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Leberschäden durch Schöllkraut
Schulz-Asche attackiert Iberogast-Hersteller Bayer
Die Schweizer Arzneimittelbehörde hat kürzlich die
Arzneimittelinformation zu dem pflanzlichen Magen-Darm-Mittel Iberogast®
Tinktur angepasst. Grund waren Hinweise auf seltene, aber teils schwerwiegende
Leberschädigungen. Die grüne Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche hat
daraufhin bei der Bundesregierung nachgehakt: Sieht sie einen Anlass, Patienten
auf Risiken hinzuweisen? Die Antwort
von Staatssekretärin Ingrid Fischbach stellt Schulz-Asche keinesfalls zufrieden. Sie findet das Verhalten des Herstellers Bayer „skandalös”.
Das in Iberogast® – neben acht weiteren Arzneidrogen – enthaltene Schöllkraut steht schon seit längerem in dem Verdacht, leberschädigend zu wirken. Ein Stufenplanverfahren für Präparate zur innerlichen Anwendung führte im April 2008 zu einem Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Danach wurde die Zulassung für Arzneimittel mit einer Tagesdosierung von mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloiden widerrufen. Für Präparate mit einer Tagesdosierung von 2,5 µg bis höchstens 2,5 mg Gesamtalkaloide wurden Änderungen der Produktinformationen angeordnet. So sollte im Abschnitt „Nebenwirkungen“ auf bekannte Fälle von Leberschädigungen und -versagen hingewiesen werden. Absolute Gegenanzeigen sollte es geben bei bestehenden oder früheren Lebererkrankungen, oder gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln mit leberschädigenden Eigenschaften, sowie in der Schwangerschaft. Außerdem sollten bei einer Anwendung von mehr als vier Wochen die Leberfunktionswerte (Transaminasen) kontrolliert werden. Allerdings: Der Bescheid aus dem Jahr 2008 ist bis heute nicht bestandskräftig. Ein Widerspruch des damaligen Iberogast-Herstellers Steigerwald sorgte dafür. Der Konzern Bayer, der Steigerwald 2013 übernommen hat, erklärte auf Nachfrage von DAZ.online, am 31. Juli 2017 sei für Iberogast® gegen den Stufenplanbescheid Klage eingereicht worden. Das hemmt die Rechtskraft weiterhin.
Schweizer geben Anlass für schriftliche Anfrage
Die Arzneimittelbehörde der Schweiz (Swissmedic) ist dagegen kürzlich tätig geworden, nachdem neue Verdachtsfälle gemeldet wurden. Diese haben die Behörde veranlasst, in der Fachinformation für Iberogast® Tinktur die Rubriken „Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen“ und „unerwünschte Wirkungen“ sowie die Patienteninformation zu ergänzen. Dabei handelt es sich ausdrücklich um eine Anpassung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes. Sollte die Anpassung der endgültigen gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, werde Swissmedic darüber zu gegebener Zeit informieren, heißt es.
Die Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche (Grüne) hat sich daraufhin mit folgender Frage an das Bundesgesundheitsministerium gewandt: „Wie beurteilt die Bundesregierung die Gesundheitsgefahren des Schöllkraut enthaltenden Arzneimittels Iberogast® vor dem Hintergrund der kürzlich veranlassten Anpassung der Arzneimittelinformation des Schweizerischen Heilmittelinstituts und sieht sie darin einen Anlass, Patientinnen und Patienten auf mögliche Gesundheitsrisiken hinzuweisen?“
Schulz-Asche: Patienten bleiben wichtige Infos vorenthalten
Die parlamentarische Staatssekretärin Ingrid Fischbach verweist in ihrer Antwort auf das genannte Stufenplanverfahren des BfArM. Unter der Voraussetzung der Umsetzung der geforderten Texte werde die Wirksamkeits-Risiko-Relation für Iberogast® weiterhin als positiv erachtet. Allerdings bestätigt auch Fischbach: „Die Entscheidung des BfArM ist derzeit Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung. Deshalb besteht derzeit keine Verpflichtung des pharmazeutischen Unternehmens zur Umsetzung dieser vorn BfArM angeordneten Textänderungen.“ Mit Blick auf die Patienten schreibt die Staatssekretärin, dass diese – wie bei jeder medikamentösen Therapie – gehalten seien, ihre Reaktionen auf eingenommene Arzneimittel genau zu beobachten. Mögliche unerwünschte Arzneimittelreaktionen (UAW), insbesondere neu auftretende Symptome, sollten sie umgehend mit ihrem behandelnden Arzt oder Apotheker besprechen, gegebenenfalls das Arzneimittel absetzen, sowie dem BfArM selbstständig oder durch die Heilberufler eine entsprechende UAW-Meldung übersenden.
Faktisch negatives Wirksamkeits-Risiko-Verhältnis?
Diese Antwort veranlasste Schulz-Asche umgehend zu einer weiteren Nachfrage: Wie könne die Bundesregierung die derzeitige Zulassung von Iberogast verantworten, wenn die von ihr angenommenen Voraussetzungen für eine positive Wirksamkeits-Risiko-Relation derzeit nicht gegeben sind? Schließlich falle die Wirksamkeits-Risiko-Relation damit zurzeit faktisch negativ aus.
Darauf antwortete Fischbach knapp: „Nach Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte wird die Evidenzlage zum gegenwärtigen Zeitpunkt so bewertet, dass derzeit ein weiteres Inverkehrbringen von Iberogast® im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit nicht als unvertretbar angesehen wird.“
Schulz-Asche hat kein Verständnis für diese Situation: „Es ist skandalös, dass eine Arzneimittelbehörde ausdrücklich von der Einnahme eines Arzneimittels abrät und diese wichtigen Informationen den Betroffenen, also vor allem Schwangeren und Kranken, vorenthalten werden“. Das BfArM sage „klipp und klar“, dass Iberogast von Schwangeren und Stillenden nicht eingenommen werden soll. „Dass der Hersteller Bayer das nicht in seine Packungsbeilage aufnimmt und sogar auf seinem Internetauftritt im Zusammenhang der Einnahme von Iberogast während der Schwangerschaft die angeblich ‚gute Verträglichkeit‘ des ‚rein pflanzlichen‘ Arzneimittels betont, ist ein Skandal!“
Die Grüne räumt ein, dass Bayer bis zum Ende des laufenden Gerichtsverfahrens rechtlich nicht an den Bescheid des BfArM gebunden sein mag – aber hier müsse der Patientenschutz im Vordergrund stehen. Bayer stehe klar in der Verantwortung, seine schutzbedürftigen Patientinnen und Patienten offen und transparent über alle möglichen Risiken zu informieren, ist Schulz-Asche überzeugt. Eigentlich müsse Iberogast® ohne die entsprechenden Warnhinweise sofort vom Markt genommen werden. „Stattdessen verdient Bayer munter weiter im dreistelligen Millionenbereich. Das ist an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten.“
Sowohl Bayer als auch das BfArM wollten sich angesichts des laufenden Verfahrens nicht genauer zu Einzelheiten äußern.
5 Kommentare
Arznei-Telegramm
von Leserin am 26.02.2018 um 13:58 Uhr
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Leberschäden
von Fubke am 26.02.2018 um 10:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Leberschäden - unklar ist Ursache!
von Andreas P. Schenkel am 27.02.2018 um 19:23 Uhr
Grüne, wollen halt auch wieder mal in die Presse
von Ratatosk am 24.02.2018 um 8:55 Uhr
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Da liegen mehrere Irrtümer vor
von Andreas P. Schenkel am 23.02.2018 um 19:37 Uhr
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