Retax oder Regress

Wann muss ein „A“ aufs Grippeimpfstoff-Rezept? 

Stuttgart - 17.10.2017, 14:45 Uhr

Wenn das „A“ bei Grippeimpfstoff-Rezepten fehlt: Droht den Apotheken eine Retax? (Foto: Thomas Madel / stock.adeobe.com)

Wenn das „A“ bei Grippeimpfstoff-Rezepten fehlt: Droht den Apotheken eine Retax? (Foto: Thomas Madel / stock.adeobe.com)


Kennen Sie das „A“ bei Rezepten über die Grippeimpfung? Altbekannt bei Betäubungsmittelverordnungen müssen Ärzte auch bei manchen Grippeimpfstoff-Rezepten ein „A“ ergänzen. Welche Rezepte über Grippeimpfstoffe erfordern das Ausnahme-A? Und droht bei Fehlen des „A“ bei der Influenza-Impfung den Apotheken eine Retaxation? DAZ.online hat bei der AOK Baden-Württemberg nachgefragt.

Bei Betäubungsmitteln (BtM) ist es altbekannt: Überschreitet der Arzt bei der Verordnung von Betäubungsmitteln die zulässige Anzahl oder die zulässige Wirkstoffmenge der Betäubungsmittel, muss er dies auf dem BtM-Rezept kenntlich machen. Eine solche Ausnahmeverordnung bekommt den Buchstaben „A“. Das gelbe BtM-Rezept genießt aber hinsichtlich des „A“ keine Exklusivität: Auch bei Verordnungen über Grippeimpfstoffe müssen Ärzte den Anfangsbuchstaben des Alphabets berücksichtigen – zumindest bei manchen.

Wie funktionieren Grippe-Impfstoffverordnungen aktuell?

Den exklusiven Rabattverträgen für Impfstoffe hat das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) einen Riegel vorgeschoben. Ganz verschwunden sind diese Impfstoff-Rabattverträge beim Grippeschutz allerdings noch nicht. Dürfen zwar keine neuen Rabattverträge über Grippeimpfungen abgegeben werden, gilt „Bestandsschutz“: Viele Verträge erstrecken sich bis in die Saison 2018/2019.

Für die aktuelle Grippesaison haben zum Beispiel die gesetzlichen Krankenkassen in Baden-Württemberg Rabattvereinbarungen über Influvac® und Xanaflu® getroffen. Im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots hält die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) die Ärzte an, „fortgeltende Rabattvereinbarungen im Rahmen der wirtschaftlichen Auswahl des Arzneimittels in die Erwägung miteinzubeziehen und zu berücksichtigen“, heißt es auf der Homepage der KVBW. Für die Apotheker birgt diese Formulierung keine Risiken. Die Krankenkassen müssen nach der neuen Regelung wieder alle Impfstoffe bezahlen, die Apotheke darf den Grippeimpfstoff abgeben, den der Arzt verordnet hat.

Kein Rabatt-Grippeimpfstoff: „A“ muss aufs Rezept

Doch ganz ohne Fallstricke geht es wohl auch bei den Grippeimpfstoffen nicht. Oder kennen Sie die Regelung der Ausnahmeverordnung mit einem „A“ auch bei Influenzaimpfungen? Ein „A“ muss auf`s Rezept – nicht immer, das wäre auch zu einfach, aber für bestimmte Verordnungen. Verordnet der Arzt einen nicht-rabattierten Grippeimpfstoff, was er ohnehin nur „in besonderen Fällen“ tun sollte, „ist die Verordnung mit einem `A` zu kennzeichnen und mit der Arztunterschrift zu versehen“, schreibt die KVBW. Das gilt sowohl für Grippeimpfstoffe, die der Arzt im Sprechstundenbedarf bezieht, als auch für patientenbezogene Individualrezepte. Was passiert, wenn der Arzt das „A“ vergisst?

Wenn das „A“ fehlt: Regress oder Retax?

