Heinz-Uwe Dettling zum 2HM-Papier

Rechtsexperte: Honorar-Gutachten rechtlich unbrauchbar

Stuttgart - 24.01.2018, 17:50 Uhr

 Rechtsanwalt Heinz-Uwe Dettling (Foto: Oppenländer)

 Rechtsanwalt Heinz-Uwe Dettling (Foto: Oppenländer)


Während die ABDA das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zum Apothekenhonorar öffentlich nicht diskutieren möchte, lässt das Papier dem Berufsstand keine Ruhe: Honorarkürzungen in Milliardenhöhe werden darin vorgeschlagen. Dies könnte sich existenzbedrohend auf viele Apotheken auswirken. In der DAZ wurde das Gutachten bisher aus ökonomischer, betriebswirtschaftlicher und pharmazeutischer Sicht analysiert. Nun gibt Gesundheitsrechtsexperte Heinz-Uwe Dettling seine Stellungnahme ab.

„Das Honorargutachten springt zu kurz. Es ist in seiner Argumentation zu oberflächlich und in vielen Punkten widersprüchlich“, erklärt Rechtsanwalt Heinz-Uwe Dettling in seiner rechtlichen Stellungnahme zum Honorargutachten. Die Apotheken in Deutschland hätten einen gesetzlichen Versorgungsauftrag, der als Maßstab der Arzneimittelpreisregulierung dienen müsse und nicht umgekehrt. Dettling betont, dass die komplexe Gesamtleistung dabei nicht an der Zahl der abgegebenen Packungen gemessen und honoriert werden dürfe.

Obwohl die Gutachter schon jetzt rund die Hälfte aller Apotheken als wirtschaftlich gefährdet ansehen, würden sie trotzdem eine massive Reduzierung der Vergütung vorschlagen. Die flächendeckende Arzneimittelversorgung könne so nicht mehr gewährleistet sein und damit entferne sich das Gutachten von seinem eigentlichen Thema, stellt Dettling fest.

Heinz-Uwe Dettling ist Gründungspartner der Kanzlei Oppenländer Rechtsanwälte in Stuttgart, Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Gesundheitsrecht und Lehrbeauftragter der Universität Hohenheim für den Bereich „Gesundheitswirtschaftsrecht“. In jüngster Vergangenheit hat er u. a. Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum Impfstoffversand an Ärzte sowie vor dem Europäischen Gerichtshof zum Fremdbesitzverbot bei Apotheken geführt.


Das einzige, was nach dem angeblich „gesetzeskonform abgeleiteten“ Konzept der packungsdurchschnittsaufwandsbezogenen Rx-Vergütung sicher ist,
ist die finanzielle Entlastung der Kostenträger um 1,24 Mrd. € pro Jahr.

Dr. Heinz-Uwe Dettling


Das mehr als 350-seitige Gutachten der Agentur 2HM war kurz vor Weihnachten auf der Homepage des Bundeswirtschaftsministeriums unkommentiert veröffentlicht worden, nachdem immer mehr Details aus Vorabversionen durchgesickert waren. Zwar gibt es noch keine offiziellen und ausführlichen Stellungnahmen von Seiten des Ministeriums oder aus der Gesundheitspolitik, doch sind Krankenkassenvertreter bereits auf das Gutachten eingegangen und haben es als Argumentationsgrundlage ihrer Positionen verwendet.

Ein Gutachten voller Rechtsfehler

Dettling kritisiert die „zu oberflächliche Gedankenführung“. Das Gutachten verkenne, „dass es ohne Apotheken und ohne Großhandel auch keine Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gibt“. Das tragende Argument des Honorargutachtens wäre, dass die „Quersubventionierung“ anderer Produkte aus verschreibungspflichtigen Arzneimitteln rechtlich unzulässig sei. Diese Annahme ist laut Dettling aber zu stark vereinfacht und würde darauf hinweisen, dass die Gutachter offenbar juristisch nicht ausgebildet seien. Darüber hinaus wäre rechtliche Normgebung als soziale Gestaltungsaufgabe viel komplexer als die bloße Kalkulation von Durchschnittskosten pro Packung.

Weitere Kritikpunkte findet der Jurist in den Ausführungen des Gutachtens zur flächendeckenden Versorgung, des sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots und zum Unternehmerlohn.

Dettling folgert, dass die Preise von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die wirtschaftliche Existenzfähigkeit von Apotheken und Großhandel sichern müssen. Letztlich diene dies alles dem Finalziel, das Leben und die Gesundheit der Menschen zu schützen. Doch die packungsorientierte Verrechnung sei dafür nicht geeignet. Somit sei das Honorargutachten rechtlich unbrauchbar und biete keine konkrete Lösung.

Beim Pharmacon in Schladming hatte sich die oberste Standesvertretung der Apotheker zum Honorargutachten nur zurückhaltend geäußert. Der Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK) Andreas Kiefer bezeichnete das Papier in seiner Eröffnungsrede als „Thema verfehlt“ und „nicht zu korrigieren“. Während der berufspolitischen Diskussion einige Tage später wurden er und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt für diese Informationspolitik zum Teil heftig kritisiert. „Dieser Text, der jetzt vorliegt, darf keine Grundlage für eine echte politische Auseinandersetzung werden, weil er dafür ungeeignet ist“, so der ABDA-Präsident. Nach Ansicht Schmidts enthält das „Schubladen-Gutachten“ derart viele falsche Prämissen, die unweigerlich zu falschen Schlussfolgerungen führen. Das sei für eine Reform der Arzneimittelpreis-Verordnung keine geeignete Basis. Dies bedeute jedoch nicht, dass die ABDA sich nicht mit dem Honorargutachten auseinandersetze, sie beschäftige sich seit Wochen intensiv mit dem Gutachten.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Gutachten-Zerpflückung

von Dr.Diefenbach am 24.01.2018 um 19:43 Uhr

Wenn das SO ist mit der Qualität dieses 450 TE teuren Monstrums,dann ist die breit angelegte Debatte und die öffentliche Kritik von uns erst recht angezeigt.Dr.Müller-Bohn zeigte den wirtschaftlichen Sachverhalt als in vielen Bereichen unhaltbar auf,jetzt kommt der juristische Nackenschlag.Ergo muss man sich in den Ländern innerhalb der 34 Organisationen massiv mit dem Papier auseinandersetzen.Dazu braucht man es.Denn die"anderen"benutzen es(bereits).Meine Frage auch heute:WO ist unser Papier?

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