrund ihrer primären Kopfschmerzen häufiger zu Analgetika – der Leitfaden warnt, dass bereits eine vierwöchige regelmäßige Einnahme von Kopfschmerzmitteln sekundäre Kopfschmerzen auslösen könnten. Aber auch erst nach Jahren könne sich ein arzneimittelinduzierter Dauerkopfschmerz zeigen. Frauen trifft dies etwa fünfmal häufiger als Männer. Auch Patienten, die bereits in der Kindheit gehäuft unter Kopfschmerzen litten, gehören in die Risikogruppe des arzneimittelinduzierten, sekundären Kopfschmerzes.

Charakteristisch für die betroffenen Patienten ist, dass sie bereits morgens über drückende Kopfschmerzen klagen, die sich durch körperliche Aktivität eher verschlimmern. Wie auch bei Migräne können Dauerkopfschmerzen pulsierend sein, seltener gehen diese jedoch mit Migräne-typischen vegetativen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen einher.

Welche Gefahren entstehen durch Analgetikamissbrauch?

Missbräuchliche und dauerhafte Einnahme von Analgetika vom Typ der NSAR erhöht zudem die Gefahr bekannter Nebenwirkungen dieser nicht-opioiden Schmerzmittelklasse: Nierenschädigungen, Ulzera des Gastronintestinaltakts und kardiovaskuläre Risiken. Bei Paracetamol ist insbesondere die Leber kritisches Organ. Auch vor malignen Tumoren des Urogenitaltraktes warnt die BAK-Leitlinie.

Wie erkennen Apotheker Schmerzmittelabhängige?

Patienten kaufen ihre Schmerzmittel in der Apotheke. Apothekern kommt hier somit zentrale Funktion bei der Beratung bei der Abgabe von Analgetika zu. Was ist das Maximum der Therapiedauer in der Selbstmedikation mit Analgetika?

Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft empfiehlt, alle Kopfschmerz- und Migränepräparate nicht länger als drei Tage in Folge und nicht häufiger als an zehn Tagen im Monat anzuwenden. Triptane sollten Migräniker nicht häufiger als zweimal innerhalb von 24 Stunden, dreimal pro Attacke (in der Selbstmedikation maximal zwei Einzeldosen pro Attacke) und ebenfalls nicht mehr als an zehn Tagen pro Monat einnehmen.

Wie erkennen Apotheker Analgetika-induzierten Kopfschmerz?

Apotheker sollten an einen Ergotamin-, Triptan- oder Analgetika-induzierten Kopfschmerz denken, bei:

  • Mehr als 20 Kopfschmerztagen im Monat
  • Täglichen Kopfschmerzen von mehr als 10 Stunden
  • Regelmäßiger Einnahme von Analgetika / NSAR oder Ergotamin oder Triptanen
  • Einnahme in Kombination mit Codein, anderen Opioiden, Coffein, Antihistaminika
  • Zunahme der Stärke und Frequenz der Kopfschmerzen bei Entzug
  • Fehlendem Zusammenhang zwischen ursprünglichen Kopfschmerzen (Spannungskopfschmerzen, Migräne) und derzeitigem Kopfschmerzsyndrom.
    (Quelle: BAK-Leitfaden  „Arzneimittelmissbrauch – Leitfaden für die apothekerliche Praxis“)

Was sollen Apotheker tun bei Verdacht auf Analgetika-Missbrauch?

Jeder Apotheke hat ihre „Spezialkunden“, die wiederholt Analgetika, Laxanzien oder abschwellende Nasensprays kaufen. Wie sollen Apotheker mit solchen Kunden umgehen, wenn der Arzneimittelmissbrauch nahezu offensichtlich ist? „Besteht der Verdacht auf einen Schmerzmittelmissbrauch bzw. medikamenteninduzierten Kopfschmerz, sollten die Patienten über den Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und Einnahme der Präparate aufgeklärt werden. Die alleinige Weigerung, das gewünschte Präparat dem Patienten auszuhändigen, ist in der Regel nicht zielführend,“ empfiehlt die Bundesapothekerkammer. Der Hintergrund ist klar: Auch wenn die Zahl der öffentlichen Apotheken zunehmend schwindet – der Kunde würde einfach in die nächste Apotheke gehen, um sich seinen Arzneimittel zu besorgen. Oder online bestellen – die Versandapotheken nehmen es offenbar häufig nicht so genau mit ihrer Beratungspflicht, wie mehrere Tests bereits ergaben.

Zusätzlich sollten Apotheker den Patienten raten, zum Arzt  zu gehen. Dieser müsse abklären, ob eventuell ein ambulanter oder gar stationärer Entzug erforderlich sei. Ein Analgetikaentzug ist bei 70 Prozent der Patienten erfolgreich und die Patienten sind anschließend von ihren Dauerkopfschmerzen befreit. Hingegen ist eine Umstellung auf ein anderes Schmerzmittel in der Regel nicht von Erfolg gekrönt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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