Retax-Quickie

Wie lange kann die Apotheke ein Rezept abrechnen?

Stuttgart - 09.11.2017, 12:30 Uhr

Unter dem Regal gefunden: Ein bereits beliefertes Rezept. Seit
Ausstellungsdatum sind drei Monate vergangen. Bekommt die Apotheke noch ihr Geld?
(Foto: wildworx / stock.adobe.com)

Unter dem Regal gefunden: Ein bereits beliefertes Rezept. Seit Ausstellungsdatum sind drei Monate vergangen. Bekommt die Apotheke noch ihr Geld? (Foto: wildworx / stock.adobe.com)


In der Apotheke sind Rezepte geldwert, und so ist es unwahrscheinlich, dass ein beliefertes Rezept verspätet zur Abrechnung eingereicht wird. Hin und wieder geschieht im Apotheken-Alltag aber auch Unwahrscheinliches: Rezepte sind leicht und dünn, fliegen also gerne unbemerkt unter Tische und Schränke, unerwartet werden sie dann wiedergefunden. Manchmal „zu spät“. Doch wann ist es zu spät für die Abrechnung?

Vorlagedatum, Abgabedatum und Abrechnungsdatum: Alle spielen bei der Rezeptabrechnung eine Rolle und bergen ihr eigenes Retaxrisiko. Aber was hat es mit einer „verspäteten Abrechnung“ eigentlich auf sich? Wie lange hat die Apotheke Zeit, ihre Rezepte den Krankenkassen in Rechnung zu stellen? 

Die „Rechnungslegung“

Ganz so selten kann die Frage nach der rechtzeitigen Abrechnung nicht sein, denn auch im FAQ-Bereich der VSA (Verrechnungsstelle Süddeutscher Apotheken) wird sie aufgeführt. Als allgemeine Regel gelte: Wenn Rezepte innerhalb eines Monats nach Ablauf des Kalendermonats – in dem die Lieferung erfolgte – abgerechnet werden, liegt man innerhalb der Abrechnungsfrist. Wenn die Frist überschritten wird, könne es zu Retaxationen kommen. Jedoch nicht zu Nullretaxationen.

Das klingt zunächst simpel, wirft aber Fragen auf: Muss man bei einem Rezept aus dem letzten Jahr, das man beim Umräumen hinter einem Schrank gefunden hat, also keine Nullretaxation befürchten? Ab wann muss man mit finanziellen Einbußen rechnen, und wie hoch sind diese? Mit der erwähnten Faustregel der VSA ist man im Alltag schon gut beraten. Was man aber im konkreten Fall zu erwarten hat, können nur die einzelnen Arzneimittelversorgungsverträge beantworten – und zwar unter Paragrafen mit Titeln wie „Rechnungslegung“ oder „Rechnungsstellung“. 

Die Abrechnungsfristen der einzelnen Arzneiversorgungsverträge

Wie sich die Fristen zur Rechnungslegung und die daraus folgenden finanziellen Einbußen in den jeweiligen Arzneimittelversorgungsverträgen unterscheiden, soll hier an wenigen Beispielen dargestellt werden. Im konkreten Fall empfiehlt sich immer der Blick in den für Sie geltenden aktuellen Arzneimittelversorgungsvertrag. 

Die Ersatzkassen bundesweit

Für die Ersatzkassen (TK, Barmer, DAK, KKH, HEK, hkk) gilt ein bundesweiter Arzneiversorgungsvertrag, geschlossen mit dem Deutschen Apothekerverband (gültig ab 1.April 2016). Dort heißt es unter „§ 11 Rechnungslegung“, dass diese spätestens einen Monat nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte, stattfinden muss. Eine Überschreitung der Frist befreie die Kassen jedoch nicht von der Zahlungspflicht. Insoweit lässt sich also oben erwähnte Faustregel der VSA anwenden, und man ist vor einer Nullretaxation geschützt.

Wird die Monatsfrist für einzelne Verordnungsblätter aber überschritten, dürfen die Ersatzkassen  den Gesamtbruttobetrag um fünf Euro je Verordnungszeile  kürzen, bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und anderen Mitteln darf um zehn Prozent des Apothekenabgabepreises, insgesamt jedoch je Abrechnungsmonat und Ersatzkasse höchstens um 50 Euro gekürzt werden.

Primärkassen in Bayern

Ganz ähnlich gestalten sich die Regelungen bei den Primärkassen in Bayern (AOK, BKK, Knappschaft, SVLFG, IKK). Im mit dem Bayerischen Apothekerverband geschlossenen Arzneimittelversorgungsvertrag (Fassung vom 1.Juni 2016) findet man sie unter „§ 7 Rechnungsstellung“. Auch dort ist festgelegt, dass eine Überschreitung der Frist, die Kassen nicht von der Zahlungspflicht befreit – allerdings begrenzt auf bis zu zwölf Monate. Danach sind Abrechnungen oder sonstige Nachforderungen ausgeschlossen („es sei denn, die Apotheke hat das Fristversäumnis nicht zu vertreten“).

