Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes

Großhändler fürchten Fahrverbote

Berlin - 27.02.2018, 16:45 Uhr

Weniger Feinstaub: Das Bundesverwaltungsgericht hat örtliche Diesel-Fahrverbote erlaubt. Wie stark könnten der Großhandel und die Apotheken-Botendienste betroffen sein? (Foto: Imago)

Weniger Feinstaub: Das Bundesverwaltungsgericht hat örtliche Diesel-Fahrverbote erlaubt. Wie stark könnten der Großhandel und die Apotheken-Botendienste betroffen sein? (Foto: Imago)


Das Bundesverwaltungsgericht hat am heutigen Dienstag entschieden, dass Städte grundsätzlich Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge verhängen können, wenn gewisse Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten werden. Für viele Apotheken-Botendienste und Großhandelslieferungen könnte das problematisch werden. Der Großhandelsverband Phagro fordert Ausnahmeregelungen, wenn es tatsächlich zu Verboten kommen sollte.

Städte, in denen die Grenzwerte für Stickoxide nicht eingehalten werden, können Diesel-Fahrzeuge in Zukunft für den Straßenverkehr verbieten. Nach zwei Urteilen des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Dienstag könnten solche Fahrverbote auch ohne eine bundesweit einheitliche Regelung umgesetzt werden. Die Behörden vor Ort können somit selbst darüber entscheiden, ob es ein Verbot gibt oder nicht.

Im konkreten Fall hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen die Luftreinhaltepläne der Städte Düsseldorf und Stuttgart geklagt. Die Verwaltungsgerichte in den beiden Regionen hatten entschieden, dass die Städte ihre Luftreinhaltepläne strenger gestalten und auch Fahrverbote in Betracht ziehen müssen. Die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gingen gegen die Urteile allerdings in die ihnen ermöglichte Sprungrevision. Sie sind der Auffassung, dass es eine bundesweite Rechtsgrundlage für örtliche Fahrverbote brauche. Diese Auffassung wiesen die Richter in Leipzig jetzt aber zurück.

Phagro warnt vor Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung

Der Großhandelsverband Phagro warnt im Falle örtlicher Fahrverbote vor negativen Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung. Phagro-Chef Thomas Trümper erklärte in einer Mitteilung: „Es bleibt abzuwarten, ob Städte tatsächlich Fahrverbote verhängen. Wenn sie das tun, dann wird es je nach Länge des Fahrverbotes zu erheblichen Einschränkungen in der Arzneimittellieferung kommen.“ Wie viele Großhandels-Fahrzeuge mit einem Dieselmotor betrieben werden, ist unklar. Der Phagro erklärte dazu, dass die „überwiegende Anzahl“ der Großhändler Dieselautos betreibe. Nur in wenigen Fällen gebe es beispielsweise Fahrrad-Lieferungen.

Der Phagro weist in seiner Mitteilung darauf hin, wie wichtig schnelle Belieferungsmöglichkeiten sind: „Wer sich darauf berufen möchte, dass Apotheken für mehrere Tage die wichtigsten Arzneimittel vorrätig halten müssen, hat noch nichts von den Veränderungen in diesem Markt gehört. Seit es Rabattarzneimittel gibt, können Apotheken nicht jedes Arzneimittel, das die einzelne Kasse erstattet, am Lager haben. Hier ist man auf die schnelle Lieferung durch den Großhandel angewiesen.“ Dramatische Ausfälle erwartet der Verband nicht, schließlich gebe es „genügend“ andere Fahrzeuge. Aber: „Es kann besonders bei mehrtägigen Fahrverboten zu erheblichen Lieferproblemen kommen. Patienten warten in diesem Fall mitunter lange auf ein Arzneimittel.“

Gericht: Ausnahmen muss es geben

Der Großhandelsverband erwartet mit Blick auf eventuelle Verbote und dazugehörige Ausnahmefälle eine Diskussion darüber, was ein Notfall ist und was nicht. Zu vermeiden ist aus Phagro-Sicht dieses Szenario: „Letztendlich ist zu erwarten, dass der Ärger von Patienten auf dem Rücken der Apotheker ausgetragen wird, und der Großhandel wird hier wenig Mittel haben, in jedem Fall zu helfen.“ Interessant ist auch, dass Elektroautos für die Großhändler keine Alternative sind. Denn: „Die Behörden versuchen gerade den Großhandel zu zwingen, trotz der in der Regel kurzen Anfahrt die Temperatur im Laderaum zu stabilisieren. Das geht bei einem Elektrofahrzeug zu Lasten der Batterieleistung.“

Sollten sich die örtlichen Behörden tatsächlich für Verbote entscheiden, erwarten die Großhändler „erhebliche Einschränkungen in der Arzneimittellieferung“. Daher fordert der Phagro: „Aus diesem Grunde ist es sinnvoll, im Rahmen der Arzneimittellieferung über Ausnahmegenehmigungen nachzudenken.“

Wird es Ausnahmen für Botendienste und Großhändler geben?

Dass solche Ausnahmegenehmigungen für die Arzneimittelversorgung durchaus denkbar sind, zeigt der Entwurf des Luftreinhaltungsplanes Baden-Württemberg, den der Landesverkehrsminister Winfried Hermann im vergangenen Jahr vorstellte. Darin waren zwar Fahrverbote für alle Dieselautos unterhalb der Euro-6-Norm vorgesehen. Allerdings waren die Lieferungen der Großhändler und Apotheken-Botendienste ausdrücklich als Ausnahme im Entwurf vorgesehen. Auf Nachfrage von DAZ.online hatte das Regierungspräsidium Stuttgart bestätigt, dass die geplanten Ausnahmen vom Fahrverbot die Lieferdienste der Apotheken umfassen, „nicht aber die Fahrt von Kunden zur Apotheke, um sich mit Arzneimitteln zu versorgen.“

Und auch das Bundesverwaltungsgericht teilte nach seinem Urteil am heutigen Dienstag mit, dass „hinreichende Ausnahmen“ von den Verboten von Nöten seien. Das Gericht nannte hier allerdings nicht explizit den Großhandel oder die Apotheken-Botendienste, sondern lediglich „Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen“.

Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018, Az.: BVerwG 7 C 26.16 (Nordrhein-Westfalen) und BVerwG 7 C 30.17 (Baden-Württemberg)



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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