Zwei-Klassen-Medizin bei Influenzaimpfstoffen?

Bezahlt die GKV wirklich nur die dreifache Grippeimpfung?

Stuttgart - 25.01.2018, 09:00 Uhr

Was erstatten die Krankenkassen? Die Dreifach- oder die Vierfachimpfung bei Grippe? (Foto: ykordik / Stock.adobe.com)

Was erstatten die Krankenkassen? Die Dreifach- oder die Vierfachimpfung bei Grippe? (Foto: ykordik / Stock.adobe.com)


GKV-Patienten erhielten lediglich eine Dreifachimpfung gegen saisonale Influenza, wohingegen Privatpatienten den „besseren“ Vierfach-Impfschutz bekämen. So lautet der mediale Tenor der leidigen Grippeschutzimpfungs-Debatte. Zwei-Klassen-Medizin. Doch stimmt das überhaupt? Erstattet die GKV tatsächlich nur die trivalente Influenzaimpfung? Woher stammt diese Annahme einiger GKV-Patienten?

Mit Beginn der kommenden Influenzasaison 2018/19 ändert die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) ihre Empfehlung zur Grippeimpfung. Sah die STIKO bis Ende des vergangenen Jahres keinen grundsätzlichen Vorteil eines quadrivalenten Impfstoffes gegenüber einem rein trivalenten, hat sie diese Einschätzung im November 2017 revidiert. Sie kommt zu dem Schluss, „dass quadrivalente Influenzaimpfstoffe in Saisons, in denen Influenzaviren der nicht in trivalenten Impfstoffen enthaltenen Influenza B-Viruslinie (ko-)zirkulieren, einen besseren Schutz vor einer Influenzaerkrankung bieten als trivalente Impfstoffe.“ 

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Wirkt die aktuelle Grippeimpfung?

Das ist in der aktuell grasierenden Grippewelle tatsächlich der Fall: Für 60 Prozent aller beim RKI dokumentierten Grippefälle zeichnen Influenza B-Viren der Yamagata-Linie verantwortlich – vor diesen schützt lediglich der vierfache saisonale Grippeimpfstoff. In der nächsten Grippesaison soll dies nicht mehr passieren: „Die STIKO hat  (…) beschlossen, die Impfung gegen saisonale Influenza mit einem quadrivalenten Influenzaimpfstoff zu empfehlen“. Uneingeschränkt.  

GKV-Patienten fühlen sich benachteiligt

Ob sich damit auch die Diskussion über dreifache und vierfache Impfung – welcher Patient bekommt was, welche Krankenkasse erstattet welche – endgültig erledigt? Denn eine medizinische Impfempfehlung von Fachgesellschaften ist für Patienten die eine Sache. Doch, was manche Patienten mindestens genauso beschäftigt: Bezahlt auch ihre Krankenkasse diese Impfung? Bis dato fühlen sich GKV-Patienten hier teilweise gegenüber privat Krankenversicherten benachteiligt. Der Vorwurf zielt sinngemäß Richtung Zwei-Klassen-Medizin: Privatpatienten erhielten regelhaft eine vierfache Grippeimpfung und folglich einen besseren Schutz, während die GKV ihren Versicherten lediglich die dreifache Impfung erstatte. Aber ist das überhaupt so? Stimmt es wirklich, dass die GKV die Vierfachimpfung nicht bezahlt?  

Wer entscheidet, welche Impfung Patienten kostenfrei erhalten?

Die Antwort ist so einfach wie kurz: nein. Die Entscheidung, für welche Impfungen die GKV aufkommt, trifft der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Und für diese Entscheidung zieht der G-BA die Schutzimpfungs-Richtlinie zu Rate: „Versicherte haben Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss auf der Grundlage der Empfehlungen der STIKO in Anlage 1 zu dieser Richtlinie aufgenommen wurden.“ Das heißt: Der G-BA orientiert sich bei seiner Entscheidung an den Empfehlungen der STIKO.

G-BA-Beschluss zur Impfung fußt auf STIKO-Empfehlung

In aller Regel folgt der G-BA auch diesen von der Ständigen Impfkommission ausgesprochenen fachlichen Empfehlungen und darf  nur mit „besonderer Begründung“ davon abweichen. Was bedeutet das? Das heißt, dass auch heute bereits die GKV eine vierfache Grippeschutzimpfung für ihre Versicherten erstattet – die STIKO hatte bislang keine Impfung präferiert, die Schutzimpfungs-Richtlinie enthielt somit keine präzise Ansage, ob Ärzte tri- oder quadrivalente Impfstoffe einsetzen sollen: „Nach der bisherigen in der Schutzimpfungsrichtlinie verankerten Impfempfehlung, die für die GKV gilt, gibt es keine verbindliche Regelung, ob für die Impfung ein Drei- oder Vierfachimpfstoff zu verwenden ist“, nimmt Professor Josef Hecken von Seiten des G-BA Stellung. Hecken ist unparteiischer Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses. Woher stammt die irrtümliche Annahme? 

Impflücke bei Rabattverträgen über Grippeimpfstoffe

Ob Ärzte ihren Patienten einen Dreifach- oder Vierfachimpfschutz gegen Grippe verabreichen, diese Frage stellt sich erst seit der Influenzasaison 2013/14 – davor bot der Impfmarkt nämlich ausschließlich trivalente Impfstoffe gegen die saisonale Influenza. In der Tat ist es auch so, dass GKV-Patienten in den vergangenen Saisons grundsätzlich die trivalente Impfung erhalten haben – aber aus dem einfachen Grund der bestehenden Rabattverträge.

So hatte die AOK, die die Impfstoffabrechnung als Teil des Sprechstundenbedarfs stellvertretend für die GKV übernimmt, ausschließlich Rabattverträge über Dreifachimpfstoffe bei Grippe abgeschlossen. Diesen exklusiven Rabattverträgen für Impfstoffe hat das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) einen Riegel vorgeschoben. Ganz verschwunden sind diese Impfstoff-Rabattverträge beim Grippeschutz allerdings noch nicht. Zwar dürfen keine neuen Rabattverträge über Grippeimpfstoffe abgeschlossen werden, aber viele Verträge erstrecken sich bis in die Saison 2018/2019. Und die Kassenärztlichen Vereinigungen sowie die AOK „empfehlen“ den Ärzten aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, auch weiterhin die rabattierten Impfstoffe zu verabreichen. Wollen Ärzte von den rabattierten Impfstoffen abweichen, sollten sie das derzeit nur in begründeten Einzelfällen tun. Eine bundesweit einheitliche Regelung existiert derzeit nicht. Manche Bundesländer, unter anderem Baden-Württemberg und Bayern, halten noch an den Rabattverträgen fest. Andere Bundesländer rechnen Höchstpreise im Sprechstundenbedarf ab, so beispielsweise Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Nach neuer STIKO-Empfehlung: Wie geht es weiter mit der Grippeimpfung?

Mit der Änderung der STIKO-Empfehlung hin zur grundsätzlichen Vierfachimpfung bei Grippe muss sich nun auch der G-BA beschäftigen. Hecken äußert sich hierzu: „Nachdem die STIKO in ihrer Empfehlung vom 11. Januar 2018 für die Zukunft die Vierfachimpfung präferiert hat, wird der G-BA zügig über die Fragestellung beraten und entscheiden, ob diese Präferierung auch in die Schutzimpfungsrichtlinie übernommen wird. Hierfür besteht eine gesetzliche Frist von maximal drei Monaten."



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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