Borderline-Produkte

Sind Cranberryextrakte Medizinprodukte oder Arzneimittel?

Remagen - 24.05.2017, 09:40 Uhr

Als Arzneimittel oder Medizinprodukt: Cranberryprodukte spielen auch in der Apotheke eine Rolle. (Foto: Tim UR / Fotolia)

Als Arzneimittel oder Medizinprodukt: Cranberryprodukte spielen auch in der Apotheke eine Rolle. (Foto: Tim UR / Fotolia)


Produkte mit Cranberryextrakten werden in vielen Ländern der Europäischen Union als Medizinprodukte gegen Blasenentzündungen vermarktet. Nun wackelt diese Einstufung. Die EU-Kommission will sie lieber im Arzneimittelbereich haben.

In der Europäischen Union dürfen die Mitgliedstaaten grundsätzlich selbst entscheiden, welcher Kategorie sie ein Produkt zuordnen, wenn sie sich dabei an die gesetzlich vorgegeben Kriterien halten. Diese lassen jedoch gewisse Spielräume zu, was zum Problem der sogenannten Borderline-Produkte führt, die je nach Land unterschiedlich klassifiziert sein können. Wenn ein Mitgliedstaat glaubt, dass für ein bestimmtes Produkt oder eine Produktgruppe im Grenzgebiet „Medizinprodukte“ eine verbindliche Einstufung notwendig ist, muss er hierfür ein besonderes Verfahren beschreiten, das im Medizinprodukterecht der EU niedergelegt ist (Art. 13 der Richtlinie 93/42/EWG). Es endet mit einer Durchführungsverordnung (Implementing Decision) der Europäischen Kommission, die eine für alle Mitgliedstaaten geltende Einstufung vornimmt. Im Moment läuft ein solches Verfahren zu Cranberry-Produkten. Es war im Jahr 2014 von Frankreich angestoßen worden. 

Wie wirken Cranberryextrakte?

Produkte mit Extrakten aus Cranberry (Vaccinium macrocarpon) werden als Medizinprodukte gegen Harnwegsinfekte und Blasenentzündungen vermarktet. Wesentliche Inhaltsstoffe sind die Proanthocyanidine (PAC). Sie wirken auf E. Coli-Bakterien, die in den meisten Fällen für eine Blasenentzündung verantwortlich sind. Nach Herstellerangaben soll die Wirkung darauf beruhen, dass die PAC die Spitzen der Fimbrien des E. Coli-Bakteriums besetzen. Dadurch können sich die Bakterien nicht mehr an der Blasenwand anheften und werden mit dem Urin ausgeschieden. Der Mechanismus besteht in sterischen Interaktionen (sterische Stabilisierung, sterische Hinderung), wobei eine starre Struktur entsteht. Wechselbeziehungen mit einer Uroepithelzelle sind dann nicht mehr möglich. Ohne die Anheftung kann auch keine bakterielle Entzündung entstehen. Aufgrund dieses postulierten Wirkmechanismus lasse sich schlussfolgern, meinen die Hersteller, dass Produkte mit Cranberryextrakt nicht pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch wirken. Sie wären damit Medizinprodukte und keine Arzneimittel. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Klassifizierung als Medizinprodukt ist in der gesamten EU unzulässig

Cranberryextrakte sind Arzneimittel

Warum kann ein Medizinprodukt, das eigentlich ein Arzneimittel ist, so lange auf dem Markt bleiben?

Die „Rosa Creme“ und die Überwachung

Verhinderung der Adhäsion von E. coli an das Epithel der unteren Harnwege

Cranberry-Früchte gegen Blasenentzündung

Cannabidiol-Produkte können Lebensmittel sein

CBD: Novel-Food-Anträge werden nun weiter geprüft

Entlassung aus der Verschreibungspflicht

Wie funktioniert ein OTC-Switch?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.