Gefahr durch Zecken

Frühsommer-Meningitis rückt nach Norden vor

Berlin - 07.03.2018, 09:00 Uhr

Der gemeine Holzbock (Ixodex ricinus) saugt sich an menschliche Haut. Die Gefahr einer FSME-Erkrankung wird häufig unterschätzt. (Foto: Imago)

Der gemeine Holzbock (Ixodex ricinus) saugt sich an menschliche Haut. Die Gefahr einer FSME-Erkrankung wird häufig unterschätzt. (Foto: Imago)


Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl der Frühsommer-Meningitis-Erkrankungen einen neuen Höchststand. Zwar traten die meisten Fälle in den bekannten Risiko-Gebieten Bayern und Baden-Württemberg auf. Allerdings breitete sich die Infektionskrankheit auch weiter im Norden aus. Das teilt die Universität Hohenheim mit. Zecken-Experten arbeiten an Projekten, um das Risiko der Ausbreitung künftig besser abschätzen zu können.

Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl der Patienten, die sich in Deutschland mit Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) infiziert hatten, einen traurigen Rekord. Laut einer aktuellen Pressemitteilung der Universität Hohenheim stellen die 497 gemeldeten Fälle einen neuen Höchststand seit Einführung der Meldepflicht im Jahr 2001 dar. Davon entfielen 85 Prozent der Fälle auf die süddeutschen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, die für ein hohes FSME-Infektionsrisiko bekannt sind. Allein 239 Fälle sind in Bayern aufgetreten.  

Neue „Hot-Spots“ im Norden entdeckt

Experten beschreiben, dass die Verbreitung des FSME-Virus in so genannten „Hot-Spots“ stattfindet. „Das erstaunliche ist, dass Zecken-Hot-Spots oft nicht größer als ein Fußballfeld oder nur halb so groß sind und über Jahre stabil bleiben“, erklärt Dr. Gerhard Dobler, Leiter der Abteilung für Virologie und Rickettsiologie am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München und des Nationalen Konsiliarlabors für FSME und auch Dozent an der Uni Hohenheim.

Diese Hot-Spots sind jedoch keine konstante Größe, sondern können sich verschieben.  „Einige Landkreise, die über Jahre hinweg Erkrankungen meldeten, blieben im vergangenen Jahr völlig unauffällig. In anderen trat die Krankheit erstmals und gleich auch besonders gehäuft auf“, berichtet Professor Dr. Ute Mackenstedt, Parasitologin der Universität Hohenheim.

So sind im vergangenen Jahr auch neue Hot-Spots in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin aufgetreten. Sogar Fälle aus den Niederlanden wurden erstmals berichtet.

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Neue Zeckenarten und alternative Infektionswege

Bisher gilt die Zeckenart Ixodes ricinus, der gemeine Holzbock, als der bekannteste FSME-Überträger. Vor zwei Jahren wurde das FSME-Virus auch in der zunehmend einwandernden Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) entdeckt. Ebenfalls in 2016 entdeckten Zeckenforscher die Spezies Ixodes inopinatus, die aus dem Mittelmeerraum eingewandert ist. Ob diese neue Zeckenart als FSME-Überträger in Frage kommt, ist noch unklar.

Abgesehen von Zeckenbissen, kann sich der Mensch auch durch infizierte Rohmilchprodukte anstecken. Das Krankheitsrisiko ist bei diesem Übertragungsweg dreimal so hoch wie nach einem Zeckenbiss. „Von 100 Personen, die von infizierten Zecken gebissen werden, bricht die Krankheit bei 30 Personen aus. Bei infizierter Rohmilch beobachten wir den Krankheitsausbruch bei 100 von 100 Personen“, erläutert Mackenstedt. In den letzten beiden Jahren wurden Einzelfälle von Infektionserkrankungen nach dem Genuss von Ziegen-Rohmilch bekannt.

Zwar ist dieser Infektionsweg seit der Einführung der Milch-Pasteurisierung eine Randerscheinung. Allerdings erfahren Rohmilchprodukte bei Personen, die sich naturbelassen ernähren wollen, eine zunehmende Beliebtheit.

Forschungsprojekte zur Risiko-Abschätzung

Zecken-Experten wollen sich künftig nicht nur darauf beschränken, nachträglich Statistiken auszuwerten, sondern planen zwei Projekte zur vorrausschauenden Risikoabschätzung. Das eine Projekt besteht in der Entwicklung einer Computersimulation, mit deren Hilfe Prognosen zum Zecken-Risiko an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten abgegeben werden könnten.

Das zweite Projekt widmet sich der Erforschung des Verhaltens und der Lebensräume von Zecken. Beispielsweise soll untersucht werden, ob es ökologische Gemeinsamkeiten bezüglich Flora und Fauna bei den Hot-Spots gibt. Damit erhoffen sich die Experten, die Verbreitungswege des Virus besser verstehen zu können.

Nur 20 Prozent der Deutschen sind geimpft

Eine Infektion mit FSME-Viren kann bei schwereren Verläufen zu Lähmungen, Koma, Krampfanfällen und in Einzelfällen auch zum Tode führen. Den zuverlässigsten Schutz neben angemessener Kleidung im Freien bietet die FSME-Impfung. Nach Informationen des Mediziners Dobler haben die FSME-Impfstoffe eine fast 100-prozentige Schutzwirkung und Komplikationen träten äußerst selten auf.

Die Impfung schützt sowohl durch den Infektionsweg durch Zeckenbisse als auch durch den Genuss von infizierter Rohmilch. Die Impfquote ist in Deutschland mit 20 Prozent relativ gering, während im Nachbarland Österreich mehr als 80 Prozent der Bevölkerung geimpft ist.

Quelle: Pressemitteilung der Universität Hohenheim



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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