Hat die Krankenkasse an einer Verordnung etwas zu beanstanden, trifft es entweder den Arzt oder den Apotheker. Der Arzt bekommt einen Regress, dem Apotheker flattert eine Retaxation ins Haus. Wen belangt die Krankenkasse, wenn bei den Ausnahmeverordnungen bei der Grippeimpfung das „A“ fehlt? Zählt auch dies – wie im neuen Rahmenvertrag in 3 § geregelt – zu den unbedeutenden Formfehlern, die die Patientensicherheit nicht gefährden? In diesem Fall bleibt der Vergütungsanspruch der Apotheke bestehen – die Krankenkasse darf diese Kleinigkeiten seit 2016 nicht mehr retaxieren. DAZ.online hat bei der AOK in Baden-Württemberg nachgefragt.

„Die Verordnung von nicht rabattierten Impfstoffen ist aus wirtschaftlicher Sicht dem begründeten Ausnahmefall vorbehalten. Der Arzt macht dies auf der Verordnung kenntlich durch Auftragung des `A`. Fehlt das `A` auf dem Verordnungsblatt, kann die Apotheke den Arzt auf die (vielleicht versehentliche) unwirtschaftliche Verordnung aufmerksam machen, sie haftet aber nicht für die unwirtschaftliche Verordnung des Arztes, wenn sie einen nicht rabattierten Impfstoff auf eine Verordnung mit fehlendem `A` abgibt“, sagt ein Sprecher der AOK Baden-Württemberg. Das bedeutet also: keine Retaxation.

Wann erfolgt die Verordnung über Sprechstundenbedarf, wann patientenbezogen bei Grippe?

Für bestimmte Personengruppen – wie über 60-Jährige, Schwangere, Patienten mit chronischen Erkrankungen – ist die Grippeschutzimpfung eine Pflichtleistung der Krankenkassen. Ungeachtet davon übernehmen die Krankenkassen vielerorts, zum Beispiel in Baden-Württemberg, für alle anderen Impfwilligen die Kosten für die Influenzaimpfung auch, als sogenannte Satzungsleistung. Verordnen kann der Arzt den Grippeimpfstoff  über den Sprechstundenbedarf sowohl als Pflichtleistung als auch als Satzungsleistung, wenn er die Rabatt-Impfstoffe verschreibt. Weicht er bei Satzungsleistungspatienten von den rabattierten Impfstoffen ab, möchte die Krankenkasse exakt wissen, welcher ihrer Versicherten diesen ausnahmsweise erhält. Der Arzt verordnet dann auf Individualrezept und patientenbezogen. Hier wird das „A“ fällig. Mehrkosten werden für den Patienten nicht fällig.

Grippeimpfstoff: Wie kann der Arzt in BW verordnen?

  • Rabattierte Impfstoffe bei Pflicht- und Satzungleistungen sind Sprechstundenbedarf.
  • Nicht-rabattierte Impfstoffe (unter Auftragung des „A“) bei Pflichtleistungen sind ebenfalls Sprechstundenbedarf.
  • Nicht-rabattierte Impfstoffe (unter Auftragung des „A“) bei Satzungsleistungen laufen als Einzelverordnung auf den Namen des Versicherten.

Regionale Unterschiede bei Grippeimpfstoffen

Die Regelungen zur Belieferung für Grippeimpfstoffe unterscheiden sich regional. Nicht immer fordern KV und GKV ein Ausnahme-„A". So werden in Sachsen-Anhalt, anders als in Baden-Württemberg, rabattierte und nicht-rabattierte Grippeimpfstoffe über den Sprechstundenbedarf bezogen – „ohne Auftragung des `A`“, schreibt die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt. Die Verordnung nicht-rabattierter Grippeimpfstoffe auf  Patientenwunsch, erfolge auf einem Privatrezept.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Hessen

von Conney am 18.10.2017 um 11:13 Uhr

Und wie ist das in Hessen geregelt?

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AW: Hessen

von Celine Müller am 18.10.2017 um 11:32 Uhr

In Hessen haben die Krankenkassen mit dem hessischen Apothekerverband einen Vertrag geschlossen, der für Grippeimpfstoffe einen einheitlichen Vertragspreis festlegt. Dieser Vertragspreis gilt für alle zugelassenen Grippeimpfstoffe, auch für die tetravalenten. Ärzte können in Hessen somit frei entscheiden, welchen Grippeimpfstoff sie ihren Patienten verordnen und diesen über den Sprechstundenbedarf beziehen.

Herzliche Grüße, Celine Müller

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