Beratungs-Quickie

Einfach nur schlucken?

Stuttgart - 01.02.2018, 14:30 Uhr

Zum Glück sind Tabletten und Kapseln kleiner als die Beute des Reihers – aber sind sie auch leichter zu schlucken? (Foto: Olympixel / stock.adobe.com)

Zum Glück sind Tabletten und Kapseln kleiner als die Beute des Reihers – aber sind sie auch leichter zu schlucken? (Foto: Olympixel / stock.adobe.com)


Wann muss welches Arzneimittel eingenommen werden? Darum drehen sich Beratungsgespräche in der Apotheke wohl am häufigsten. Wie Arzneimittel einzunehmen sind, ist eine andere Frage: Denn selbst das Schlucken „banaler“ Darreichungsformen, wie Tabletten und Kapseln, stellt nicht nur ältere Patienten und Kinder immer wieder vor Probleme. Lesen Sie diese Woche den DAZ.online-Beratungs-Quickie zum Thema „Schlucken“. 

Nicht nur Kinder, auch Erwachsene haben teilweise Schwierigkeiten beim Schlucken von festen Arzneiformen – ohne im Alltag Probleme, beispielsweise beim Schlucken von Nahrungsmitteln, zu zeigen. Da genügt manchmal der Anblick der riesig erscheinenden Tablette und schon blitzt die Aussichtslosigkeit in den Augen der Patienten auf: „Wie soll ich das denn schlucken?!“

Das Problem

Man kann kein konkretes Alter benennen, ab dem Kinder sicher feste orale Arzneiformen schlucken können. Bei normalem Entwicklungsstatus geht man davon aus, dass zwischen sechs und sieben Jahren zuverlässig geschluckt werden kann – die Spanne ist jedoch nach oben und unten groß. Bei Erwachsenen können verschiedene neurologische Erkrankungen, wie Morbus Parkinson, Schluckstörungen zugrunde liegen. Daneben gibt es weitere vielfältige Ursachen. Die Daten sind insgesamt uneinheitlich: Die Prävalenz Erwachsener mit Problemen beim Schlucken fester Peroralia schwankt zwischen 15 bis 70%.

Klar ist: Das Schluck-Problem existiert. Außerdem nimmt es mit dem Alter aus diversen Gründen zu. Schluckprobleme können nicht nur zu einer unsachgerechten Einnahme der Peroralia führen. Teilweise entscheiden die Patienten auch eigenmächtig, die Tabletten oder Kapseln überhaupt nicht einzunehmen. Auch sollte vor allem bei Pflegebedürftigen immer an die Gefahr der Aspiration gedacht werden.

Liegt also ein Verdacht auf Schluckprobleme vor, sollten von der Apotheke direkt professionelle Lösungswege angeboten werden. Neben der Größe können auch die Form, die Oberflächenbeschaffenheit und der Geschmack zu Schluckproblemen führen.

Schnelle Tipps: Tabletten, Kapseln und die Kopfstellung

Eine positive Nachricht vorweg: Es scheint so, als ließe sich das Schlucken trainieren. Wer also längerfristig Medikamente einnehmen muss, seine Tabletten nicht zerkleinern darf und die Kapseln nicht öffnen sollte oder kann, der kann versuchen, seine Schluckfähigkeit unter Anleitung zu trainieren.

An zwei Stellschrauben denkt man in der Apotheke wohl als erstes: Ausreichende Flüssigkeitsmengen und die richtige Position des Oberkörpers. Diese beiden lassen sich meist leicht beeinflussen. Es gilt: Feste Peroralia sind aufrecht (mindestens 45°-Winkel), also sitzend oder stehend und mit mindestens 200 ml Leitungswasser einzunehmen. Getrunken werden sollte in wenigen, möglichst großen Schlucken. Der erste Schluck sollte der größte sein, weil das „Nachtrinken“ an der Ösophagus-Schleimhaut klebende Arzneiformen nicht immer zuverlässig ablöst.

