Import versus rabattiertes Original

Sozialgericht räumt Aut-idem-Kreuz den Vorrang ein

Berlin - 29.03.2017, 15:40 Uhr

Das Aut-idem-Kreuz sorgt einmal mehr für Verwirrung. Doch zumindest ein Apotheker dürfte sich gerade freuen. (Foto: detailblick / Fotolia)

Das Aut-idem-Kreuz sorgt einmal mehr für Verwirrung. Doch zumindest ein Apotheker dürfte sich gerade freuen. (Foto: detailblick / Fotolia)


Wie soll eine Apotheke mit einem Rezept über einen Reimport umgehen, wenn der Arzt das Aut-idem-Kreuz gesetzt hat, aber ein Rabattvertrag über das Originalpräparat besteht? Die gängige Auffassung lautet: Der Rabattvertrag hat vor dem Aut-idem-Kreuz Vorrang – denn bei Original und Import handelt es sich letztlich um das gleiche Arzneimittel. Das Sozialgericht Bremen hat nun allerdings anders entschieden – zugunsten des Apothekers.

Im Verhältnis zum Originalarzneimittel sind die entsprechenden Importpräparate häufig wirtschaftlicher. Ist der Import mindestens 15 Prozent oder 15 Euro günstiger als das Bezugsarzneimittel, so tut die Apotheke gut daran, diesen abzugeben, zumindest solange die Importquote noch nicht erfüllt ist. Aut-idem-Kreuz oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Original und Import gelten als identisch.

Gibt es aber einen Rabattvertrag, so ist das Rabattvertragsarzneimittel abzugeben – gleich, ob dieser über das Original oder den Import besteht. Und das soll selbst dann gelten, wenn der Arzt das Aut-idem-Kreuz gesetzt hat. Denn schließlich sind auch hier ein Original und sein Import das gleiche Arzneimittel – sie sind nicht nur wirkstoffgleich wie Original und Generikum. 

Das Koblenzer Urteil

So war es allgemeine Auffassung, bis im Jahr 2014 ein Urteil des Sozialgerichts Koblenz genau andersherum entschied: Aut-idem-Kreuz schlägt Rabattvertrag. Das Koblenzer Gericht wertete die ärztliche Therapiehoheit höher als das Interesse der Krankenkassen am Sparen und macht einer Kasse bei ihrem Retax-Versuch gegenüber einer Apotheke einen Strich durch die Rechnung.

Die Entscheidung sorgte für einige Unruhe bei Apothekern und Krankenkassen – was sollte nun gelten? Da die in Koblenz unterlegene Kasse das Urteil akzeptierte, kam es nie zu einer höchstrichtlichen Entscheidung. Letztlich blieb es damit eine Einzelfallentscheidung. Und nach einigen Wirren kam man wieder zu der allgemeinen Auffassung, dass der Rabattvertrag im Fall von Original versus Import doch das Aut-idem-Kreuz überstrahlt. Im vdek-Arzneiversorgungsvertrag wurde dies mittlerweile sogar ausdrücklich klargestellt.

§ 4 Abs. 12 vdek-Arzneiversorgungsvertrag

„Hat der Vertragsarzt ein Fertigarzneimittel unter seinem Produktnamen und/oder seiner Pharmazentralnummer unter Verwendung des Aut-idem-Kreuzes verordnet, ist dies im Verhältnis von importiertem und Bezugsarzneimittel mangels arzneimittelrechtlicher Substitution unbeachtlich. Dies gilt nicht, wenn der Arzt vermerkt hat, dass aus medizinisch-therapeutischen Gründen kein Austausch erfolgen darf.“

Und auch die im Mai 2016 beschlossenen neuen Retax-Regeln im Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung besagen nun, dass es – bei der Berücksichtigung von Rabattverträgen – kein Retax-Grund ist, wenn ein Apotheker trotz angekreuztem Aut-idem-Feld Original statt Import oder umgekehrt abgibt  (§ 3 Abs. 1 Nr. 7 b. (1) RahmenV).  

DAK-Gesundheit muss Apotheker Geld zurückzahlen

Dennoch hat jetzt erneut ein Sozialgericht im Sinne der Koblenzer Richter entschieden: Die DAK-Gesundheit hatte einen Apotheker retaxiert, der den verordneten Copaxone Reimport statt des rabattierten Originals abgegeben hat. Doch nun hat das Sozialgericht Bremen die Ersatzkasse verurteilt, knapp 1300 Euro nebst Zinsen an den Apotheker zurückzuzahlen.

Das Gericht führt sowohl die Verpflichtungen der Apotheke zur Abgabe von Importen als auch von Rabattarzneimitteln nach § 129 Abs. 1 SGB V auf. Dabei kommt es zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für die bevorzugte Abgabe eines Rabattarzneimittels hier nicht erfüllt waren. Der Arzt habe nicht nur einen Wirkstoff, sondern ein ganz bestimmtes Arzneimittel verordnet und bewusst den Austausch ausgeschlossen. „Damit hat er im Rahmen seiner Therapiehoheit als Arzt der abgebenden Apotheke Vorgaben gemacht, die von dieser nicht hinterfragt werden durften“, heißt es im Urteil – verwiesen wird dabei auf das Koblenzer Urteil.

Mit dem vdek-Arzneiversorgungsvertrag setzt sich das Gericht nicht auseinander.

Die DAK-Gesundheit hat nun die Möglichkeit, beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Berufung einzulegen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diesmal eine höchstrichterliche Entscheidung herbeigeführt werden soll, um endgültig Klarheit ins Dickicht um Importe, Originale, aut-idem und Rabattverträge zu bringen.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

Kontrollierter Import

von Anonym am 06.04.2017 um 9:57 Uhr

Die Frage ist, ob die Arztmittelimporte die Umsätze von inländischen Produzenten nicht übersteigen. Soweit ich weiß, müssen die Warenumsätze über €500.000 pro Jahr bei der Intrahandelsstatistik gemeldet werden (http://www.intrastat-service.de/). Ich fände es nicht gut, wenn die heimischen Pharmafirmen den Preisdruck bekommen würden, und an die Inhaltsstoffen sparen würden, um den Marktanteil behalten zu können.

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Einigt doch endlich mal ihr Witzbolde

von ichmussweg am 29.03.2017 um 22:10 Uhr

Heute hü. Morgen hott. Verarschen kann ich mich selbst.

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Erneut Retax ad libtitum?

von Andreas Grünebaum am 29.03.2017 um 18:40 Uhr

Nun also was? Abgabe nach Rahmenvertrag mit möglicher Retax wegen Falschabgabe oder Abgabe nach zweifelhafter Rechtslage unter Beachtung des aut idem Kreuzes selbst bei Importen mit gleicher Zulassungsnummer - also letztlich aus der gleichen Fabrik? Da weis der Halbgott in weiß nach Meinung des Richters wohl etwas, was wir nicht wissen, oder ist es doch nur ein falsches Verständnis der Sparmechanismen im Gesundheitswesen?

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