Fremdbesitz und Hüffenhardt

Linz attackiert FDP und DocMorris

Hannover - 08.05.2017, 12:20 Uhr

Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz kritisiert DocMorris und die FDP scharf. (Foto: Schelbert)

Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz kritisiert DocMorris und die FDP scharf. (Foto: Schelbert)


Sie würde den Abgabeautomaten mit Videoberatung von DocMorris „sofort wieder schließen“, erklärt Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen. Sie wettert auch gegen den Beschluss der Bundes-FDP, den Fremdbesitz zu erlauben: Dies mache die Versorgung schwer Kranker weder wirtschaftlicher noch effizienter oder gar besser, erklärt Linz – die Initiative werde „nach hinten losgehen“.

In einer Pressemitteilung kritisiert die Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, Magdalene Linz, den Video-Automaten von DocMorris in Hüffenhardt scharf – wie auch die geforderte Apotheken-Liberalisierung der FDP. „Das ist ein klarer Affront gegen bewährte und sichere Versorgungsstrukturen in Deutschland“, erklärte Linz zu der Abgabe-Station samt Videoberatung, die DocMorris nur wenige Tage nach einem ersten Verbot des Regierungspräsidiums Karlsruhe wieder geöffnet hatte: Die Einreichung einer Klage erlaubte der niederländischen Versandapotheke, zumindest OTC-Arzneimittel wieder abzugeben – das Regierungspräsidium hatte nur für rezeptpflichtige Arzneimittel den „Sofortvollzug“ angeordnet.

„Der niederländische Versender fühlt sich offenbar nicht an geltendes Recht gebunden und inszeniert medienwirksam die Wiederbelebung seiner alten Idee von einer Video-Apotheke“, betont Linz in der Presseerklärung. Erst versuche DocMorris durch Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel die bewährte Preisbindung von Medikamenten auszuhebeln, kritisiert sie. Der Gesetzgeber wolle mit diesen Patienten „im Krankheitsfall vor Mondpreisen und Abzocke“ schützen, sagt Linz. „Und jetzt verstößt das Unternehmen auch noch gegen die Apothekenpflicht.“

Die Kammerpräsidentin erinnerte daran, dass verschreibungspflichtige und viele nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland nur unter strengen Auflagen in einer Apotheke gelagert und abgegeben werden dürfen – aus Gründen der Patientensicherheit. „Die Abgabe über einen Automaten halten wir für rechtlich nicht zulässig“, betont Linz. Die Apothekerkammer Niedersachsen – die anders als in Baden-Württemberg gleichzeitig die vom Staat ermächtigte Aufsichtsbehörde ist – habe in dieser Sache eine klare Rechtsauffassung. Sie würde „die Aufstellung eines solchen Automaten nicht genehmigen und eine Video-Abgabestelle im Falle einer Eröffnung sofort wieder schließen“, erklärt die Kammerpräsidentin. 

„Die von der FDP geforderte Reform wird nach hinten losgehen“

Linz sprach sich auch deutlich gegen die Forderungen des FDP-Bundesparteitags nach einer Liberalisierung des Apothekenmarktes aus. „Weitere Marktzugangshemmnisse wie das Fremdbesitzverbot müssen abgeschafft werden“, heißt es überraschenderweise im FDP-Parteiprogramm. „Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass ein Rückzug des Staates aus dem Gesundheitswesen für den Patienten von Vorteil ist“, erklärt die Kammerpräsidentin. „Eine solche Reform, wie sie die FDP fordert, wird nach hinten losgehen.“

Mit dem Passus „verabschieden sich die Liberalen von den inhabergeführten Apotheken und wollen den Weg für Apothekenketten ebnen“, heißt es in der Pressemitteilung. „Die Versorgungslage wird durch Apothekenketten nicht wirtschaftlicher, nicht effizienter und schon gar nicht besser für den Erkrankten“, greift Linz diesen Beschluss an.

Sie verweist auch auf die Erfahrungen in Schweden. „Dort wollte die Politik durch Aufhebung des Fremdbesitzverbots und Einführung von Apothekenketten die Zahl der Apotheken erhöhen, um so die Lage der Bevölkerung in schlecht versorgten Regionen zu verbessern“, heißt es in der Erklärung von Linz. „Stattdessen eröffneten die Konzerne neue Standorte vor allem in gut besiedelten städtischen Regionen. In Gebieten wie beispielsweise im Norden des Landes, wo zuvor schon keine inhabergeführte Apotheke überleben konnte, hat sich auch jetzt keine Apotheke niedergelassen.“

Staatliche Apotheken schneiden besser ab als Ketten

Um der Bevölkerung den Zugang zu Arzneimitteln weiterhin zu ermöglichen, erhalten Apotheker in einigen strukturschwachen Regionen Schwedens im Rahmen eines Franchise-Modells nun sogar eine staatliche Förderung, betont Linz – damit diese Apotheken nicht auch noch geschlossen werden. „Inzwischen teilen fünf Apothekenketten die gesamte Arzneimittelversorgung unter sich auf“, heißt es in der Pressemitteilung – die auf die Berichterstattung von DAZ.online verweist und erwähnt, dass im Land nur 10 bis 15 Pharmazeuten unabhängig arbeiten, also ohne Apothekengruppe im Hintergrund.

Linz hält es für „bemerkenswert“, dass laut einer Studie an den Universitäten Uppsala und Kopenhagen Apothekenmitarbeiter nach der Deregulierung in Schweden aufgrund der Mehrbelastung unzufrieden sind und an der Patientensicherheit in ihren eigenen Apotheken zweifeln. „Gemäß der Studie schneiden die staatlichen Apotheken bei der Bevölkerung besser ab als die Apothekenketten“, heißt es in der Pressemitteilung von der Apothekerkammer Niedersachsen.

Kammerpräsidentin Linz zieht auch einen Vergleich mit anderen Wirtschaftsbereichen. „Eines haben wir doch wohl aus der Finanzkrise in den USA und Europa gelernt: Je lascher die staatliche Bankenaufsicht in einem Land handelte, desto stärker war es von der Krise betroffen“, erklärt sie. „Unregulierte Apotheken übernehmen keine unrentablen Gemeinwohlaufgaben und machen damit die gesamte Versorgungslage instabiler. Das kann nicht die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Deutschland sein“, betont Linz.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Die "Orgeln" spielen wieder ...

von Christian Timme am 08.05.2017 um 18:42 Uhr

Die niedersächsische "Artillerieabteilung" schießt sich auf zwei bekannte Ziele ein. Die ABDA versucht es mit "Wattebällchen" und Rohrkrepierern ... Die eine kann, der andere eben nicht ...

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AB DA - nichts?

von Christian Giese am 08.05.2017 um 12:43 Uhr

Frau Linz leidet wenigstens nicht an der Vermeidungsreaktionsschwäche!

Ein aufrichtiges Danke dafür!

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