Die Kopfstellung

Wem es schwer fällt, eine Tablette zu schlucken, der neigt dazu, seinen Kopf weit in den Nacken zu legen. Weil diese Stellung den Ösophagus-Eingang aber verengt, sollte den Patienten geraten werden, den Kopf gar nicht zu neigen beziehungsweise ihn sogar leicht nach vorne (unten) zu beugen.

Kapseln

Hartkapseln schwimmen oben auf der Wasserportion im Mund, wenn der Kopf in den Nacken gelegt wird. Neigt man den Kopf hingegen nach vorn, schwimmt die Kapsel nach oben in Richtung Rachen. Durch den Kontakt mit der Rachenwand, setzt der automatische Schluckreflex ein. Hierbei ist es wichtig, nach dem ersten kleinen Schluck aus Wasser plus Kapsel, einige Schlucke Wasser hinterherzutrinken, um ein ausreichendes Flüssigkeitsvolumen zu erreichen.

Weichkapseln können, wenn sie nicht mit einem Schutzfilm überzogen sind, auch aufgebissen und gekaut werden. Der Geschmack (und reizende Wirkstoffe!) kann bei dieser Methode aber limitierend sein. Außerdem sollte man die Gelatinehülle mitschlucken, damit kein Wirkstoff verloren geht.

Tabletten

Wenn große Tabletten Schwierigkeiten bereiten, hilft oft die „Pop-Bottle-Methode“: Die Tablette wird zunächst auf die Zunge gelegt und man trinkt anschließend das Leitungswasser aus einer PET-Flasche. Die Trinköffnung sollte nicht zu eng sein, aber dicht von den Lippen umschlossen werden können, sodass beim Trinken „gesaugt“ werden muss. Der Kopf wird beim Trinken leicht nach hinten geneigt. Patienten mit neurologischen Störungen sollten diese Methode jedoch nicht anwenden.

Schluckhilfen

In Deutschland ist das Produkt Medcoat® Schluckhilfe (Lebensmittel) auf dem Markt. Es handelt sich um ein hochviskoses Überzugsmaterial, das auch für Kinder Schluckerleichterung bringen soll. Der Überzug aus Maltitol, Gelatine und pflanzlichem Fett enthält außerdem ein Geschmack-korrigierendes Zitronenaroma. Der Tablettenzerfall soll durch den Überzug nicht therapierelevant verzögert werden.

Die Überzugsmasse ist in einer Art Blisternapf enthalten, den der Patient (nach Entfernen der Folie) mit der Tablette durchsticht und sie anschließend hindurchschiebt

Trinkbecher

Wenn die Schluckprobleme nur bei Tabletten, Dragees und Kapseln auftreten, nicht aber bei Nahrungsmitteln, könnten spezielle Trinkbecher helfen. In deren Mundstück befindet sich eine Art Gitter, in das die Tablette eingelegt werden kann (z.B. oralflo.com). 

Wenn zerkleinern oder öffnen möglich ist 

Pulver oder Granulate lassen sich oft leichter mit kleinen Portionen breiförmiger Nahrungsmittel schlucken (zum Beispiel Wackelpudding, Apfelmus, Pudding, Eiscreme, Joghurt Kartoffelpüree – abhängig vom Wirkstoff), als mit Flüssigkeiten. Die Mischungen müssen direkt verzehrt werden. Bananensaft beispielsweise ist auch von höherer Viskosität und kann das Schlucken ebenso erleichtern. Anschließend sollte Wasser getrunken werden.

Die Fresenius Kabi Deutschland GmbH vermarktet ihr Thick & Easy™ Instant Andickungspulver (modifizierte Maisstärke und Maltodextrin; Lebensmittel) speziell für Kunden mit Schluckschwierigkeiten. Die Konsistenz kann je nach Wasserzugabe variiert werden.

Letztlich, ist eine flüssige alternative Arzneiform auf dem Markt, kann auch immer noch der Wechsel zu Tropfen, Säften oder Brausetabletten in Erwägung gezogen werden. Weitere Hilfen – wenn vorhanden – sind orodispersible Granulate und Lutsch- oder Schmelztabletten.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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