Das Rezept hinter dem Schrank vom letzten Jahr, ist dann also wahrscheinlich endgültig „verloren“. Auch ähnlich den Ersatzkassen können die Primärkassen in Bayern nach Überschreitung der Ein-Monats-Frist den Gesamtbruttobetrag um 5 Euro je Packung kürzen, jedoch höchstens um 50 Euro je Verordnungsblatt.

Beispiel für Baden-Württemberg

Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg regelt die Abrechnungsfrist in seinem Arzneiversorgungvertrag mit Primärkassen (AOK, SVLFG; Stand 01.04.2015) unter „§ 12 Rechnungslegung“. Auch hier lässt sich die Ein-Monats-Faustregel anwenden. Jedoch bezieht sich der Paragraf bei Überschreitung der Ein-Monats-Frist auf die „gesetzlichen Verjährungsfristen“. Außerdem sind die finanziellen Einbußen anders gestaffelt: Wenn einzelne Verordnungsblätter mehr als zwei Monate nach Ablauf der Frist abgerechnet werden, dürfen die Krankenkassen den Abrechnungsbetrag auf den Apothekeneinkaufpreis zuzüglich Mehrwertsteuer kürzen. Wird die Frist um mehr als sechs Monate überschritten, dürfen die Kassen den Abrechnungsbetrag teilweise oder sogar ganz kürzen, sofern sie eine durch den Verzug entstandene finanzielle Schadenshöhe nachweisen können.

Die AOK Niedersachsen ist besonders streng

Im Arzneilieferungsvertrag des Hessischen Apothekerverbands mit den Primärkassen (AOK, BKK, IKK Baden-Württemberg und Hessen, Landwirtschaftliche Krankenkasse Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Knappschaft; Fassung vom 01.04.2008) wird die Monatsfrist unter „§ 10 Rechnungslegung“ etwas enger gefasst – nämlich spätestens bis zum 20. eines Monats (Rechnungseingang bei der Krankenkasse) nach Ablauf  des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte. Wird diese Frist für einzelne Verordnungsblätter überschritten, gelten dieselben finanziellen Regelungen wie bundesweit bei den Ersatzkassen. Das Besondere in Hessen: „Irrläufer sind von dieser Regelung nicht betroffen“.

Die AOK Niedersachsen scheint von den aufgeführten Beispielen am strengsten zu sein. Im Arzneiversorgungsvertrag mit dem Landesapothekerverband Niedersachsen (Stand 01.06.15) heißt es unter „§ 7 Rechnungslegung“: Erfolgt die Abrechnung  für einen abgeschlossenen Kalendermonat bis spätestens drei Monate nach Ablauf des Kalendermonats (in dem die Lieferung erfolgte) nicht mit der von der Krankenkasse benannten Stelle, entfällt der Anspruch auf Bezahlung.

Wieder etwas anders ist es in Bremen: Im Arznei-Liefervertrag des Bremer Apothekervereins (AOK, BKK, Knappschaft, IKK; Stand 01.04.2012) heißt es unter „§ 6 Rechnungsstellung“: Die Einreichung belieferter Verordnungen beim Rechenzentrum hat spätestens zum Ende des auf die Belieferung folgenden Monats zu erfolgen. Alle in einem Kalendermonat beim Apothekenrechenzentrum eingereichten Verordnungen sind spätestens bis zum Ende des auf die Einreichung folgenden Monats durch das Rechenzentrum den Krankenkassen in Rechnung zu stellen. Ähnlich dem Baden-Württembergischen Beispiel brauchen die Krankenkassen später eingereichte Rezepte lediglich in Höhe des Apothekeneinkaufpreises zzgl. MwSt. zu vergüten. Neun Monate nach Ausstellung des Rezeptes entfällt der Vergütungsanspruch.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Abrechnungsfragen

von Heiko Barz am 10.11.2017 um 11:44 Uhr

Zu spät eingereichte Rezepte sind immer ein Zinsgewinn für die KKassen. Die wollen aber nicht nur die Zinsen gewinnen, sondern auch die komplette Verordnung für sich behalten. Das nenn ich mal eine Strategie!
Im Allgemeinen werden die Rezepte bei der Bestellung bedruckt, teilweise aber viel später abgeholt. Wie verhält es sich dann mit dem Verlangen der KKassen, dass erst unmittelbar bei Übergabe der Arzneimittel die Bedruckung des Rezeptes zu erfolgen hat? Gab es da nicht kürzlich die Diskussion mit den Hochpreisern? Ein diffuser Kreislauf der stets nur einen Gewinner kennt: die KKassen!!

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