Arzneimittelinformationen

Wie könnte das neue Arztinformationssystem aussehen?

Berlin - 11.12.2017, 17:30 Uhr

Wie sieht die optimale Arztinformation zu neuen Arzneimitteln aus? (Foto: contrastwerkstatt / stock.adobe.com)

Wie sieht die optimale Arztinformation zu neuen Arzneimitteln aus? (Foto: contrastwerkstatt / stock.adobe.com)


Das 2011 in Kraft getretene AMNOG mit seinen Regelungen rund um die frühe Nutzenbewertung ist noch immer ein lernendes System. Ein Knackpunkt ist, wie die Bewertungen des Gemeinsamen Bundesausschusses in die ärztliche Praxis gelangen. Das soll künftig ein Arztinformationssystem richten. Doch wie sollte dieses konzipiert sein? Dr. Antje Haas vom GKV-Spitzenverband hat dazu schon recht klare Vorstellungen – und zwar jenseits der oft befürchteten „Ampel“.

Die Regelungen, die mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) geschaffen wurden, insbesondere für neue Arzneimittel, hat der Gesetzgeber von Anfang an als „lernendes System“ verstanden. Es war damals schließlich ein ganz neues Vorgehen, so direkt in den Markt der patentgeschützten Arzneimittel, der Innovationen einzugreifen. Und tatsächlich wurde seit 2011 schon an einigen Stellen nachjustiert. Doch Baustellen gibt es noch immer – mögen die verschiedenen Beteiligten diese auch an unterschiedlichen Stellen liegen sehen.

Einen oft beklagten Punkt hat der Gesetzgeber dieses Jahr in seinem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) aufgegriffen. Wie im Pharmadialog verabredet – wenngleich nicht ohne Zähneknirschen der Industrie – soll künftig ein in die Arzt-Software eingepflegtes Informationssystem dafür sorgen, dass Mediziner einfach und schnell über die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung Bescheid wissen. Denn derzeit sind die entsprechenden oft sehr kleinteiligen Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) keine leichte Lektüre – schon gar nicht im eng getakteten ärztlichen Alltag. Und Verordnungsauswertungen zeigen, dass sie auch nur schwerlich im Versorgungsalltag ankommen.

Hersteller fürchten Ampel

Doch besagtes Arztinformationssystem (AIS) sorgte von Anfang an für Differenzen zwischen Krankenkassen und Industrie, aber auch der Ärzteschaft. Geht es wirklich nur um sachliche Information? Oder sollen die Ärzte, die explizit ihre Therapiehoheit behalten sollen, nicht doch gesteuert werden? Die Industrie fürchtete vor allem ein Ampel-Schema ohne Zwischentöne, das es Innovationen erst recht schwer machen würde, sich zu etablieren. Noch muss das Bundesgesundheitsministerium eine Rechtsverordnung ausarbeiten, die die Details des AIS regeln soll. Doch auch andere machen sich Gedanken um die genaue Ausgestaltung.

Dr. Antje Haas, Abteilungsleiterin Arznei- und Heilmittel beim GKV-Spitzenverband, stellte am heutigen Montag bei der Handelsblatt-Tagung „Health“ ein Konzept für ein solches AIS vor – und machte zugleich das Spannungsfeld deutlich, in dem sich das Vorhaben bewegt. Sie betonte, es sei wichtig, dass der Arzt die nötigen Informationen schnell und intuitiv erhält und dabei seine Therapiehoheit gewahrt bleibt. Das System sollte zwar nur Empfehlungscharakter haben – aber auch berücksichtigen, dass manche Ärzte mehr Hilfe wollen, um gut und wirtschaftlich zu verordnen. So könnte das AIS sie auch vor Regressen schützen. Haas hat die Hoffnung, dass sich mit dem neuen System die Wirtschaftlichkeitsprüfungen für die Ärzte erledigt haben könnten.

Mischpreise versus indikationsspezifische Preise

Nach Haas' Vorstellung sollte das neue Modul in der Software nur ein einziges obligatorisches Fenster haben, in dem in Kürze die G-BA-Beschlüsse, das Anwendungsgebiet und die Teilindikationen beschrieben sind. Zugleich soll dem Arzt aber fakultativ möglich sein, tiefer in die Materie einzusteigen. So soll er etwa über einen weiteren Klick nachlesen können, worauf der gegebenenfalls festgestellte Zusatznutzen genau fußt und welche wirtschaftlichen Alternativen es gibt. Schließlich soll es noch einen Abgleich mit den in der Software hinterlegten Patientendaten geben. Und zu guter Letzt müsste auch an die Kasse eine Info zur Verordnung fließen – allerdings ohne direkten Patientenbezug, wie Haas verspricht. So wollen die Kassen künftig mehr Aufschluss haben, wie indiktionsspezifisch die AMNOG-Arzneien eingesetzt werden. Eine „Ampel“ sieht dieses System nicht vor.

Haas machte auch deutlich, dass so einige Sorgen der Hersteller angekommen sind. Gedanken machen müsse man sich etwa für den Fall, dass ein neues Arzneimittel für die frühe Nutzenbewertung mit einem anderen AMNOG-Arzneimittel verglichen wird, welches einen „erheblichen“ Zusatznutzen gegenüber seiner Vergleichstherapie aufgezeigt hatte. Könne nun das neuere Mittel „keinen Zusatznutzen“ gegenüber diesem anderen AMNOG-Mittel belegen und würde nur diese Information in der Arztsoftware erscheinen, so wäre dies „ungerecht“.     

Skeptische Ärzte

Dr. Jörg Berling, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, ist dennoch skeptisch. Er kann sich nicht vorstellen, dass das System so mühelos für  die Ärzte sein wird, wie Haas es schildert. Schon jetzt müssten Ärzte an so vielen Stellen ihre Klicks setzen – zusätzliche Anforderungen sind daher kaum erwünscht. Zudem bestehe die Furcht, von den Kassen gesteuert zu werden. Haas trat den Befürchtungen entgegen: Wenn es solche Ängste gebe, bestehe die Möglichkeit, das System schrittweise einzuführen. Zudem handele es sich nur um ein obligatorisches Chart – und Haas, die selbst 25 Jahre als Ärztin tätig war – hat keine Bedenken, dass dies zu bewältigen ist.

Abseits des AIS sieht Haas aber auch an anderen Stellen Bedarf zur Weiterentwicklung des AMNOG. So erwartet sie in der nächsten Legislaturperiode unter anderem eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob es künftig indikationsspezifische statt Mischpreise geben könnte. Bislang wird nach erfolgter früher Nutzenbewertung eines Arzneimittels nur ein Preis als Erstattungsbetrag vereinbart. Dabei ist gleichgültig, ob der Arzt es tatsächlich in einer Indikation beziehungsweise Patientengruppe einsetzt, für die ein Zusatznutzen belegt ist – oder nicht. Diesen Ansatz hat kürzlich allerdings das Landessozialgericht Berlin Brandenburg infrage gestellt. Und auch für Haas hat es seinen Charme, gleich zu indikationsspezifischen Preisen zu kommen. Das könnte aus ihrer Sicht eine evidenzbasierte Arzneimittelvergütung unterstützen.  



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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